Meschede. Meschederin Keerthana Kuperan hat ein ungewöhnliches Land bereist: Montenegro. Manch einer muss da erst mal nachschlagen, wo das überhaupt liegt.

Einspurige Straßen mit tiefen Schlaglöchern in einem Van zu befahren, während eine Herde Schafe inklusive Hirten an mir vorbeilaufen und es neben mir hunderte Meter tief in die Schluchten geht? Das hatte ich mir nicht erträumt, als wir den Urlaub nach Montenegro buchten. Gleichzeitig der atemberaubende Fensterblick auf unberührte Landschaft und einer mediterranen Biodiversität vom Feinsten. Dabei ist das Land nicht einmal größer als Schleswig-Holstein. Aber der Fahrspaß ist garantiert, denn mir fällt durch die Resonanz auf die aktuelle Autobahndebatte auf, wie sehr die uneingeschränkte Höchstgeschwindigkeit inzwischen Teil unserer, ja deutschen Identität geworden und wir sie nicht hergeben wollen.

Drei Wochen unterwegs

Man kennt die Colorado Schlucht im Grand Canyon oder auch das Colca Tal in Peru, aber Europa? Montenegro ist so vielfältig! Die Tara - Schlucht ist der längste und tiefste Canyon auf diesem Kontinent. Ob Rafting, Canyoning, Spaziergänge, Fotostrecken, gute Luft einatmen, Ziplining oder im Van liegend die Aussicht genießen… für Letzteres hatte sich meine Reisebegleitung entschieden. Mit einem starken Sonnenstich wegen dieses eigentlich tollen Wetters blieb ihr nicht viel anderes übrig. Es gibt schlimmere Orte, um krank zu sein.

Keerthana Kuperan in Montenegro.
Keerthana Kuperan in Montenegro. © Keerthana Kuperan

Wir haben uns all das angesehen. Drei Wochen lang. Allein in einem ausgebauten Iveco Master. Ganz ohne Uhren und Termine. Wir haben im Rhythmus der Natur gelebt, und das tat verdammt gut. Wenn wir wissen wollten, wie spät es ist, hat sie die Uhrzeit am Sonnenstand abgelesen - ich war nicht sonderlich gut darin.

Ich wusste aber immer, wann ich aufbrechen musste, bevor die Wildtiere - damit meine ich auch die Mücken - das Kommando an den natürlichen Seen übernahmen. Kein Wunder: In den Schutzgebieten gibt es fünf Nationalparks mit einer Gesamtfläche von knapp 127.000 Hektar. Darin auch einer der wenigen Urwälder Europas.

Auf all unseren Routen und Wegen zu den Klippen und atemberaubenden Stränden waren wir immer gut versorgt mit baumfrischen Fleischtomaten, Zitrusfrüchten oder Feigen, denn die Gastfreundschaft und das Familienbewusstsein ist groß in dieser Kultur. In Zahlen bemerkbar bei stetig steigender Einwohnerzahl seit 1950.

Auch interessant

Das Aushängeschild für Montenegros Tourismus. Die alte Hafenstadt Kotor, welche Teil des UNESCO-Weltkulturerbes ist, war tatsächlich auch mein persönlicher Favorit - wunderschön. Die Buchten, die Wandermöglichkeiten, die Straßenmusikanten und -kunst. Ach, man scheint die Zufriedenheit der in dieser Stadt lebenden Menschen miterleben zu dürfen. Nein tatsächlich miterleben dadurch, dass sie uns gerne zum Essen einluden. Zwei Frauen allein im Balkan halt – Spaß beiseite. Allerdings habe ich den Eindruck, dass gesunde und pflanzliche Küche für die Montenegriner nicht ganz so wichtig ist. Hauptmahlzeiten bestanden vor allem aus Fleisch, wenn wir nicht selbst kochten.

Land entwickelt sich weiter

Auch interessant

Was überall auffällt: Meine Lippen kamen mir den ganzen Urlaub über so dünn vor. Ich erwischte mich wesentlich zu oft, wie ich die mit Botox bearbeiteten Gesichter der Frauen beäugte, statt zuzuhören. Schade eigentlich, denn ansonsten steht die Natürlichkeit und die Unberührtheit des Landes doch so sehr im Vordergrund?

Ein See in Montenegro.  
Ein See in Montenegro.   © Keerthana Kuperan

Dabei ist den Montenegrinern ihr junges Land sehr wichtig. Sie wollen in die EU. Seit sechs Jahren sind sie Beitrittskandidat. Doch einer der Hauptgründe dafür, dass das noch nicht geklappt hat, ist womöglich die Korruption. Die Menschen reden offen darüber. Sie zeigen uns Restaurants, bei denen man sich schmunzelnd erzählt, das Hauptgeschäft sei hier vielleicht doch nicht nur Ćevapčići.

Aber man hat den Eindruck, Viele haben begriffen: Eine Gesellschaft entwickelt sich nicht weiter, indem man die Korruption besiegt, sondern man besiegt die Korruption durch Entwicklung.

Und langsam tut sich vor Ort etwas: Unternehmen wie PWC und Microsoft lassen sich nieder, auch Banken und Versicherungen. Diese Unternehmen schaffen Jobs. Der Wohlstand steigt. Die Menschen sind bereit, Steuern zu zahlen. Das Geld wiederum fließt in die Entwicklung des Landes. So geht es langsam voran.

Nun, der große Versuch in sechs Jahren der EU beizutreten klappt ja vielleicht diesmal – und dass Montenegro nicht mehr lange ein Geheimtipp als Urlaubsort bleibt, da bin ich mir sicher.