Gleidorf/Albrechtsplatz. Eine schwangere Schmallenbergerin verliert ihren Bruder bei einem Motorradunfall unter ungeklärten Umständen. Die Suche nach den Gründen.

„Tizian hat gekämpft, aber er hat es nicht geschafft. Tizian ist tot.“ Diese Worte wird Sarah Trapp-Korn nie mehr vergessen. Die Minuten, Stunden, Monate und Jahre danach sind schlimm: „Das Gefühl war schrecklich, ich war wie in Trance“, sagt die 32 Jahre alte Gleidorferin.

Es ist der 19. Juli 2016, als Sarah ihren 25 Jahre alten Bruder nach einem Motorradunfall verliert. Zu dieser Zeit ist sie im fünften Monat schwanger mit ihrem zweiten Kind.

Das Schlimmste und Schönste passiert gleichzeitig

„Es ist schlimm, wenn das Schönste und das Schlimmste im Leben gleichzeitig passiert“, erinnert sie sich. Als sie eigentlich Zeit zum Trauern braucht, muss sie auch an ihr Baby denken. „Wenn ich den Stress zuließ, habe ich sofort einen Druck im Bauch gespürt.“

Aber es habe es ihr und ihrer Familie auch Kraft in der schwierigen Zeit gegeben, sagt sie jetzt. Es war ein Hoffnungsschimmer, ein Lichtblick.

Aber abschließen können sie und ihre Familie mit dem schweren Unfall bis heute nicht - denn die Staatsanwaltschaft ermittelt noch. „Es gab Ungereimtheiten“, sagt Sarah Trapp dazu.

Auf B 236 in einer Kurve gestürzt

An den Tag des Unfalls erinnert sie sich noch ganz klar. Es war ein Montag, der 18. Juli 2016. Ihr Sohn spielte bei einer Bekannten. Gegen 17 Uhr mussten beide los. Sarah wollte ihren Mann in Kirchhundem von der Arbeit abholen. „Eigentlich wollte ich kurz bei meinem Bruder vorbei. Irgendwie habe ich es dann doch nicht gemacht.“ Die Straße war ruhig, auf einmal fuhren ein Rettungswagen, ein Notarztwagen und

Ein freundliches Lächeln, lachende Augen: So behält die Schmallenbergerin ihren Bruder in Erinnerung. Das Erinnerungsfoto an ihren Bruder trägt Sarah Trapp-Korn immer bei sich.
Ein freundliches Lächeln, lachende Augen: So behält die Schmallenbergerin ihren Bruder in Erinnerung. Das Erinnerungsfoto an ihren Bruder trägt Sarah Trapp-Korn immer bei sich. © Privat

ein Polizeiwagen an ihr vorbei. „Irgendwie war es komisch, die waren extrem schnell. Schneller als sonst.“ Im Radio läuft „Wir sind groß“ von Mark Forster.

Gegen Viertel vor Acht ist sie mit ihrem Mann und ihrem Sohn wieder zuhause, sie sitzen beim Abendessen, als das Telefon klingelt. Es sind die Eltern der 32-Jährigen, die ihr die schlimme Nachricht überbringen: „Tizian hatte einen schweren Unfall, er wird in Dortmund notoperiert.“ Der Unfall passierte auf der B 236 in einer Kurve. Tizian war schwer gestürzt.

Angst um das Baby

Schock. Leere. Angst. Sarah fühlt alles auf einmal. Sie hat Angst um ihren Bruder - aber auch um ihr Baby. „Ich wusste, dass ich Stress vermeiden soll.“ Ihre Familie fährt ins Krankenhaus, sie darf nicht mit, weil sie schwanger ist.

19. Juli, kurz vor vier Uhr: Als das Handy der Gleidorferin mitten in der Nacht klingelt, weiß sie, dass es keine guten Nachrichten gibt. Tizians Zustand ist kritisch, „er kämpft, aber er wird es nicht schaffen“, sagt ihr Vater am Telefon. Gegen 6 Uhr dann die Gewissheit: Tizians Herz schlägt nicht mehr.

Der Abschied fehlt

Dass sie nicht mitkonnte, um sich von ihrem Bruder zu verabschieden, fehlt der Gleidorferin bis heute. Aber sie weiß auch, dass es das Beste war: „Ich musste an das Baby denken.“ Minutenlanges Schreien, eine Art Ohnmacht überkam sie. Was ihr durch den Kopf gegangen ist? Das weiß Sarah nicht mehr. „Es war nur noch eine große Leere in mir.“

Was ihr in der schwierigen Zeit hilft ist Ablenkung durch ihre Kinder, die ihr Kraft geben, und eben auch schöne kleine Erinnerungen an ihren Bruder: Kappen, die er für ihren Sohn kaufte, Dinge, die er gesagt hatte, Bilder und Videos, Tizian und sein Motorrad: Eine Einheit, „seine große Liebe“, sagt sie und lacht.

Er sei ein verantwortungsbewusster Fahrer gewesen. Schon von Beginn an kann die Familie kaum fassen, dass er selbst den Unfall verursacht haben soll. „Das passte nicht zu ihm. Er kannte die Strecke in- und auswendig, es war keine der schwierigen Kurven.“

Ermittlungen laufen noch

Und die Zweifel werden immer größer. Es gibt Ungereimtheiten: „Nach dem Unfall meldet sich ein vermeintlicher Ersthelfer, es tauchen Fotos vom Unfall auf, an Tizians Stiefeln werden Lackspuren gefunden, die nicht zu seinem Motorrad passen, es gibt Zeugen, weitere Fahrer wurden dort gesehen. So viel kam uns komisch vor“. Die Polizei nimmt die Ermittlungen wieder auf. Auch die Staatsanwaltschaft ermittelt. „Bis heute gibt es aber keinen Abschluss“, sagt die 32-Jährige.

Die Pressestelle der Staatsanwaltschaft Arnsberg kann auf Anfrage aktuell nur sagen, dass die Ermittlungen noch laufen. Die Familie hofft, dass die Ermittlungen bald zum Abschluss kommen: „Wir wollen wissen, was passiert ist, damit wir Gewissheit haben. Der Schmerz und die Trauer, die werden wohl für immer bleiben.“