Bestwig. Mit einer ungewöhnlichen Veranstaltung sind am Sonntag in Bestwig zwei ganz besondere Jubiläen gefeiert worden. Die Gäste waren begeistert.

Interessante Anekdoten zur Geschichte des Vereins Kultur Pur und dem Bau des Rathauses, humorvolle Redner, gefühlvolle Singer-Songwriter-Musik und bissige Kommentare zu „bekloppten politischen Zeiten“: Mit einer kurzweiligen Jubiläumsmatinée ist am Sonntag in Bestwig auf 30 Jahre „Kultur Pur“ und 25 Jahre Bürger- und Rathaus Bestwig zurückgeblickt worden. Für gute Stimmung unter den 200 Gästen sorgte die kabarettistische Moderation von Christoph Brüske und die musikalische Begleitung des Cristin Claas Trios.

„Mein Navi hat mich heute Morgen gefragt, ob es unbedingt mit nach Bestwig müsse“, erzählt Kabarettist Brüske. „Jetzt nach Ende der Veranstaltung habe ich das Gefühl, im Paradies angekommen zu sein.“ Der Kölner zeigte sich tief beeindruckt von dem Humor, der Mentalität und dem Engagement der Bestwiger. „Wie bei Maybritt Illner – nur unterhaltsamer“, bat Brüske zu einem Gespräch auf die Bühne.

Gut Ding will Weile haben

Kabarettist Christoph Brüske interviewt Rudolf Heinemann (links) und Bürgermeister Ralf Péus.
Kabarettist Christoph Brüske interviewt Rudolf Heinemann (links) und Bürgermeister Ralf Péus. © Christian Péus

Rudolf Heinemann, als Mitglied der für die Planungs- und Bauphase einst gebildeten Baukommission, berichtete von den Anfängen des Bauvorhabens „neues Bürger- und Rathaus“. Während bereits 1974/75 im Zuge der kommunalen Neugliederung die ersten Ideen zusammengetragen wurden, brauchte es 18 Sitzungen und 20 Jahre, ehe am 3. Oktober 1994 mit dem Umzug begonnen werden konnte. „Aus Berliner Sicht ist diese Zeitspanne spitzenmäßig“, bemerkt Brüske. Heinemann kontert: „Gut Ding will eben Weile haben.“ Denn noch heute entspräche das Rathaus allen Anforderungen und Wünschen.
Bürgermeister Ralf Péus pflichtet ihm bei: „Von kleineren Renovierungen abgesehen, gab es in der Vergangenheit keine nennenswerten baulichen Veränderungen. Das ist ein Anzeichen dafür, dass man sich schon bei den Planungen weitreichende Gedanken gemacht hat.“ Die beste Idee sei der vergrößerbare Bürgersaal mit Bühne und Bühnentechnik gewesen. Mit „Kultur Pur“ habe man insbesondere einen hervorragenden Partner und zugleich Garant, dass das Bürger- und Rathaus stets mit Leben erfüllt werde: „Genau so, wie man es sich bei der Planung vorgestellt oder, besser gesagt, erhofft habe.“ In 25 Jahren sei im und rund ums Gebäude stets etwas los gewesen. „Ob Politiker wie Müntefering oder Merz, ob Künstler wie Götz Alsmann oder Herbert Knebel, ob Sängerinnen wie Anna Maria Zimmermann oder Helene Fischer – sie alle waren schon hier“, so Péus weiter.

Kulturszene im Ort beleben

Ralf Becker, als Gründungsmitglied von „Kultur Pur“, berichtet im zweiten Gespräch, dass es zunächst das Ziel gewesen sei, die Kulturszene im Ort zu beleben und zu diesem Zweck das leerstehende alte „Kino Hegener“ für Veranstaltungen zu nutzen. Zu Letzterem ist es aber nicht gekommen – das Haus wurde vor etwa zwölf Jahren abgerissen. An der Stelle steht heute ein Lidl. „Im Rathaus und an anderen öffentlichen Stellen sind wir aber damals offene Türen eingerannt. Mittlerweile hat ‚Kultur Pur‘ zahlreiche Locations im Repertoire.“ Nicht nur die Verantwortlichen, auch das Publikum habe sich in den Jahren durch seine Offenheit ausgezeichnet. „Die Mischung aus Altem und Neuen, wie etwa einem Mitmach-Gospel-Konzert, macht uns aus und macht uns bekannt“, so Becker.

100.000 Besucher in 30 Jahren

Jan Frigger nutzt die Gelegenheit für Worte des Dankes.
Jan Frigger nutzt die Gelegenheit für Worte des Dankes. © Christian Péus

Jan Frigger, der, mit kleiner Unterbrechung, seit fast 20 Jahren Vorsitzender des Vereins ist, freute sich, dass sich der Bestwiger Verein über die Jahre einen Namen in der Kulturszene machen konnte: „Wir sind stolz, dass Künstler wie Tommy Emmanuel oder Frieda Braun, um nur zwei Highlights zu nennen, trotz großen und teils weltweiten Erfolgen immer wieder gerne nach Bestwig kommen.“ Seinen Dank sprach Frigger zuletzt den über 100.000 Zuschauern in den vergangenen 30 Jahren aus sowie den Sponsoren, der Gemeinde und dem engagierten Team von Kultur Pur.

Nach einem Ausschnitt aus seinem Soloprogramm „In bekloppten Zeiten“ dichtete Politkabarettist Christoph Brüske am Ende noch eine „Ode an Bestwig“. Der Besuch in der Gemeinde scheint einen bleibenden Eindruck hinterlassen zu haben. So sehr, dass er sich am Ende gar vorstellen konnte, mit Bürgermeister Péus auf gemeinsame Comedy-Tour zu gehen.

Von gequetschten Fingern und alten Stimmzetteln zur Kommunalwahl

Direkt an der B7 zwischen Sparkasse und Alter Post gelegen, befand sich das alte Rat- bzw. Amtshaus nur wenige Meter entfernt vom heutigen Bürger- und Rathaus.

Der Bau des Rathauses.
Der Bau des Rathauses. © Archiv Gemeinde Bestwig

Nach langjährigen Planungen unter dem namhaften Architekten Bruno Lambart, startete der Bau im Jahr 1992. Am Freitag, 30. September 1994 um Punkt 13 Uhr nach Dienstschluss zog die Gemeindeverwaltung in Eigenregie in die neuen Räumlichkeiten um. „Zehn Minuten zuvor musste jedoch bereits der erste Mitarbeiter mit einem gequetschten Finger ins Krankenhaus“, berichtet
Bürgermeister Péus.

Am Sonntag, 2. Oktober 1994, war der Umzug beendet. Eine kleine Panne hatte sich jedoch in den Umzugsstress eingeschlichen, die sogar der Bildzeitung eine Schlagzeile wert war. „Weil der Umzug genau in die Vorbereitungen der Kommunalwahl fiel, sind irrtümlich alte Stimmzettel von der vorherigen Wahl in Umlauf gekommen“, schmunzelt Péus.

Nach Fertigstellung des Neubaus wurde das alte Amtshaus abgerissen.