Meschede/Eslohe/Bestwig/Schmallenberg. Wie geht es weiter mit den Corona-Lockerungen? Das sagen die Bundestagsabgeordneten aus dem Hochsauerlandkreis dazu.

Ein paar Wochen haben die Bürgerinnen und Bürger still gehalten. Doch nach und nach wächst der Widerstand gegen die Auflagen und Einschränkungen wegen Corona. Auch auf Länderebene wird die Entwicklung unterschiedlich ausgelegt. Wie bewerten unsere heimischen Bundestagsabgeordneten die Situation? Wird es ihrer Meinung nach weitere Lockerungen geben? Wenn ja, für wen? Wir haben ihnen vier Fragen zur Bewertung der aktuellen Corona-Lage gestellt.

1. Werden die Auflagen in Sachen Corona Ihrer Ansicht nach zu schnell gelockert oder hätte man sie sogar früher lockern müssen?

Patrick Sensburg: Bund und Länder haben bislang ein kluges Krisen-Management an den Tag gelegt. Das zeigt ja auch die Entwicklung der Zahlen in den letzten Tagen und Wochen. Ziel muss es aber auch weiterhin bleiben, dass wir die Zahl der Neu-Infektionen so niedrig halten, dass wir jedem Erkrankten eine optimale medizinische Betreuung gewährleisten können. So lange das der Fall ist, sollten auch weitere Lockerungen folgen. Wir müssen jetzt Schritt für Schritt wieder zur Normalität zurückkehren.

Dirk Wiese (SPD).
Dirk Wiese (SPD). © www.marco-urban.de | Marco Urban

Dirk Wiese: Die Einigung vor zwei Wochen von Bund und Ländern war eine fundierte Grundlage für stufenweise Lockerungen. Gerade im lokalen stationären Einzelhandel können entsprechenden Hygiene- und Schutzmaßnahmen umgesetzt werden. Beim Thema Schule hat die Landesregierung kein gutes Bild abgegeben. Dann noch den Bürgermeistern vor Ort den schwarzen Peter zuzuschieben, war ein unhaltbarer Vorgang von Armin Laschet. Wichtig ist es, Schritt für Schritt zu einer kontrollierten Normalität zurückzukommen, die Fallzahlen aber stets im Blick zu haben.

Carlo Cronenberg: Kinder wollen in die KiTa, Schüler in die Schule und Christen in die Kirche. Ich finde den Ausdruck „Lockerung“ unangemessen, so als ob es um Leichtsinn oder Vorsicht ginge. Dabei geht es vielmehr um Grundrechte, von der freien Religionsausübung bis zum „Recht auf Bildung“. Wer das einschränkt, muss den Nachweis liefern, dass die Maßnahmen wirksam und verhältnismäßig sind. Dieser Punkt scheint überschritten. Es darf nicht sein, dass der Erfolg der Freiheitseinschränkungen dazu führt, dass sie aus Angst vor der zweiten Welle nicht mehr aufgehoben werden.

2. Halten Sie die Unterstützung der Wirtschaft für ausreichend?

Patrick Sensburg (CDU).
Patrick Sensburg (CDU). © Archiv

Patrick Sensburg: Die Unterstützung ist sehr umfangreich. Wichtig war nach meiner Einschätzung vor allem, dass Bund und Länder schnell reagiert haben und dass auch die Hilfen schnell bei den Betroffenen angekommen sind. Die CDU-geführte Landesregierung hat hier in NRW für einen schnellen und weitestgehend reibungslosen Ablauf gesorgt. Für einige Bereiche müssen wir allerdings weiterhin nach Lösungen suchen. Dazu zählen für mich z.B. Hotels, Reisebüros und Busunternehmen, die auch im Hochsauerlandkreis in ganz besonderem Maße von den Folgen der Corona-Pandemie betroffen sind.

Dirk Wiese: Es war absolut richtig, umgehend und in der Größenordnung der Wirtschaft zu helfen. Wir haben für kleine Unternehmen und Solo-Selbstständige ein Soforthilfepaket auf den Weg gebracht, für die etwas Größeren gibt es Kreditprogramme, bei denen der Bund bis zu 100% der Haftung übernimmt. Mit diesen Instrumenten und auch der erleichterten Kurzarbeit konnten wir die Wirtschaft finanziell entlasten und haben damit viele betriebsbedingte Kündigungen verhindert. Aber wir schauen auch sehr genau hin, in welchen Bereichen wir auch noch nachsteuern müssen.

