Bestwig. Das Leben eines jungen Mannes aus Bestwig ist ein einziger Trümmerhaufen. Jetzt darf er sich noch nicht einmal mehr seiner eigenen Oma nähern.
Er ist erst 18 Jahre alt und doch ist sein Leben schon einziger Scherbenhaufen. Selbst seiner eigenen Oma darf sich der junge Mann aus Bestwig nicht mehr nähern, weil sie Angst vor ihm hat. Staatsanwalt Klaus Neulken findet im Prozess vor dem Amtsgericht Meschede deutliche Worte: „Der Angeklagte hat es es geschafft, sein komplettes Leben in Trümmer zu hauen.“ Anders könne man es wirklich nicht sagen.
Fast schüchtern sitzt der junge Mann neben seinem Pflichtverteidiger und hört sich an, was ihm alles zur Last gelegt wird. Und das ist eine ganze Menge. „Alles Kleinigkeiten, Bagatellen“, wie Mareike Vogt als Vorsitzende des Jugendschöffengerichtes betonte. „Aber in der Summe erschreckend!“
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15 Mal wird der junge Mann innerhalb weniger Monate beim Schwarzfahren im Zug zwischen Meschede und Bestwig erwischt. Ob er nicht mal auf die Idee gekommen sei, sich für 5,10 Euro ein Ticket zu ziehen, will Vogt wissen. „Ich hatte kein Geld. Das war dumm“, erklärt der 18-Jährige mit wenigen Worten.
Polizisten vor die Füße gespuckt
Deutlich mehr Worte findet er allerdings, wenn es darum geht, andere zu beleidigen. Sein Repertoire reicht von Hurensohn und Hurentochter über Bastard bis hin zu Wichser. Und das sind eher noch die harmloseren Ausdrücke. Gefallen lassen müssen sich diese Beleidigungen nicht nur die Fahrkartenkontrolleure im Zug, sondern auch Polizeibeamte, denen er sogar vor die Füße spuckt, und der eigene Onkel.
Zu den insgesamt fünf Beleidigungen kommen außerdem zwei versuchte Nötigungen. Unter anderem hatte der 18-Jährige mit handfesten Konsequenzen gedroht, wenn eine Anzeige gegen ihn nicht zurückgezogen werde.
„Für so etwas kann man ganz schnell auch in U-Haft landen
„Für so etwas kann man ganz schnell auch in U-Haft landen“, machte ihm der der Staatsanwalt die Tragweite seines Verhaltens deutlich. Was zur Anzahl der Taten erschwerend hinzukommt: Allesamt ereigneten sie sich, während der junge Mann unter Bewährung stand. In der Vergangenheit hatte er sich bereits wegen Bedrohung, Körperverletzung und Beleidigung vor Gericht verantworten müssen.
Aufgewachsen ist der 18-jährige bei seiner Oma. Zwischendurch lebt er im Heim - beginnt dort Drogen zu nehmen. Dann wohnt er für kurze Zeit bei seinem Vater in Dresden, dann in einer Mescheder Obdachlosenunterkunft. Die Familienverhältnisse sind schwierig. Immer wieder kommt es zu Eskalationen - so heftig, dass seine Großmutter per Beschluss beim Familiengericht erwirkt, dass sich ihr eigener Enkel ihr nicht mehr nähern darf.
Selbst anrufen darf er sie nicht mehr. Und dennoch folgt erst vor wenigen Wochen ein Telefonat, das es eigentlich gar nicht hätte geben dürfen: „Wir wollen das alles hinter uns lassen“, erklärt der 18-Jährige im Gerichtssaal.
Notbremse in letzter Sekunde
Möglicherweise in der allerletzten Sekunde zieht der 18-Jährige damit die Notbremse: Aktuell befindet er sich zur Entgiftung in Marsberg. Danach will er eine Therapie antreten. Aus eigenen Stücken. „Das ist der einzige Grund, warum wir uns noch einmal für eine Bewährung entschieden haben, macht ihm die Richterin klar und schiebt sehr deutlich hinterher: „Bei einem Abbruch der Therapie wird auch die Bewährung kippen.“
- Der Prozess, der mit einer zehnmonatigen Haftstrafe endete, wird vermutlich nicht der letzte für den jungen Mann gewesen sein. Weil er mit Drogen gehandelt haben soll, gibt es bereits eine weitere Akte bei der Staatsanwaltschaft.
- Gehört wurden in dem Prozess auch die Bewährungshelferin sowie eine Vertreterin der Jugendgerichtshilfe. Demnach seien bislang alle erzieherischen Maßnahmen vergeblich gewesen.
- Von zuletzt auferlegten 60 Sozialstunden habe der junge Mann gerade einmal 14 abgeleistet. Inzwischen gebe es weder in Meschede noch in Bestwig eine Stelle, auf die sich der 18-jährige wegen seiner Unzuverlässigkeit vermitteln lasse.