Meschede. Auch als es mit den Pocken vorbei ist, bleiben Touristen aus. Meschede lädt schließlich Dortmund ein. Alt-Bürgermeister Bruno Peus erinnert sich.
Es gibt kein Denkmal, keine Gedenktafel - eigentlich gar nichts, was an den Pockenausbruch in Meschede erinnert. Bruno Peus wundert das nicht: „Man wollte bei uns das Kapitel Pocken schnell vergessen und wieder zum Alltag übergehen.“ Peus hat diese schwierigen Tage immer noch vor Augen. Der 86-Jährige war damals Bürgermeister in Meschede.
Amtsdirektor und damit Verwaltungschef ist 1970 Hans Liese. Peus bekommt einen Anruf von Liese: „Ich sollte dringend ins Rathaus kommen.“ Bei dem Krisengespräch erfährt Peus im Januar von dem Pockenausbruch. Federführend beim Thema Pocken ist zwar die Kreisverwaltung mit ihrem Gesundheitsamt, praktische Fragen hat aber die Stadt zu lösen – viel Organisatorisches eben.
„Wir hatten von da an laufend Konferenzen“, sagt Bruno Peus, damals 36 Jahre alt. Es beginnt damit, Haus Dortmund rasch zur ersten Quarantänestation umzufunktionieren. Eine Jugendgruppe muss ausquartiert werden. Im Rathaus werden gleich alle Mitarbeiter geimpft.
Pocken vor 50 Jahren- Meschede im AusnahmezustandBruno Peus ist ständig unterwegs. Er erinnert sich, dass ihn sein Vater Johannes besorgt fragt: „Willst du schon wieder weg? Hier sind doch die Pocken!“ Bruno Peus war schon als Kind geimpft, Sorgen macht er sich nicht. Angst, sagt er, habe er auch nicht um sich gehabt: „Ich war gegen alles immun.“ Vater Johannes übrigens geht nach seiner besorgten Frage noch rasch zum Friseur – und kommt deswegen anschließend selbst ein paar Tage in Quarantäne. Bruno Peus schmunzelt heute darüber: „Ich habe ihm noch etwas zu essen in die Quarantäne gebracht.
Karneval abgesagt
Alle Feste in Meschede werden abgesagt. „Wir konnten nur raten, Abstand zu halten und sich impfen zu lassen“, erinnert sich Bruno Peus. Für ihn besonders ärgerlich: „Ich war Karnevalspräsident.“ Die große Sitzung beim Kolping-Karneval fällt aus. Nun ja, mit dem Abstand von 50 Jahren darf er ja zugeben: „Dann haben wir eben im kleinen Kreis richtig schön im Kolpinghaus gefeiert.“ Mit dabei: nur der Elferrat und Prinz Hubert Henke.
„Es war eine Hysterie“, sagt Bruno Peus. Der Bürgermeister bekommt das mit: „Alle Leute haben Meschede gemieden.“ Auswärts weigern sich Tankstellen, Kunden aus Meschede Benzin zu verkaufen. „Viele Geschäftsleute schlossen ihren Laden ab, weil niemand einkaufen ging“, sagt er: „Die Leute hatten richtiggehend Angst. Keiner traute mehr dem anderen. Die Leute machten sich selbst verrückt.“
Dann sind die Pocken vorbei – und der Ruf von Meschede ist dahin. Die nächste Großstadt ist Dortmund. Bürgermeister Peus organisiert eine Good-Will-Tour, wie man heute dazu sagen würde. Die Stadt lädt Dortmunder ein, nach Meschede zu kommen, um Ängste zu nehmen. Fünf Busse sind eigentlich vorgesehen, zwölf Busse mit 600 Dortmundern werden es dann, die nach Meschede kommen.
Auch interessant
25 Busse hätten es werden können, wenn alle Interessierten berücksichtigt worden wären. Sie bekommen in Meschede die Stadt gezeigt, vom Rathausdach aus werfen sie einen Blick auf Meschede. „Die Leute wollten informiert werden. Wir wollten im Gegenzug demonstrieren, dass es mit den Pocken nicht so schlimm war“, sagt Peus im Rückblick. Es klappt auch. Die Dortmunder dienen als Multiplikatoren. Am Wochenende danach kommen die Skifahrer aus dem Ruhrgebiet wieder zurück ins Sauerland, der Fremdenverkehr läuft wieder an. Der Alltag beginnt wieder.
>>> Zur Person
Bruno Peus war Bürgermeister in den Jahren von 1969 bis 1974 und dann noch von 1998 bis 1999. Danach wurde in Meschede die bisherige „Doppelspitze“ aus Bürgermeister und Stadtdirektor abgeschafft.
Zwischendurch war Peus immer stellvertretender Bürgermeister und Fraktionsvorsitzender der CDU. 29 Jahre lang hat er die CDU im Stadtrat vertreten.
Bekannt ist er auch durch seine Arbeit in der St.-Georgs-Schützenbruderschaft. Heute ist er ihr Ehrenhauptmann.
Bruno Peus war Schreinermeister, die Schreinerei seiner Familie wurde 1857 gegründet.