Schmallenberg/Bockum. Die seltene Krankheit war früher ein Todesurteil. Auch heute ist es eine belastende Krankheit für Robins Mama. Ihre Geschichte soll Mut machen
Als Robin noch kein Jahr alt war, hatte seine Mutter Todesangst. „Ich dachte, jetzt verliere ich ihn.“ Ein Stück Toast war in der Speiseröhre steckengeblieben. Dazu war er gerade erkältet, bekam also sowieso schlecht Luft. „Ich sehe noch vor mir, wie mein Mann ihn hält.“ Die 33-Jährige tut das, was sie eigentlich nicht tun soll. Sie fasst in seinen Mund und löst einen Würgereiz aus. In dem Moment ist auch der Notarzt da. Die Rettungssanitäter nehmen Mutter und Kind mit ins Krankenhaus. Mal wieder.
Martina van Haften-Riedel ist Mutter einer Patchworkfamilie. Dazu gehören neben Robin und ihrem Mann Martin noch Joy und Aimée (beide 14) und Colin (13). Das braucht auch so viel Kraft. Ihre Geschichte soll anderen Mut machen. „Es gibt Hilfe“, sagt sie, „aber man muss sie suchen. Und darf niemals lockerlassen.“ Direkt fröhlich ergänzt sie: „Mittlerweile habe ich schon einiges gerockt.“
Robin hat eine seltene Krankheit: Bei seiner Geburt war seine Speiseröhre zwar angelegt, aber nicht mit Mund und Magen verbunden. „Wir hatten noch Glück, weil er ein Frühchen war, wurde er direkt durchgecheckt und die Krankheit entdeckt.“ Andere Kinder, die eine Ösophagusatresie haben sterben, weil Milch in die Lunge läuft.
Aufklärung mangelhaft
„Die Aufklärung im Krankenhaus war mangelhaft“, kritisiert die Schmallenbergerin, die mit Mann und Kindern heute in Bockum wohnt. Die Krankheit, mit ähnlichen Symptomen wie Mukoviszidose, sei viel zu wenig bekannt. Robin wurde operiert, die Speiseröhre verbunden, doch die Eltern mit der Diagnose allein gelassen.
„Vor allem wusste ich nicht, dass diese Kinder oft noch andere Krankheiten haben.“ Eine Verengung der Luftröhre, Reflux, Gastritis, allergische Entzündungen, eine chronische Bronchitis. Das erfuhr sie erst vor kurzem.
Die Ausgrenzung ertragen
Mittlerweile ist Robin dreieinhalb. Ein fröhlicher und aufgeweckter Kerl, der aber klein und zierlich ist für sein Alter und oft krank. Auch wenn er gesund ist, bekommt er schlecht Luft, atmet schwer, muss oft bellend husten. „Stellen Sie sich vor, Sie atmen immer durch einen Strohhalm.“ Martina van Haften-Riedel schläft noch jede Nacht neben ihm. Er muss oft trinken, damit der Schleim verdünnt wird.
„In der Stadt hat jetzt mal eine Mutter ihr Kind von ihm weggezogen, weil sie dachte, er hat eine ansteckende Krankheit“, erzählt sie. „Das tut weh, vor allem, wenn ich mir vorstellen muss, dass er diese Ausgrenzung irgendwann allein, ohne mich, durchstehen muss.“ Auch wenn die Oma, Walburga van Haften, viel hilft - kämpfen muss Martina van Haften-Riedel für jede offizielle Unterstützung, für jede Information. Beim Verein Lächelwerk in Schmallenberg hat Alex Göbel sie jetzt an die Hand genommen und ist mit ihr die einzelnen Schritte durchgegangen. „Vorher war ich am Boden “, sagt sie dankbar.
Und es geht ihr besser, seitdem sie K.EK.S. gefunden hat. Auf der Homepage der Patienten- und Selbsthilfe-Organisation für Kinder und Erwachsene mit kranker Speiseröhre gibt es detaillierte Informationen zu den individuellen Krankheitsformen.
Viele Lebensmittel sind tabu
Erst dort erfuhr sie, dass es Lebensmittel gibt, die für ihr Kind tabu sind. Toast gehört dazu. Und seitdem die Familie dort Mitglied geworden ist, kann sie auch weitergehende Hilfen in Anspruch nehmen. „Der Verein hat uns jetzt einen Familienurlaub ermöglicht.“ Eine Woche Österreich mit anderen, ebenfalls betroffenen Familien.
„Das war so hilfreich, die Erfahrungen der anderen zu hören, alle haben die gleichen Probleme“, schwärmt Martina van Haften-Riedel. „Und dabei zu sehen, dass und wie diese Kinder groß werden.“ Sie zehrt noch immer davon. Es gab Gesprächskreise und auch Auszeiten für die Eltern. „Mein Mann Martin und ich sind dort nach dreieinhalb Jahren das erste Mal wieder allein spazieren gegangen.“
Mittlerweile weiß sie, die Familie hat Anspruch auf eine Haushaltshilfe, und es gibt weitere begleitende Unterstützung. Sie möchte anderen Mut machen: „Holt euch Hilfe, sucht euch Gleichgesinnte. Das ist neben einer guten persönlichen Organisation das Wichtigste.“
Sie weiß, das ist leichter gesagt als getan. Auch die junge Mutter musste es erst lernen, Hilfe anzunehmen. „Ich gebe lieber, als dass ich nehme. Und ich will kein Mitleid.“ Aber sie weiß auch, es ist wichtig, dass sie gesund und fit bleibt und die Familie zusammenhält.