Meschede. Die Chance steigt, im Hochsauerlandkreis einen Herz-Kreislauf-Stillstand zu überleben. Jetzt sind 270 Ersthelfer als mobile Retter alarmierbar.
Es geht um Zeit. Um lebensentscheidende Zeit. Seit Dienstag ist die Chance größer, im Hochsauerlandkreis einen Herz-Kreislauf-Stillstand zu überleben. Denn seit Dienstag werden aus der Kreisleitstelle in Enste bei Notfällen auch Ersthelfer alarmiert – wenn sie zufällig in der Nähe eines Einsatzortes sind und diesen erkennbar schneller erreichen können als der Rettungswagen. Die Helfer werden dafür per Smartphone benachrichtigt. Für das neue Mobile-Retter-System sind kreisweit bereits 400 Helfer registriert: 270 von ihnen sind schon alarmierbar, 130 werden noch geschult.
Drei bis fünf Minuten sind entscheidend
Am Dienstag wurde das System offiziell im Kreis-Zentrum für Feuerschutz und Rettungswesen in Enste in Betrieb genommen. 200 mal wird der Rettungsdienst im HSK pro Jahr zum Herz-Kreislauf-Stillstand gerufen. Nach drei bis fünf Minuten treten dabei durch Sauerstoffmangel irreversible Hirnschäden auf, sagte der Ärztliche Leiter Karsten Müller.
Die Profis vom Rettungsdienst brauchen aber im Durchschnitt neun Minuten bis zum Einsatzort. Die freiwilligen Helfer können also diese zeitliche Lücke schließen, Hilfe kann früher beginnen. Müller sagt voraus: „Wir werden die Überlebenswahrscheinlichkeit im HSK erheblich verbessern können.“ Hinzu komme auch eine bessere Heilungschance: Bislang haben nur fünf Prozent der Patienten nach einem Herz-Kreislauf-Stillstand keine neurologischen Defizite.
Der Hochsauerlandkreis ist der erste Kreis in Südwestfalen, der das System der Mobilen Retter in Betrieb nimmt. Die Junge Union hatte die Anregung gegeben, die CDU brachte es als Antrag im Kreistag ein. Landrat Dr. Karl Schneider spricht von „einer sinnvollen medizinischen Ergänzung zum Rettungsdienst und der First Responder“. Denn auch für die jetzigen Ersthelfergruppen der First Responder, die auch mit Defibrillatoren ausgerüstet sind, ist es ja schwer, innerhalb dieser drei bis fünf Minuten zu kommen.
Dem Zufall auf die Sprünge helfen
Die Mobilen Retter sind eine Initiative der Björn-Steiger-Stiftung, die als gemeinnützige Organisation die Notfallhilfe verbessern will. Stefan Prasse, Geschäftsführer von Mobile Retter, sagte: „Das Problem ist nicht in der Tagesschau.“ Täglich sterben in Deutschland 200 bis 300 Menschen an Herz-Kreislauf-Stillstand – „das kriegen Sie überhaupt nicht mit“. 10.000 Menschen im Jahr könnten gerettet werden, wenn schnell Hilfe käme. Wer Glück hat, dem hilft bislang zufällig jemand in der Nähe, wenn dieser eine Erste-Hilfe-Ausbildung hat. Jetzt gilt: „Wir helfen dem Zufall auf die Sprünge.“
Unter den heimischen Feuerwehren und den Hilfsorganisationen ist die Resonanz groß, sich zu beteiligen. Das ist ehrenamtlich und geschieht natürlich auch in der Freizeit. Lothar Wrede, Präsident des DRK-Kreisverbandes Altkreis Meschede, sagt: „Es wird eine Lücke im Rettungsdienst geschlossen.“
Jeder mobile Retter muss medizinisch geschult sein. Wer sich registrieren lässt, wird durch die GPS-Komponente seines Smartphones in der Nähe eines Einsatzortes geortet. Die Leitstelle alarmiert ihn über eine App – wenn berechenbar ist, dass der mobile Retter früher als der Rettungsdienst eintreffen kann. Die nächsten fünf mobilen Retter um einen Einsatzort werden dann alarmiert, zwei erhalten einen Einsatzauftrag. Alarmiert werden mobile Retter nur bei der Indikation Herz-Kreislauf-Stillstand bzw. wenn eine bewusstlose Person der Leitstelle gemeldet wird.
Schnellere Hilfe
Bislang machen in Deutschland 22 Kreise mit, einschließlich des HSK. 17.000 Helfer haben sich registrieren lassen. Bei 7200 bereits absolvierten Einsätzen trafen die Freiwilligen durchschnittlich nach vier Minuten und 33 Sekunden ein – eben entscheidend früher. Karsten Müller glaubt, dass im HSK auch die Zahl von 1000 Helfern „relativ problemlos“ zu erreichen sei. Angestrebt werden erst einmal 500, sagte Projektkoordinator Franz Wegener vom Kreis – gerade für den ländlichen Bereich mit seinen langen Anfahrtswegen sei das wichtig. Um diese Zahlen zu erreichen, werden jetzt neben Feuerwehr und Hilfsorganisationen auch Kliniken und Arztpraxen einbezogen: Jeder Krankenpfleger, jede Arzthelferin beispielsweise kann sich registrieren lassen.
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Volker Wachholz vom Malteser Hilfsdienst hat sich bereits als Mobiler Retter registrieren lassen. Denn bislang galt ja: „Es könnte jeden meiner Nachbarn zuhause treffen, ohne dass ich davon erfahre und helfen könnte, obwohl ich mich in unmittelbarer Nähe befinde.“ Er kritisiert aber auch: „Wir versuchen, ein gesellschaftliches Defizit auszufüllen.“ In anderen Ländern sei Erste Hilfe selbstverständlicher als in Deutschland - in den USA helfen zum Beispiel dreimal so viele Menschen, in Dänemark ist Wiederbelebung ein fester Unterrichtsbestandteil an Schulen.
Die Registrierung erfolgt unter: www.mobile-retter.de