Meschede. Der Neheimer Ralf Andres führte von 1983 bis 1993 sehr erfolgreich das Bistro Bijou in Meschede. „Das ist zu modern“, warnten ihn die alten Wirte.

Ralf Andres war erst 23 Jahre alt, als er 1983 in Meschede das Bistro Bijou eröffnete, ein Neubau. Heute sagt der gebürtige Neheimer: „Das waren meine besten Jahre!“

„Bijou-Ralf“ war er für die einen, schlicht „der Chef“ für die anderen. Ein Selfmade-Man. In Sichtigvor hatte Ralf Andres nach einer Schlosserlehre mit seinem Bruder Dieter die Disco „Buggy“ aufgemacht, nach zwei Jahren verkauften die Brüder den Betrieb mit Gewinn und eröffneten in Belecke „Gleis 7“. „Damals hatte ich schon viele Gäste aus Meschede“, erinnert er sich, „da lag die Idee nahe, auch in der Kreisstadt einen Betrieb zu eröffnen.“ Brandneu war der Bau von Hans-Werner Kleffner, in dem die Andres-Brüder dann das „Bistro Bijou“, das „Juwel“, eröffneten – täglich von morgens bis spät in die Nacht.

Ralf Andres Silvester im Mescheder Bijou.
Ralf Andres Silvester im Mescheder Bijou. © Privat

Musik aus der Anlage statt aus der Musikbox

Schick war es. Ledersitze und Musik „for free“ - aus einer Anlage oder vom DJ, statt aus der alten Musikbox - dazu 60 Plätze auf der Terrasse. „Damit waren wir den anderen weit voraus“, erinnert sich Andres schmunzelnd. Altgediente Gastronomen seien damals vorbeigekommen und hätten ihn gewarnt.: „Damit zieht ihr hier nie Publikum, ihr seid viel zu modern für die Mescheder.“ Doch der Erfolg kam über Nacht. „Mit Reinhard Sandmann, dem Wirt im Pils-Pub, habe ich mir später einen Wettstreit geliefert, wer mehr Bier verkauft.“ Mehr als 30 Hektoliter waren es laut Andres im Monat. Karneval hatten die vielen Besucher die Treppe ins Untergeschoss fast zum Einsturz gebracht. „Man durfte nur noch einzeln runtergehen, und wir haben sie mit Besenstielen abgestützt“, erzählt Andres schmunzelnd.

Silvester mit Glitzer-Top und Anzug

Da sein älterer Bruder in Neheim bereits an einem neuen Projekt namens „Mutti Sauer“ arbeitete, führte Ralf Andres das Bijou schon bald allein weiter. Das Publikum wandelte sich. Während es am Anfang wild und laut zuging, wurde es gediegener. Das zeigen auch die Silvesterfotos, aus dem Ende der 80er-Jahre, die noch im Andres’ Fotoalbum kleben: die jungen Frauen mit Dauerwelle a là Dirty Dancing und im Glitzer-Top, die Herren mit Fliege und dunklen Anzügen. Auf dem Tisch stehen Sektflaschen. Im Keller hatte das Kam-Loon, das erste China-Lokal Meschedes, ein kalt-warmes Büfett aufgebaut. Auch das war eben einen Tick extravaganter.

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„Eine Dankeschön-Fete, die ich nur für Stammgäste organisiert habe“, erzählt Andres. Wer genau hinsieht, erkennt Teile der Mescheder Lokalprominenz, damals Anfang bis Mitte 20. Dazu die wichtigsten Mitarbeiter: Birgit Peitz lebt heute in Köln, Moni Teixiera arbeitet weiter in der Mescheder Gastronomie, heute bei Freddy Schröjahr. Auf einem Bild ist auch Udo Keunecke zu sehen, ein mitreißendes Original. „Udo ist leider verstorben“, bedauert Andres. Ihm sei er besonders dankbar.“ Auch der im Sommer verstobene Gastwirt Kosta Mavrikos hat dort gekellnert und seine Frau kennengelernt. Aber Andres ist auch dem Getränkehandel Ricke dankbar, der ihn über all die Jahre mit Rat und Tat unterstützt hat. Selbst noch nach seiner Mescheder Zeit.