Carlo Cronenberg: Dass die Bundesregierung schnell auf Corona reagiert hat, finde ich gut. Im Bundestag habe ich das mitgetragen. Andererseits halte ich es für eine Selbstverständlichkeit, dass der Staat hilft, wenn er die Wirtschaft lahmlegt. Korrekt wäre eine Entschädigung für alle, deren Gewerbe zwangsgeschlossen wurde. Das jedoch würde den Bundeshaushalt sprengen, deshalb wird man einen Kompromiss finden müssen. Gießkannen-Hilfsprogramme sind falsch. Die einen wie die Reise- und Veranstaltungswirtschaft brauchen mehr Unterstützung, andere wie Medizintechnik gar keine.

3. Würden Sie es befürworten, dass die Gastronomie- und Beherbergungsbetriebe ihren Betrieb bald wieder aufnehmen können? Wenn ja, wie könnte das aussehen?

Patrick Sensburg: Klares Ja! Unsere Hotels und Gaststätten brauchen dringend eine Perspektive, wann und wie der Betrieb wieder anlaufen kann. Klar ist, dass auch im Tourismus und Gastgewerbe Abstands- und Hygieneregeln eingehalten werden müssen. Die Betriebe hier im Sauerland gehen mit dieser Thematik vorbildlich und sehr verantwortungsbewusst um. Das habe ich in den vergangenen Tagen und Wochen in zahlreichen Gesprächen immer wieder gemerkt. Meine Unterstützung hat die Branche dabei.

Dirk Wiese: Ich bin sehr dafür, dass wir den Betrieben der für das Sauerland sehr wichtigen Branche mittelfristig eine Perspektive bieten. Wenn Konzepte vorliegen, ist eine kontrollierte und schrittweise Öffnung vertretbar, z.B. mehr Außengastronomie bei reduzierter Tischzahl innen. Hier könnte die Kommunen z.B. auf Gebühren verzichten. Bei Beherbergungsbetrieben halte ich im ersten Schritt die Wiederöffnung von Ferienwohnungen und Campingplätzen für machbar. In Hotels könnte man unter Beschränkung der Begegnungsmöglichkeiten ebenfalls langsam zur Normalität kommen.

Carl-Julius Cronenberg (FDP).
Carl-Julius Cronenberg (FDP). © Archiv

Carlo Cronenberg: Ja, unbedingt. Hier fordere ich eine klare Perspektive für alle Betroffenen. Die Hotels und Restaurants haben ein Konzept erarbeitet, mit welchen Hygiene- und Verhaltensregeln sie schrittweise wieder öffnen wollen. Viele inhabergeführte Hotels im Sauerland brauchen aber Vorlauf. Deshalb muss es eine Belegungsquote und eine Entschädigungszusage geben für den Fall, dass Zwangsschließungen doch verlängert werden müssen. Unbenommen dessen ist in einem ersten Schritt die Vermietung von Ferienwohnungen sofort wieder zu ermöglichen.

4. Wie stehen Sie zu einer Corona-App?

Patrick Sensburg: Jede Maßnahme, die uns hilft,besser und sicherer durch diese Zeit zu kommen, ist mir willkommen. Bei den Contact Tracing Apps wird es sehr darauf ankommen, wie genau die Apps das Risiko einer Infektion einschätzen können. Es macht einen Unterschied, ob ein Infizierter in drei Meter Entfernung an mir vorbeigelaufen ist, oder ob ich mich für längere Zeit und mit viel geringerem Abstand mit ihm unterhalten habe. Wenn die Apps hier nicht differenzieren, führt das schlimmstenfalls zu mehr Verunsicherung. Ich bin etwas skeptisch, lasse mich aber gerne vom Gegenteil überzeugen.

Dirk Wiese: Die App kann ein sinnvolles Werkzeug sein, um Infektionsketten einzudämmen. Die Nutzung muss aber freiwillig und konform mit der EU-Datenschutzgrundverordnung sein. Wir brauchen höchstmögliche Transparenz bei der Entwicklung, um sicherzustellen, dass auch die beteiligten Firmen keine Daten im Hintergrund abgreifen. Zusätzlich ist eine dezentrale und zeitlich begrenzte anonyme Datenspeicherung unerlässlich. Außerdem sollte die App regelmäßig staatlich kontrolliert werden, um etwa zu verhindern, dass der Datenschutz durch Updates verringert wird.

Carlo Cronenberg: Eine Corona-App hilft, Infektionsketten schnell nachzuverfolgen und die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Die Entscheidung für dezentrale Speicherung ist richtig, aber zu spät getroffen. Auch das Gerangel um Zuständigkeiten in der Bundesregierung kritisiere ich. Jetzt zeigt sich, wie sehr das von uns geforderte Digitalministerium fehlt. Mit der Beauftragung von Telekom und SAP zur Programmierung der App sind souveräne Unternehmen ausgewählt worden, doch übergeht man hier innovative deutsche Start-Ups, die seit Wochen an Lösungen arbeiten - zumeist unentgeltlich.