Grevenstein. In den 50er-Jahren gab es fast nur Bier aus Holzfässern. Das war auch bei Veltins in Meschede-Grevenstein so. Die Küfer waren daher wichtig.

Kein Wunder, dass der Küfer bei Veltins gleich hinter dem Braumeister der wichtigste Mann war. 1950 wurden immerhin 98 Prozent des Bieres in Holzfässer abgefüllt und in die Gastronomie geschafft – jedes Fass zählte und bedurfte der Pflege. Bis 1965 war das dumpfe Rollen der mächtigen Biergebinde immerhin 140 Jahre lang Tag für Tag zu hören, dann übernahmen vorübergehend Alu-Fässer und wenig später die heutigen KEG-Fässer die Bierbelieferung der Gastronomie.

Ein Stück Geschichte: Im Archiv der Brauerei Veltins werden zahlreiche Exponate aus der Vergangenheit und Gegenwart, darunter die verschiedenen Bierfässer, aufbewahrt und archiviert.
Ein Stück Geschichte: Im Archiv der Brauerei Veltins werden zahlreiche Exponate aus der Vergangenheit und Gegenwart, darunter die verschiedenen Bierfässer, aufbewahrt und archiviert. © Brauerei Veltins

Jetzt sind Fotos und Unterlagen aus Privatbesitz aufgetaucht – sie illustrieren authentische Veltins-Geschichte der harten Arbeitsjahre auf dem Brauereihof in Grevenstein gleich nach dem Krieg. Zwei Jahre nach der 1948er-Währungsreform lag der Fassbierausstoß immerhin noch bei 98 Prozent, zehn Jahre später gingen 72 Prozent des Bieres in Fässer und schon 18 Prozent in die Flasche. Im Geschäftsjahr 2019 war es genau umgekehrt.

Der Alltag in den 50ern

So sah der Alltag auf dem Brauereihof in den 1950er-Jahren aus – hart, Kräfte zehrend und Durst machend: Mit festen Schlägen auf den Küferhammer trieb Küfer Heinz Temme den eisernen Kopfring von oben an die Eichen-Dauben der schweren Holzfässer, die aus den umliegenden Gaststätten als Leergut zurück in die Brauerei Veltins gekommen waren. Anschließend wurden der Korken aus dem Zapfloch an der Flanke und die Spundschraube aus dem Spundloch entfernt, damit das Fass in der Schwankhalle „gewichst“ werden konnte. So nannte man damals die händische Reinigung von Holzfässern, die zum Spülen übrigens hin und her geschwankt wurden.

Das Küfer-Handwerk

Während die KEG-Fässer der Brauerei Veltins heutzutage direkt nach der Reinigung wieder befüllt werden können, musste Heinz Temme in den Nachkriegsjahren zuerst die schwarze Pechschicht im Innern der Holzfässer auf Unversehrtheit und Sauberkeit prüfen. Eine Leuchte und der versierte Blick ins Innere zeigten den Weg. Waren Schäden in der Pechschicht erkennbar, ging es zunächst wieder in die Küferei, die zur damaligen Zeit unterhalb der Brauerei in einem Wellblechschuppen untergebracht war. Von den vier Mitarbeiter dort waren zwei gelernte Küfer – heutzutage ein Beruf mit Seltenheitswert. Darunter Heinz Temme aus Grevenstein, der 1949 zur Brauerei kam.

Dieses Fass hat viele Jahre in der Gastronomie und auf Festen Durst gelöscht! Auf dem Fassdeckel sind die Nummer und der Besitzer – die Brauerei Veltins – eingeprägt. Die Messingplatte zeigt das Volumen, direkt daneben befindet sich dann der Stempel des Eichamts.
Dieses Fass hat viele Jahre in der Gastronomie und auf Festen Durst gelöscht! Auf dem Fassdeckel sind die Nummer und der Besitzer – die Brauerei Veltins – eingeprägt. Die Messingplatte zeigt das Volumen, direkt daneben befindet sich dann der Stempel des Eichamts. © Brauerei Veltins

Er hatte erst am 4. August 1947 die Gesellenprüfung im Böttcher-Handwerk mit „gut“ in allen drei Bereichen abgelegt. Gesellenstück, Arbeitsprobe und theoretisches Wissen hatten die Prüfer überzeugt. Auch während seiner Lehre bei Böttchermeister Anton Temme hatte er sich „gut“ geführt. So geht es aus dem Lehrbrief hervor, der erst vor Kurzem seinen Weg in das Archiv der Brauerei gefunden hat. Für den Beruf des Küfers gibt es verschiedene Bezeichnungen, die meist regional unterschiedlich sind. Auch als Böttcher, Fassbinder, Schäffler oder Büttner ist der Küfer bekannt.

