Meschede. „Man kann das Volk nicht ein halbes Jahr einsperren“, sagt der Mescheder Landrat Dr. Karl Schneider über Corona. Für ihn endet die Quarantäne.
Landrat Dr. Karl Schneider darf wieder im Mescheder Kreishaus arbeiten. Er war positiv auf das Coronavirus getestet worden. Im Interview schildert der 68-Jährige seine Zeit in der Quarantäne. Er versteht Ängste und teilt die Forderung nach einer Perspektive, wie es weitergehen soll.
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„Eine gewisse Befreiung“
Was haben Sie als erstes getan, als Ihre Quarantäne endete?
Ich habe erst einmal durchgeatmet! Da kommt schon das Gefühl einer gewissen Befreiung auf.
Das ist belastend, nicht zur Arbeit fahren zu können und nirgends hin zu dürfen. Ich bin zum Ende meiner Quarantäne vom Kreisgesundheitsamt noch einmal nach meinem gesundheitlichen Zustand befragt worden. Ich habe mich in der Quarantäne strikt an alle Vorgaben gehalten: Ich muss ja auch Vorbild sein. Ich kann nur jedem raten, sich ebenfalls an die Anweisungen zu halten, und in der Quarantäne zu Hause zu bleiben: Das dient schließlich dem Schutz aller. Wir müssen die Infektionsketten unterbrechen.
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Was für Beschwerden hatten Sie? Wie krank waren Sie? Oder wie krank fühlten Sie sich?
Ich hatte gar nichts, ich war nicht krank: Keinerlei Symptome, nichts! Kein Fieber, keinen Husten, keine Halsschmerzen, keine Kopfschmerzen, nichts. Ich habe zweimal am Tag, wie gefordert, Fieber gemessen - und ich war immer unter den Temperaturen, bei denen Fieber überhaupt anfängt. Ich kann also nicht einmal sagen, dass es mir nach der Quarantäne gesundheitlich besser geht. Mir geht es wie immer. Und ich bin auch nicht der Typ, der den ganzen Tag grübelt und überlegt, ob ich nicht doch irgendetwas haben könnte.
Ich hatte sehr viel Ablenkung: Ich habe die dienstliche Post aus dem Kreishaus nach Hause bekommen, ich habe viel telefoniert, ich habe mich um viele Dinge gekümmert, die man eben auch von daheim aus regeln kann. Das lenkt natürlich auch ab. Wichtig ist, sich eine Tagesstruktur zu schaffen: Man darf nicht nur die Wände anschauen! Nachher bin ich auf meinem Heimtrainer Fahrrad gefahren, jeden Tag eine halbe Stunde, um fit zu bleiben.
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„Angst? Nein, höchstens unterschwellig!“
Vom Alter her fallen Sie unter die Risikogruppe der Menschen mit Covid-19: Hatten Sie Angst?
Lassen Sie doch mein Alter aus dem Spiel (lacht)! Ja, ich bin in die Risikogruppe eingestuft worden: Umso besser war es, dass ich keine Symptome hatte. Also Angst? Nein, höchstens unterschwellig!
Haben Sie schon mit Ihrem Kreisdirektor Klaus Drathen gesprochen, der Sie offenbar infiziert hat? Belastet das jetzt Ihr Verhältnis?
Er hat mir versichert, er sei nach seinem Skiurlaub an dem Montagmorgen zur Arbeit gekommen und es sei ihm gut gegangen. Die Anzeichen seien erst an dem Dienstag aufgetreten, danach sei er auch sofort nach Hause gefahren. Ich lege jetzt Wert darauf, dass er am Ende untersucht wird und wir uns sicher sein können, er kommt wieder gesund ins Kreishaus. Wir wollen uns doch nichts vormachen: Es hätte ja auch jeden anderen treffen können, der mit anderen in Kontakt steht. Wir arbeiten weiter zusammen. Da wird jetzt keine persönliche Rechnung aufgemacht.
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„Das wird Spuren hinterlassen“
Die diffuse Endzeitstimmung, über die wir vor 14 Tagen zu Beginn Ihrer Quarantäne gesprochen haben, ist inzwischen konkreten wirtschaftlichen Sorgen vor der Zukunft gewichen: Teilen Sie die Befürchtungen der Menschen vor einem finanziellen Abstieg?
Es wäre naiv, zu glauben, wir kommen so aus der Krise wieder heraus, wie wir hineingegangen sind. Natürlich wird das Spuren in der Wirtschaft hinterlassen – und auch bei vielen Leuten. Der Staat wird auch nicht in der Lage sein, bei jedem den Verlust auszugleichen, der ihm entsteht.
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Da entsteht bei den Menschen gerade eine Spirale aus immer mehr Angst und Sorgen: Was raten Sie?
Das ist noch sehr schwierig im Moment. Jeder muss seine Verhältnisse ordnen und soll Hilfe anfordern, wo schon Hilfe angeboten wird. Wenn die Leute Fragen haben: Dafür sind die Städte und Gemeinden da, dafür ist unser Kreis und unsere Wirtschaftsförderung da, dafür ist die Bezirksregierung da. Die Sparkassen und Volksbanken kennen die Förder- und Kreditprogramme. Es gibt gerade eine Vielzahl von Menschen, die gerade dabei sind, diesen Krisenmodus zu bewältigen. Aber leider wird auch gelten: Jeder, der demnächst zum Beispiel von Kurzarbeit betroffen ist, der wird finanzielle Verluste haben. Da sollte man nichts schönreden.
„Man kann das Volk nicht ein halbes Jahr einsperren“
Wie lange, glauben Sie, hält Deutschland die Einschränkungen durch Corona aus?
Das wird keine Ewigkeit dauern. Irgendwann muss ein Modus gefunden werden, wie es weitergehen soll. Jetzt ist erst einmal der 19. April angesagt. Danach wird die Regierung sagen müssen, was passiert. Man kann das Volk nicht ein halbes Jahr einsperren. Die Produktion muss weitergehen und die Grundversorgung sichergestellt sein. Es dürfen keine Lieferketten ausfallen, wo auf einmal die Versorgung gefährdet sein würde.
Wie lange schafft die Wirtschaft im Hochsauerlandkreis das?
Das wäre jetzt einfach so daher gesagt: Ich kann das gerade nicht ermessen. Tatsache ist, die Firmen werden eine Perspektive benötigen, wann es wieder losgeht. Kein Staat hält das sonst auf Dauer aus.
>>>Hintergrund<<<
Viele Anrufer der Corona-Hotline des Kreises fragen nach Beitragsrückerstattungen der Kindertagesbetreuung und der Volkshochschule HSK. Entscheidungen dazu sollen spätestens im April getroffen werden.
Die Kreisverwaltung hat dazu auch eine Empfehlung des Landes NRW erbeten. Der Krisenstab bittet, die Hotline nicht mit Anrufen zu Beitragsrückerstattungen zu blockieren: Sie ist nur für gesundheitliche Fragen zuständig.