Meschede. In der Pocken-Zeit kommen sogar Vertreter der Weltgesundheitsorganisation WHO nach Meschede. Hier sind die Zahlen zu dem Ausbruch der Epidemie.

Der Ausbruch der Pocken im Januar 1970 in Meschede spricht sich weltweit herum. Zum Ende besuchen im April sogar Vertreter der Weltgesundheitsorganisation WHO Meschede, um sich über das Vorgehen während der Epidemie zu informieren. Sie kommen zu dem Schluss: Die Bekämpfung sei vorbildlich gewesen.

„Selbstloser und aufopferungsvoller Einsatz“

Das Gesundheitsministerium in Düsseldorf stellt fest: „Die erzielten Abwehr- und Behandlungserfolge sind nur dem selbstlosen und aufopferungsvollen Einsatz der Beteiligten zu verdanken“, so Abteilungsleiter Dr. Hans Studt. Hier sind die Zahlen jener Tage.

480 Patienten sind zu Beginn der Pocken Anfang Januar 1970 im St.-Walburga-Krankenhaus. Wegen einer Grippeepidemie ist das Krankenhaus bereits seit Silvester für Besucher gesperrt.

12 bis 16 Tage beträgt die Inkubationszeit bei den Pocken - also jene Zeit zwischen der Infektion und dem Auftreten der Erkrankung.

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20 Menschen erkranken insgesamt an den Pocken. Bis auf Bernd K., den Verursacher, infizieren sich die meisten Pockenerkrankten im Rochus-Haus (der Isolierstation) des St.-Walburga-Krankenhauses. Drei Menschen erkranken in der Quarantäne und einer zu Hause.

40 der Erkrankten, so die erste Befürchtung der Behörden, würden an den Pocken sterben.

4 Menschen sterben tatsächlich: Eine Schwesternschülerin gilt allerdings als einziger echter Todesfall durch die Pocken. Die drei anderen Verstorbenen hatten bereits andere schwerste Grunderkrankungen.

25 Grad Differenz bestehen am St.-Walburga-Krankenhaus zwischen der Außen- und der Innentemperatur: Das ergeben nachher Untersuchungen.

Besucher dürfen das St.-Walburga-Krankenhaus seit Silvester 1969/Neujahr 1970 nicht mehr betreten - die Grippe grassiert. Dann kommen die Pocken...
Besucher dürfen das St.-Walburga-Krankenhaus seit Silvester 1969/Neujahr 1970 nicht mehr betreten - die Grippe grassiert. Dann kommen die Pocken... © Jürgen Kortmann

So entsteht ein bisher nicht beachteter, thermischer Aufwind oder Auftrieb im Treppenhaus und in einem Speisenaufzug – dadurch kann sich das Pockenvirus auf dem Luftweg aus der unten gelegenen Isolierstation in die Stationen darüber ausbreiten.

303 Menschen kommen insgesamt in Quarantäne. Unter ihnen sind 9 Ärzte.

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9 Quarantänestationen bestehen in der Pocken-Zeit, in denen 262 Kontaktpersonen abgesondert werden. Hinzu kommen die Pockenbehandlungsstelle Wimbern mit 29 Menschen. Weitere 4 Patienten dürfen in Meschede, 8 in Warstein zuhause die Quarantäne-Zeit verbringen.

94 Kinder und 3 Lehrer müssen das Schullandheim „Haus Dortmund“ bei Meschede verlassen, weil hier als erstes sofort eine weitere Quarantänestation eingerichtet werden muss: Denn es besteht die Sorge, dass das Mescheder Krankenhaus und die Pockenstation Wimbern nicht ausreichen würden für die Unterbringung von möglichen Infizierten.

1 Hubschrauber wird eingesetzt: Der Unternehmer Paul Falke aus Schmallenberg, der zufällig geschäftlich in Düsseldorf zu tun hat, bringt damit am Tag des Ausbruchs einen Experten für das Impfwesen rasch nach Meschede und Wimbern.

24.000 Menschen aus Meschede und aus Warstein lassen sich im Zuge des Pocken-Ausbruchs noch impfen.

Die Pocken 1970 in Meschede: Polizisten bewachen das St.-Walburga-Krankenhaus.
Die Pocken 1970 in Meschede: Polizisten bewachen das St.-Walburga-Krankenhaus. © Privat

Bei einer Einwohnerzahl von zusammen 83.000 entspricht das einer Impfbeteiligung von 29 Prozent. Es kommt zu keinem Impfzwischenfall, obwohl viele der Menschen, die sich impfen lassen, bereits sehr alt sind. Zur Teilnahme an den freiwilligen Impfungen ist vom Gesundheitsamt aufgerufen worden.

17.239 Menschen werden insgesamt in der Stadt Meschede, in den Ämtern Meschede, Eslohe, Bestwig und in der Gemeinde Bödefeld nachträglich geimpft: Hier ergibt das eine Beteiligung von 33 Prozent der Bevölkerung.

400.000 Mark entstehen an Personal- und Sachkosten durch die Bekämpfung der Pocken und die Impfaktionen. Dazu kommen die Verdienstausfall-Entschädigungen der Menschen, die in Quarantäne müssen, und die Kosten des Impfstoffes, die das Land zu tragen hat.

500.000 Mark werden für die Quarantänestationen gezahlt.

4.000.000 Mark beträgt allein der Einnahmeausfall in der Pocken-Zeit im Fremdenverkehr im Raum Meschede: Denn Urlauber haben Angst, hierher zu kommen.

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Selbst an einem Detail wird deutlich, dass Meschede in der Pocken-Zeit gemieden wird.

Der Reiseverkehr von und nach Meschede hat in der Zeit vom 15. Januar bis 25. Februar 1970 „ganz erheblich nachgelassen“, heißt es in einer Bilanz der Kreisverwaltung.

So werden allein am Bahnhof Meschede in diesem Zeitraum 34 Prozent weniger Fahrkarten im Vergleich zum Vorjahr verkauft.