Meschede. In der Corona-Krise ist wieder mehr erlaubt. Doch es gibt eine Grenze für Neuinfektionen: Wir gefährdet ist der Hochsauerlandkreis?

Die Lockerungen aus der Corona-Krise waren noch nicht beschlossen, da war bereits aus dem Kanzleramt von einem „Lockdown II“ die Rede, von einem erneuten totalen Stillstand, wenn zu viele Infektionen mit dem neuartigen Virus auftreten. Tatsächlich gibt es jetzt ein Limit für die Landkreise in Deutschland. Wie gefährdet ist der Hochsauerlandkreis?

136 Infektionen die Woche

Die Zahl von 50 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen gilt als obere Grenze - danach müssen Maßnahmen eingeleitet werden. Dr. Peter Kleeschulte, der Leiter des Gesundheitsamtes im Hochsauerlandkreis, hat die Zahlen auf die heimische Region hochgerechnet: Mehr als 260.000 Einwohner leben hier. Das würde maximal 136 Neuinfektionen pro Woche bedeuten.

Dr. Peter Kleeschulte, Leiter des Kreisgesundheitsamts.
Dr. Peter Kleeschulte, Leiter des Kreisgesundheitsamts. © Archiv

„So eine Zahl haben wir bisher nie erreicht“, sagt Kleeschulte. „Auch nicht zu den Zeiten Mitte März und Anfang April, als sich das Virus besonders stark verbreitete.“ Rückkehrer aus den Skigebieten hatten die Infektion damals in den Hochsauerlandkreis mitgebracht - und weitergeben. Dennoch sei die heimische Region nicht über 40 Infektionen pro 100.000 Einwohner in der Woche hinausgekommen.

Abstand und Hygiene

Die jetzt beschlossenen Öffnungen verstehe er „voll und ganz“, erklärt Kleeschulte. „Die Einschränkung von Grundrechten muss schließlich verhältnismäßig sein.“ Am Wichtigsten sei es jetzt die Abstandsregeln einzuhalten und auf Hygiene und da insbesondere auf das Händewaschen zu achten - „das sind die wesentlichen Punkte“, betont er.

Aus Sicht des Mediziners ist es offen, ob jetzt tatsächlich wieder viele weitere Infektionen im Hochsauerlandkreis auftreten. „Man kann nie genau wissen, wie es weitergeht, aber mit dem was, wir erreicht haben, können wir sehr zufrieden sein.“ Zuletzt seien nur noch Einzelfälle erfasst worden. Die Schere zwischen Genesenen, die eine Infektion überstanden hatten, und jenen, die neu erkrankt seien, gehe immer weiter auf - derzeit 509 Genesene/ 62 Infizierte.

Massive Einschränkungen

Und selbst wenn das Virus plötzlich in Schulen oder weiteren Altenheimen festgestellt werde: „Wir sind darauf vorbereitet.“ Kleeschulte verweist in dem Zusammenhang zudem darauf, dass Maßnahmen bei Überschreiten der Grenze zielgenau getroffen werden dürfen: Wenn bestimmte Einrichtungen der Grund für viele Neu-Infektionen sind, kann hier angesetzt werden. Nicht zwangsläufig muss die gesamte Bevölkerung wieder massive Einschränkungen hinnehmen. Das Wort „Lockdown“ mag er daher nicht.

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Von Ute Tolksdorf, Jürgen Kortmann, Oliver Eickhoff, Frank Selter, Alexander Lange, Christina Schröer

Aufmerksam zur Kenntnis genommen hat der Leiter des Kreisgesundheitsamtes auch die so genannte Heinsberg-Studie. In dem rheinischen Kreis war das Corona-Virus massiv ausgebrochen. Ein Team um den Bonner Virologen Hendrick Streek hatte die Verbreitung der Infektionen und deren Auswirkungen untersucht. Ein wesentliches Ergebnis: die Dunkelziffer ist hoch, es waren viel mehr Menschen infiziert als bekannt. Und: die Sterblichkeit liegt bei 0,37 Prozent. Dazu Kleeschulte: „Bei solchen Zahlen nähern wir uns den Folgen einer Influenza an“ - einer sehr starken Grippe.

Schwere Vorerkrankungen

Der Leiter des Gesundheitsamtes gibt zu bedenken, dass ungewiss ist, ob die Ergebnisse aus Heinsberg auf das gesamte Bundesgebiet zu übertragen sind. Doch auch er glaubt: Es haben im Hochsauerlandkreis viel mehr Menschen das Virus überstanden als offiziell bekannt. Auch die 17 Todesfälle hat sich Kleeschulte genau angesehen. Die Statistik besagt: der Durchschnitt der Betroffen lag bei weit über 80 Jahren, sie hatten fast sämtlich schwere Vorerkrankungen.