Ramsbeck. Zum Jahresende schließt Anja Nölke ihren Markt in Ramsbeck. Sie beerdigt damit nach 15 Jahren enttäuscht einen Traum.

Es war immer ihr großer Traum: ein eigener Lebensmittelladen. 15 Jahre lang hat Anja Nölke in Ramsbeck diesen Traum gelebt. Hat gemeinsam mit ihrem Team und viel Engagement dafür gekämpft. Ende des Jahres ist dieser Traum für immer ausgeträumt. Dann wird die 50-Jährige ihr Geschäft an der Heinrich-Lübke-Straße für immer schließen. Schließen müssen!

Mit vielen Rabatten wirbt Anja Nölke in den letzten Tagen.
Mit vielen Rabatten wirbt Anja Nölke in den letzten Tagen. © Frank Selter

„Es sind schon viele Tränen geflossen, und es werden mit dem immer näher rückenden Ende sicherlich noch ein paar mehr werden“, sagt Anja Nölke und lächelt. Leicht hat sie sich diese Entscheidung nämlich nicht gemacht. Aber der immer weiter sinkende Umsatz habe ihr keine andere Wahl gelassen, sagt sie und ergänzt: „Eigentlich hätten wir vom Verstand und den Zahlen her schon vor fünf Jahren dicht machen müssen.“ Aber wer gibt schon gern seinen Traum auf.

Zum Großeinkauf nach Bestwig

Es war im Juli 2004 als Anja Nölke ihren „nah&frisch“-Markt eröffnet hat. „Die ersten Jahre waren gar nicht mal so schlecht“, blickt sie zurück. Auf den knapp 200 Quadratmetern gibt es seitdem so ziemlich alles, was der Mensch zum Leben braucht. Kunden aus Ramsbeck, Andreasberg, Berlar, Brabecke und Heinrichsdorf gehen in ihrem Laden ein und aus. „Die Touristen waren immer begeistert, was man auf einer solch keinen Fläche alles anbieten kann“, sagt Anja Nölke.

  Das Team des Lebensmittelmarktes
  Das Team des Lebensmittelmarktes © Privat

Los ist in ihrem Laden eigentlich immer etwas. Allerdings nicht genug. „Die Leute fahren lieber zum Großeinkauf in die großen Märkte“, sagt sie. Wenn ortsunkundige Urlauber sich in den Beherbergungsbetrieben oder auf den Campingplätzen nach Einkaufsmöglichkeiten erkundigten, wurden sie oft nach Bestwig geschickt. Der kleine Markt in Ramsbeck wurde oft vergessen!

Ob sie deswegen sauer ist? „Nein, sauer nicht. Aber enttäuscht“, sagt Anja Nölke ganz offen und ehrlich. Leid tue es ihr vor allem um ihre rund 120 Stammkunden, die künftig keine andere Wahl haben, als die weiten Wege in Kauf zu nehmen.

Großer Kreis an Stammkunden

Und der Kreis der Stammkunden besteht keineswegs nur aus älteren Ramsbeckern, die nicht mehr mobil sind. Es kamen immer auch viele Jüngere, weil sie beim Einkaufen einfach ein bisschen quatschen konnten. „Wir haben hier ein wenig Geschwindigkeit aus dem Alltag der Kunden genommen und ihnen viel Zeit und Aufmerksamkeit geschenkt.“

Genau das ist es, was Anja Nölke immer so geliebt hat, und nun vermissen wird. „Ich wollte immer lieber vorne im Laden sein, als hinten im Büro“, sagt sie. Ihr Herz hänge nämlich nicht nur am Geschäft, sondern auch an den Kunden. Auch an den Kleinsten: „Es war immer so schön, wenn die die Kinder nach der Kommunion das erste Mal alleine losdurften und ganz stolz bei uns im Laden von ihrem eigenen Geld eingekauft haben.“ Auch diese Erlebnisse werden Ende Dezember Geschichte sein. „Es zerreißt mir das Herz, wenn ich daran denke“, sagt die 50-Jährige. Ihr sei in den 15 Jahren wirklich jeder ans Herz gewachsen.

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Sommerfeste, Back-Olympiaden, Salat-Olympiaden, Exoten-Abende, Frühstücksaktionen mit den Kindergärten, Briefe an die Kundschaft - Anja Nölke hat nicht mitgezählt, was sie sich alles hat einfallen lassen, um den Laden am Leben zu halten. Nach jeder Aktion sei es dann mal wieder zwei Monate besser gegangen, dann ging die Zahl der Kunden wieder runter.

Hamsterkäufe haben begonnen

An den Preisen kann es nicht gelegen haben. „Die Zeiten, in denen du überall zehn Cent auf den Discounterpreis draufschlagen kannst, sind schon seit Jahren vorbei“, sagt Nölke. Bei ihr habe etwa die Sahne und die Butter nie mehr gekostet als im Aldi oder im Lidl. Sie führt die Vorliebe der Kunden für die großen Märkte vielmehr auf die üppigere Auswahl und die besseren Parkmöglichkeiten zurück. „Aber du kannst auf 200 Quadratmetern nun mal keine 10.000 Artikel präsentieren. Wenn nur jeder Ramsbecker 40 Prozent seines Geldes, dass er monatlich ohnehin für Lebensmittel ausgibt, bei uns im Laden gelassen hätte, dann müssten wir Ende des Jahres nicht für immer den Schlüssel umdrehen“, hat sie ausgerechnet.

Rabatte in den letzten Tagen bis zu 90 Prozent

Bis zum Weihnachtsfest wird der Verkauf noch weiterlaufen - verbunden mit Rabatten von inzwischen bis zu 90 Prozent. Schließlich muss alles raus. Bis dahin kümmert sich das „nah&frisch“-Team dann auch um die Hamsterkäufe, mit denen viele der Stammkunden begonnen haben, seitdem es auf die letzten Tage zugeht. Küchenrollen, Klopapier, Zucker, Mehl - all das musste Nölke zuletzt auf Wunsch in größeren Mengen bestellen.

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In ihrem kleinen Büro hinten im Laden liegen derweil schon bunte Luftballons auf einer Helium-Flasche. Sie werden am allerletzten Tag des kleinen Kaufladens zum Einsatz kommen. In den Tagen zwischen Weihnachten und Silvester wird der Markt leergeräumt - dann findet am 31. Dezember eine „Abbruch-Party“ statt. „Da werden viele Tränen und bestimmt viel Alkohol fließen“, sagt Anja Nölke und lacht.

Mit den bunten Luftballons sollen an jenem Tag auch persönliche Wünsche in den Himmel geschickt werden. Für Anja Nölkes Wunsch ist es dann leider zu spät: Sie hätte sich gewünscht, ihren Traum vom eigenen Laden nicht vorzeitig aufgeben zu müssen.

>>>HINTERGRUND

Sämtliche Mitarbeiterinnen des Marktes haben bereits eine neue Stelle gefunden.

Anja Nölke wird aus gesundheitlichen Gründen ab Januar erstmal eine Auszeit nehmen, die letzten 15 Jahre Revue passieren lassen und versuchen, ihren Alltag zu entschleunigen.