Meschede. Sarah Weißbach ist Druckreif-Mitarbeiterin und Abiturientin. Sie schildert, wie sie die Schulschließung erlebt hat.
Am 13. März schlossen in ganz Nordrhein Westfalen die Schulen. Ein Schock. Besonders für diejenigen, die kurz davor stehen ihre Schulzeit zu beenden. Welchen besonderen Herausforderungen müssen sich die Schülerinnen und Schüler des diesjährigen Abitur und Abschlussjahrganges stellen? Und welche Ängste, Sorgen und Hoffnungen haben sie? Das berichtet unsere Druckreif-Mitarbeiterin Sarah Weißbach:
2020: Für mich, Sarah Weißbach, 18 Jahre alt, Schülerin der zwölften Klasse des Städtischen Gymnasiums in Meschede, sollte es ein Jahr der Veränderungen werden. Letzter Schultag am 3. April. Davor letzte wichtige Vorbereitungen für die Abiturklausuren. Sich verabschieden vom gewohnten Lauf der Dinge. Von dem Ort, in dem man die letzten acht Jahre den Großteil seiner Zeit verbracht hat. Der Ort den Schüler einerseits als Leidensstätte, aber auch irgendwie als eine Art Zuhause wahrgenommen haben. Ich will ehrlich sein: Ich bin gerne zur Schule gegangen. Hier fanden so viele Hoch- und Tiefpunkte meines Lebens statt. Hier war ich umringt von meinen Freunden und genoss die Privilegien des Schülerdaseins.
13. März: Am Morgen wusste ich, während ich durch die Flure der Schule schritt nicht, dass dies mein letzter Schultag sein würde. Das Ende eines Lebensabschnitts. Ich erinnere mich, wie ein reges Stimmengewirr während der Pause durch unsere Mensa hallte. Es war nichts Komisches. Eigentlich ziemlich üblich, doch die Themen waren andere. Es ging nicht, um Hausaufgaben, die nächste Party oder um die Musik, die man gerade hörte. Das einzige Thema der gesamten Schule war Corona und die damit einhergehenden Schulschließungen. Wäre unsere Schule auch davon betroffen?
Die ganze Woche machten wir uns schon Sorgen. Denn was in Kinderaugen vielleicht ein fröhliches Ereignis wäre, war für uns ein einziger Albtraum. Nicht nur weil es die Ernsthaftigkeit der Pandemie widerspiegelte. Weil Dinge, von denen man sonst nur in den Nachrichten hörte, plötzlich unser eigenes Leben betrafen. Weil die ganze Situation so unwirklich schien als wäre es der Anfang eines dystopischen Films. Doch noch viel mehr weil diese letzten Wochen so unglaublich wertvoll für uns waren. Unsere Schulzeit einfach so beendet. Unwiderruflich vorbei.
Keine Zeit für Abschied, Trauer und Freude
Kein Abschied. Keine Zeit sich darüber bewusst zu werden, was dies bedeutet. Keine weitere Vorbereitung auf das anstehende Abitur. Wir wären irgendwie alleingelassen mit all dem Druck der auf uns lastet. Mit all den Fragen die wir hatten. Aber auch die Dinge auf die wir uns seit acht Jahren freuten, würden einfach wegfallen. Es mag für Menschen, die wegen des Virus nun existenzielle Probleme haben vielleicht lächerlich klingen, doch auch das Wegfallen der Mottowoche war eine unserer größten Sorgen. Unsere Lehrer belächelten diese Angst an jenem Tag nur, doch für uns war sie real. Wir hatten so eifrig alles geplant. Uns darauf gefreut. Wir konnten uns nicht vorstellen, dass es diese Tradition bei uns schlichtweg nicht geben würde. Wir konnten uns nicht vorstellen, was jetzt geschehen würde.
Es war vorhersehbar. Klar. Wer regelmäßig Nachrichten schaute hatte schon viel früher damit gerechnet. Doch damit rechnen und sich vorstellen zu können, wie etwas in der Realität ist, sind zwei völlig verschiedene Dinge.
Der Schock im Gesicht
14.57: Schreie im Flur. Verzerrte Stimmen die immer deutlicher werden. „Los wir machen Autokorso“, „Unser letzter Schultag!“, „Neiiin!“. Das Urteil war gefallen. Die Schulen werden geschlossen. Drei Minuten später klingelte die uns so bekannte Schulglocke. Das letzte Mal für uns. Eine Mischung aus Entsetzten und Euphorie lag in der Luft. Die einen lachten, die anderen weinten. Einige wollten tun als wäre es der klassische letzte Schultag. Fröhlich sein. Diesen wichtigen Lebensabschnitt gebührend feiern. Doch es war kein Anlass zum Feiern. Das wussten die meisten. Der Schock stand ihnen im Gesicht. Wir alle wussten: So viele Probleme würden nun auf uns zukommen. Von der Trauer ganz abgesehen. Wir konnten nur noch nicht einschätzen in welchem Ausmaß.
Die Probleme als Digital Native
Heute: fast drei Wochen ohne Schule, weiß ich auch ganz genau welche: Online-Aufgaben auf so vielen verschiedenen Internetseiten, dass man überhaupt keinen Überblick mehr hat. Skype-Unterricht, der noch schlechter funktioniert, als ich es gedacht hätte. So viele Ungerechtigkeiten prägen sich im Onlineunterricht aus. Lehrer, die sich für uns aufopfern. Lehrer, die uns allein lassen. Die Angst vorm Abitur ist größer, wenn man allein zu Hause vor dem Laptop sitzt. Unter Quarantäne. Austausch rein digital.
Soziale Isolation trotz WhatsApp, Instagram und Co.. vor allem für uns, die als so genannte Digital Natives gerade in der Blüte des Sozialen Lebens stehen, ist dies unerträglich. Ich möchte nicht sagen, dass unsere Generation am meisten unter dem Virus leidet. Das wäre nicht wahr. Doch wir sind es, die gerade jetzt leben wollten. Richtig leben. Wir wollten unsere letzten Wochen genießen. Und wir wollten auch lernen. Wir wollten dieselbe Prüfungsvorbereitung, das selbe Leben wie all die Jahrgänge vor uns.