Viele Familiennamen zeugen noch heute von der begrifflichen Abstammung. Bis zur Industrialisierung hingen die Berufe von Böttcher, Bierbrauer und Weinküfer eng zusammen und waren sogar in einer Zunft organisiert – verständlich: Ohne Fass kein Bier.

In der Küferei der Grevensteiner Brauerei wurden die Holzfässer repariert und regelmäßig neu gepicht. Besonders das Pichen war nicht ganz ungefährlich. Um die Poren und Fugen des Holzes zu schließen und ein späteres Entweichen der Kohlensäure zu verhindern, aber auch um im Fassinnern eine glatte Fläche zu bekommen und hölzernen Geschmack im Bier zu verhindern, mussten Holzfässer vollends mit Pech ausgekleidet werden. Das durfte nur eine ganz dünne Schicht ohne Blasen oder Risse sein.

Auch interessant

War diese Pechschicht erst beschädigt, musste sie mühsam entfernt und eine neue aufgetragen werden. Obwohl es hier verschiedene Methoden gab, so war eines immer gleich: Das Pech war dabei flüssig und extrem heiß. Nach dem Pichen wurden die Fässer in der Schwankhalle noch mit Wasser besprenkelt, damit sich das Holz nach der Erhitzung wieder ausdehnen konnte. Jedes Mal, wenn die Fässer neu gepicht wurden, konnte sich das Volumen um 1,5 bis zwei Liter verringern; deswegen musste jedes Fass nach jeder Neubeschichtung wieder geeicht werden.

Um den Weg des jeweiligen Fasses nachvollziehen zu können, war jedes Fass auf dem Deckel nummeriert. Eine Messingplatte verriet überdies das Volumen in Litern und eine kleine Plakette mit Stempel des Eichamts bestätigte zusätzlich die Richtigkeit der Angabe. Der Inhalt bewegte sich zwischen 30 und 100 Litern. Dabei wurde nahezu der gesamte Ausstoß ausschließlich über Fassbier an regionale Gaststätten geliefert – und das mit eigenem Fuhrpark.

Die Moderne

Zu Beginn der 1960er-Jahre kamen bei der Brauerei Veltins bereits Alufässer dazu, die anfangs noch parallel zu den Holzfässern genutzt wurden. Um 1965 wurden die reinen Holzfässer dann ganz abgeschafft, so dass auch die Küferei ihre ureigene Aufgabe verlor. Bei den jungfräulichen Alufässern bedurfte es lediglich vor der ersten Befüllung einer speziellen Vorbereitung: So mussten die Fässer erst einmal mit Hefe gespült werden, denn das Bier sollte ja keinen Alugeschmack haben.

Heinz Temme (rechts) lässt sich den Haustrunk schmecken, nachdem er mit dem Küferhammer den eisernen Kopfring an die Eichen-Dauben getrieben hatte.
Heinz Temme (rechts) lässt sich den Haustrunk schmecken, nachdem er mit dem Küferhammer den eisernen Kopfring an die Eichen-Dauben getrieben hatte. © Brauerei Veltins

Später mussten die Fässer nur noch gereinigt werden. Mit den weiteren Innovationen waren diese händischen Arbeiten nach und nach nicht mehr erforderlich. In den 1980er-Jahren gab es bei der Brauerei die erste Abfüllanlage für die heutigen KEG-Fässer. Von nun an gehörte bei Schützenfesten und in den Bierkellern der Gastronomie auch die legendäre Bierfontäne der Vergangenheit an. Sie entstand manches Mal, wenn der lange Degen in das Holz- oder Alufass hineingestochen wurde.

Mit der heute in Betrieb befindlichen Anlage, die im Jahr 2015 aufgestellt wurde, können in der Stunde 450 der 50-Liter-Fässer oder 500 der 30-Liter-Fässer abgefüllt werden.

Mithilfe von zwei Robotern ist sogar das Be- und Entladen der Paletten ohne den früher harten körperlichen Einsatz möglich.

Küferarbeiten schon viele Jahrzehnte nicht mehr bei der Grevensteiner Brauerei, dafür aber unverändert kompetente Brauer und Mälzer, Maschinen- und Anlagenführer, Industriemechaniker und viele weitere handwerkliche oder technische Fachkräfte, die mit ihrem Know-How jeden Tag dafür sorgen, dass frisches Veltins und natürlich alle anderen Brauereiprodukte gebraut, abgefüllt und verladen werden können.