Neuer Mietvertrag nach zehn Jahren

Denn nach zehn wirtschaftlich sehr erfolgreichen Jahren musste der Mietvertrag neu verhandelt werden. Immer noch lief das Bijou super. Jetzt wollte auch der Vermieter mehr daran verdienen. Andres sagt heute: „Letztlich waren wir in unseren finanziellen Vorstellungen gar nicht mehr weit auseinander. Aber ich wollte meinen Kopf durchsetzen und hatte zusätzlich ein Angebot, das man nur schwer ablehnen konnte.“ Diebels wollte in Menden eine brandneue Konzept-Gastronomie aufbauen, eine Altbierkneipe. „Die wollte mich als Betreiber gewinnen. Das hat mich einfach gereizt.“ Also schmiss der damals 33-Jährige in Meschede die Brocken hin. Dafür musste er das Bijou komplett in den Originalzustand - also den Rohbau - zurückversetzen. „Das tat weh.“

 Moni Teixiera am Zapfhahn im Bijou- heute Grawe.
Moni Teixiera am Zapfhahn im Bijou- heute Grawe. © Privat

Die nächste Kneipe in Menden

Er zog weiter nach Menden und eröffnete nach und nach die Diskothek „Höllenkeller“, die Konzeptgastronomie „Diebels Fasskeller“ und ein Bistro, welches er in Anlehnung an alte Zeiten ebenso „Bistro Bijou“ taufte. Doch das Konzept der Brauerei Diebels („Diebels Fasskeller“), welches den ausschließlichen Ausschank von Altbier vorsah, konnte das Pilsliebhabenden Sauerländer-Publikum auf Dauer nicht überzeugen. Ein gutes Übernahmeangebot brachte Andres dazu, sich nach fünf Jahren von allen drei Betrieben in Menden im Guten zu trennen.

Fünf Jahre im Kolpinghaus Meschede

Die nächsten Jahre arbeitet Andres weiter im gastronomischen Umfeld. Für fünf Jahre - von 1997 bis 2002 - kehrte er auch noch mal nach Meschede zurück und übernahm das Kolpinghaus von Wirt Herbert Hesse, welches jedoch nicht ganz an den Erfolg des Bijou anknüpfen konnte. Nach nunmehr 25 Jahren hinter der Theke entschied sich Andres eine andere gastronomische Richtung einzuschlagen und versuchte sich an einem Imbiss-Betrieb in Neheim – wie er bald feststellte nicht ganz sein Metier. Die dafür erworbenen Immobilien, der Imbissstand selbst sowie ein Imbissmobil, wurden daraufhin kurzerhand verpachtet.

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Im Rückblick sagt Ralf Andres über die Zeit im Bijou: „Ich würde es immer wieder machen. Ich bereue keine Sekunde.“ Allerdings sieht er auch die veränderten Vorzeichen für die Kneipenlandschaft: „Es gab kein Handy, kein Facebook und man verabredete sich fest für einen Tag und eine Uhrzeit in der Kneipe. Man ging zu Ralf, Udo oder Birgit ins Bijou.“ Kosten für Gema und Fußballspiele knebelten den Wirt nicht. Auch kein Rauchverbot.

Heute arbeitet Ralf Andres im Angestelltenverhältnis und hat nichts mehr mit der Gastronomie zu tun. Fast nichts mehr. „Ab und zu fragt mich noch mal jemand, ob ich aushelfen kann. Aber dann stehe ich nur aus Spaß hinter der Theke.“

Hintergrund

Das Bistro Bijou lag im so genannten Bermuda-Dreieck gegenüber vom Pils-Pub. Nach dem Weggang von Ralf Andres entstand an gleicher Stelle das „Köhlers“, Betreiber waren erst Hans-Werner Kleffner, dann Moni und José Teixiera.

Später folgte dort die erste Internet-Kneipe „Das Netz“ mit dem Betreiber Gisbert Kemmerling. Heute ist dort die Bierkneipe Bibulus.

Auf der alten Getränkekarte sieht man hinter Wacholder. „...für Hugo“. Hugo Witzorke war der erste Gast im Bijou. Als Rentner kam er jeden Tag zu Pils und Wacholder und wenn Wochenmarkt war, mit seiner Frau.