Remblinghausen. Der Remblinghauser Robert Hallmann lebt seit mehr als 60 Jahren in England. Im Interview spricht er über sein neues Buch und den Brexit.

Robert Hallmann verließ Meschede in den 50er-Jahren und wanderte nach London aus, wo er sich selbstständig machte und als Fotograf und Buchautor erfolgreich war. Jetzt hat er ein neues Buch mit vielen Fotos aufgelegt - bisher nur auf Englisch - in dem er seine Kindheit im Dritten Reich in seinem Heimatdorf beschreibt. Remblinghausen ist für ihn mit vielen Erinnerungen verbunden, mit Gerüchen und Geschichten. Ein lesenswertes Buch für alle, die sich für Remblinghausen interessieren, für alle, die sich für Traditionen und Bräuche auf dem Dorf interessieren und für alle die wissen wollen, wie Kindheit und Jugend im Dritten Reich war. Hallmann betreibt außerdem die Facebook-Seite „Erinnerungen Remblinghausen Germany“, wo er alte Fotos teilt und bespricht. Es freut ihn, dass die Seite langsam im Ort bekannter wird. Denn er hofft, dass man dadurch die noch vorhandenen alten Bilder mehr schätzt und verwahrt.

Robert Hallmann  mit seinem Buch: A Short Thousand Years. A Childhood in the Third Reich.
Robert Hallmann mit seinem Buch: A Short Thousand Years. A Childhood in the Third Reich. © Tessa Hallmann.

Kindheit im Dritten Reich auf dem Dorf, was machte das für Sie aus?

In so einem Dorf kennt man sich untereinander. Dann kamen andere: Soldaten, Gefangene, Evakuierte, Flüchtlinge. Als kränkliches Kind habe ich vielleicht etwas mehr aufgepasst als andere. Was auch dem Kind auffiel: Zwei Onkel kamen nicht aus dem Krieg zurück, ein dritter war krank, mein Vater war zuerst im Westen und dann im Osten in Gefangenschaft bis 1948. Polnische Worte lernte ich von den Gefangenen, die auf den Höfen arbeiteten.

Menschen kommen und verschwinden – wer ist Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben?

Auf dem Umschlag ist ein Bild mit meinem geliebten Onkel Jupp. Ein feinfühliger Schneider, der Postkarten extra für mich von der Front schrieb und zeichnete. Im Urlaub erzählte er von schwierigen Stunden als Wachmann, in denen er die Menschentransporte in die Vernichtungslager des Ostens erlebte. Dann kam ein Brief, in dem er sein Testament machte. Seine Abteilung war der SS untergestellt geworden. „Ich komme nicht zurück”, schrieb er.

Sie haben das Buch auf Englisch geschrieben, warum und wird es eine deutsche Übersetzung geben?

Es ist schade, dass selbst meine Schwester Marianne Rettler es deshalb nicht lesen kann. Und ich weiß nicht, ob ich einen deutschen Verleger gefunden hätte, aber ich muss auch sagen, dass es mir schon einfacher fällt auf Englisch zu schreiben. Es würde mich sehr freuen, wenn jemand eine deutsche Version verlegen würde. Bis jetzt ist noch nichts geplant.

Auch in Remblinghausen gehörten die Kinder zur Hitlerjugend.
Auch in Remblinghausen gehörten die Kinder zur Hitlerjugend. © Hallmann

Sie leben jetzt seit mehr als 60 Jahren in England wie erleben Sie den Brexit?

Die Politik hier erinnert mich manchmal an Deutschland zwischen 1932 und 33, weil eine kleine Fraktion darauf besteht, das Land zu regieren. Manche träumen vom Empire, manche, die nie den Krieg erlebt haben, meinen, das wären stolze Zeiten gewesen. Andere sind so erhaben, dass sie keine Ausländer im Lande dulden wollen. Viele Ärzte und Krankenschwestern aus anderen Ländern, die hier unbedingt nötig sind, fahren wieder nach Hause. Verstand ist schon nicht mehr notwendig mit einem Clown an der Spitze. Die Jugend aber, das muss gesagt werden, steht zu Europa. Die Chancen, dort zu arbeiten und ohne Schwierigkeiten zu reisen, werden ihnen durch den Brexit gestohlen.

Persönliches:

Robert Hallmann wird 1935 in Remblinghausen geboren.

Seine Lehrjahre verbringt er bei Friedel Drees als Schriftsetzer in der damaligen Mittelstraße in Meschede.

1955 starten seine Wanderjahre in Haarlem in Holland. Von dort geht es nach Wales, England und Dublin.

Auf dem Weg zurück zu einer Arbeitstelle in Baden Baden sieht er sich in London um und findet einen Job in einer Werbeagentur und bleibt. Zwei Jahre später macht er sich dort selbstständig und arbeitet fortan als Typograph, Grafiker und Fotograf. Ausstellungen bestückt er in London und Essex und ein Bild wurde in der National Portrait Gallery in London ausgestellt.

Hallmann ist Witwer. Von zwei Töchtern ist eine schon verstorben. Er hat zwei Enkel.

Kurz und knapp:

Heimat… muss nicht auf einen Ort beschränkt sein. Ich habe definitiv zwei Heimatorte.

Ein gutes Foto braucht... eine gute Ausrüstung und viel Erfahrung.

Der Brexit... kann dazu führen, dass Großbritannien in kleinere Teile zerfällt.

Die Menschen in Essex und im Sauerland... sind sehr unterschiedlich, hier die Menschen, die aus überbevölkerten Londoner Mietshäusern in London wegzogen und ein kleines Haus mit Garten fanden. Dort die Sauerländer, die immer schon auf ihre Höfe und Tiere und Traditionen stolz sind.