Meschede/Vellinghausen. Wir sprachen mit Franz-Philipp Kersting (Xavers Ranch) und André Wiese (H1) über Kochen für Helden, Kurzarbeit und Kärchern in der Corona-Krise.
In dieser Woche ist die Aktion „Kochen für Helden“ gestartet. Die Köche von Xavers Ranch und dem H1 am See bereiten Mittagessen für Bedürftige und Helden des Alltags zu. Wir sprachen mit den Gastronomen Franz-Philipp Kersting (31) und André Wiese (37) über die außergewöhnliche Aktion und ihre persönliche Sicht auf die aktuelle Krise.
Wie kommt das Projekt an?
André Wiese: Am ersten Tag waren es gleich 20 Bestellungen, jetzt sind wir bei 55 Portionen. Es spricht sich langsam rum. Auch, dass wir die Essen ausliefern. Wir rechnen damit, dass wir bald bei 100 Portionen pro Tag landen.
Wer holt die Mahlzeiten ab?
Franz-Philipp Kersting: Ein Großteil der Leute sind die Kunden der Tafel, die ja aktuell geschlossen ist.
Wiese: Gedacht ist das Projekt aber auch für alle, die in dieser Zeit Enormes leisten. Krankenschwestern zum Beispiel. Aber die waren bisher noch nicht da. Vielleicht, weil sie das Gefühl haben, sie würden Bedürftigen etwas wegnehmen. Aber Anna Kotthoff (Anm. ihn ihrer Wirtschaft Kotthoffs Theo werden die Speisen ausgegeben) hat dem Rettungsdienst ein paar Portionen vorbeigebracht, die übrig geblieben sind. Ich habe auch etwas in der Ambulanz am St.-Walburga-Krankenhaus abgegeben. Beide Male haben sich die Leute dort sehr gefreut.
Welche Reaktionen erreichen Sie noch?
Kersting: Das ist schon überwältigend. Wir hören von allen Seiten, was das für eine tolle Aktion ist. Wir haben jetzt die Zeit und die Man-Power. Es ist schön, dass wir auf diese Art und Weise etwas zurückgeben können. Auch die Spendenbereitschaft von Privatleuten und Unternehmen ist groß. Beispielsweise strecken unsere Getränkelieferanten den Pfandbetrag vor.
Wie ist es denn überhaupt für Gastronom, die stets unter Dampf stehen, so auf „Null“ gefahren zu werden?
Kersting: Tagsüber haben wir hier oben genug zu tun. Wir bauen derzeit zwei Ferienhäuser komplett neu auf. Und natürlich auch mit der Landwirtschaft. Aber abends wird es sehr ruhig. Es hallt im Haus, das ist fürchterlich. Deshalb bieten wir jetzt mit „Xaver to go“ auch Speisen zum Abholen an. Mal schauen, wie das läuft.
Wiese: Für mich war es ehrlich gesagt schwierig. Wir haben jetzt die Küche von oben bis unten geschrubbt und die Terrasse mehrfach gekärchert. Jetzt wird sie noch gestrichen... Aber in der nächsten Woche ist auch die Liste dieser Arbeiten abgehakt. Für unsere Küche und unsere Leute ist das „Kochen für Helden“ deshalb auch eine gute Beschäftigung.
Wie haben Sie das derzeit im Betrieb mit den Angestellten geregelt?
Kersting: Im März habe ich die Löhne auf meine Kappe genommen. Ich betrachte das als unternehmerisches Risiko. Für die Aprillöhne haben wir Kurzarbeit beantragt. Wie lange und in welchem Umfang wir das Kurzarbeitergeld in Anspruch nehmen, ist unklar. Hoffentlich können wir bald wieder loslegen. Wichtig ist mir, dass meine Leute gut versorgt sind.
Wiese: So sehe ich das auch. Ich habe Kurzarbeit beantragt, prüfe aber noch, wie ich das Gehalt aufstocken kann. Das Team besteht aus 17 Beschäftigten, das möchte ich natürlich halten.
Kurzarbeit und Gastronomie – das sind zwei Worte, die normalerweise nicht zusammenpassen…
Kersting: So ist es. Normalerweise haben wir Schwierigkeiten, Leute zu finden. Arbeit gibt’s genug. Jetzt haben wir zu wenig Arbeit. Deshalb helfen unsere Köche zum Beispiel gerade beim Streichen. Ich muss auch mal die Behörden loben: Unsere Sachbearbeiterin bei der Arbeitsagentur unterstützt uns sehr gut. Uns lässt da keiner im Stich. Schließlich sind das alles Themen, mit denen wir uns bislang glücklicherweise selten beschäftigen mussten.
Wiese: Diese Erfahrung machen wir auch. Alle geben ihr Bestes. Auch unser Steuerberater, der viele Mandanten aus der Gastronomie betreut, musste sich erst einmal in dieses Thema einarbeiten. Eben weil Kurzarbeit sonst kein Thema ist.
Was gibt Ihnen Hoffnung?
Wiese: Heute rief eine Dame an, die in den vergangenen Wochen mehrere schwere Hirnoperationen hatte. Sie hatte sich zunächst nicht getraut, Essen zu bestellen. Ihr war der Anruf sehr unangenehm und sie fing am Telefon an zu weinen. In solchen Momenten vergisst du alle unternehmerischen Sorgen. Es zeigt, wie wichtig es ist, jetzt zusammenzuhalten.
Kersting: Diese Dankbarkeit und die Hilfsbereitschaft momentan. Das macht uns allen Mut. Gestern habe ich Essen ausgeliefert und der Mann kam mir schon freudestrahlend mit dem Rollator entgegengeschoben. Er war auch einfach froh, mal quatschen zu können.
Wiese: Er hat eben übrigens noch einmal angerufen, um zu sagen, dass es sehr lecker war… (beide lachen)
- Gekocht wird fünf Mal in der Woche (Montag bis Freitag) mit Produkten der Tafel. Sponsoren ermöglichen es, dass Waren hinzugekauft werden, um eine komplettes Essen anbieten zu können.
- Die Speisen sind zum Aufwärmen für zu Hause oder bei der Arbeit gedacht. Die Ausgabestelle ist: „Kotthoff´s Theo“ in der Zeughausstraße. Geöffnet: Montag bis Freitag zwischen 10 bis 11.30 Uhr. Das Essen wird auch ausgeliefert – in der Kernstadt und in die Dörfer.
- Anmeldungen für den Folgetag werden täglich von 10 bis 14 Uhr entgegengenommen. Die Menüpläne werden wöchentlich auf der Facebookseite und auf den Internetseiten der Stadt Meschede sowie der Tafel veröffentlicht. Bestellungen: 0291-90877832.
- Zielgruppe: Hilfsbedürftige, bisherige Kunden der Tafel Meschede und Helden des Alltags. Hierzu zählen z.B. Arbeitnehmer aus dem medizinischen Dienst oder der Pflege, Krankenhausmitarbeiter, Bedienstete des Rettungsdienstes, der Feuerwehr oder Polizei aber auch Mitarbeiter aus Supermärkten, Lkw-Fahrer und viele weitere „Helden des Alltags“.
- Wer Interesse an einer Unterstützung des Projektes hat, ob durch Mithilfe, Sach- oder Geldspenden, kann sich unter 0160-90753298 melden. Spendenkonto: Caritasverband Meschede, Sparkasse Meschede, DE31464510120000021022, Stichwort: Kochen für Helden. Bitte notieren die Adresse auf dem Verwendungsnachweis notieren, damit eine Spendenquittung zugesendet werden kann.