Meschede. Ein Stammtisch? Das ist doch nur was für graue Männer. Stimmt nicht, sagt Benno Schemme und berichtet von seinem Treffpunkt im Schwarzen Peter.
Der Wimpel steht seit Jahrzehnten in der Mitte des blanken Holztischs. Hier treffen sich Bürgermeister, Pfarrer und Richter und sprechen über Politik, Klatsch und Tratsch - planen die Entwicklung ihres Ortes. Stammtisch-Parolen machen die Runde. Und wehe, es setzt sich jemand in die Stammtisch-Ecke!
Die konservativen Bilder des „Stammtisches“ sind in der Region überlagert von anderen: Cliquen, die sich als Stammtisch sozial engagieren, Feten organisieren oder eben einfach gesellig ihre Freundschaft pflegen. So wie der Stammtisch von Benno Schemme, André Koch, Patrick und Kevin Wiese, Christian Thiele, Carsten Deitelhoff und Tobias Kürzer im Schwarzen Peter. Dabei sind sie jung: erst um die 30.
„Wir haben keinen Namen und keinen Wimpel“, sagt Benno Schemme und schiebt schmunzelnd nach: „Aber eine feste Ecke, die hält uns unser Wirt frei.“
Dafür hatten die sieben jungen Männer - sie sind heute zwischen 29 und 36 Jahre alt - in der Gaststätte „Zum Schwarzen Peter“ extra ihren Termin verschoben. „Ursprünglich wollten wir am ersten Freitag im Monat, da war es aber so voll, dass Peter Wiese uns bat, auf den zweiten Freitag im Monat zu wechseln.“ Da treffen sie sich jetzt seit 2015. Aber die meisten kennen sich schon aus dem Kindergarten.
Die Themen: von ernst bis albern
„Wir sind alle im Mescheder Norden aufgewachsen“, berichtet der 30-Jährige. „Haben unsere Kindheit und Jugend miteinander verbracht.“ Nach der Schule begannen die jungen Männer ihre Ausbildung bei Karosseriebau Ewers, bei Krewet Maschinenbau oder ITH in Meschede, bei Arconic in Bestwig, bei Hanses in Remblinghausen oder dem Autohaus Stratmann in Heinrichsthal. Und blieben. „Wir leben alle gern hier. In einer Großstadt zu wohnen, das könnte sich von uns keiner vorstellen.“ Es kamen die Freundinnen, die ersten Hochzeiten und Kinder. Irgendwann merkten sie, dass keine Zeit mehr blieb, um sich regelmäßig zu treffen, miteinander Zeit zu verbringen - wie früher.
Christian Thiele hatte dann auf einem Junggesellenabschied die Idee: „Lass uns an einem regelmäßigen Termin zusammenkommen.“ Die Idee des Stammtisches war geboren. Die passende Kneipe war schnell gefunden: „Vom Schwarzen Peter aus, haben wir es alle gleich weit nach Hause“, erklärt Schemme. „Und mein Vater und mein Großvater hatten da schon Stammtisch-Runden.“ Geredet wird über alles, viel geflachst und an alte Zeiten erinnert. „Für Außenstehende wäre das wahrscheinlich ziemlich langweilig“, gibt er zu. Die Gruppe ist fest. Neue sind nicht dazugekommen. Ein Freund hat die Gruppe verlassen, als er zum Studium aus Meschede wegzog.
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„Auch auf Nachfrage ist er nicht mehr wiedergekommen.“ Die übrigen genießen die Zeit miteinander. „Der feste Termin ist wichtig, den hält sich dann jeder frei.“ Wie auch das erste Wochenende im September. Da geht es auf Stammtisch-Tour. Zwei Mann organisieren, für den Rest ist es eine Fahrt ins Blaue. Bisher nichts Exotisches. „Im letzten Jahr haben wir uns einfach ein Haus in Holland gemietet und die Zeit am Strand verbracht. Uns ist es dann wichtig, Zeit miteinander zu verbringen. Der Ort ist eigentlich nebensächlich.“
Zusammen feiern
Auch gefeiert wird zusammen Hochzeiten, runde Geburtstage, Pinkelpartys - „der Stammtisch wird immer eingeladen, der ist Pflicht“, betont Schemme. Dafür könne man sich aber auch immer auf die Jungs verlassen. „Wenn mal irgendwo angepackt werden muss, dann sind sie da.“
Drei Fragen an Wirt Peter Wiese
Peter Wiese ist Wirt im Gasthaus Zum Schwarzen Peter. Die Kneipe besteht seit 1958. Er berichtet, welche Bedeutung Stammtische für ihn haben.
Wie viele Stammtische kommen zu Ihnen?
Peter Wiese Da muss man erstmal klären, was Stammtische sind. Gehören Kartenclubs dazu, die Gruppen, die sich an der Kegelbahn treffen oder Versammlungen, die zwar erst thematisch festgelegt sind, die aber später zum gemütlichen Teil übergehen, wie beispielsweise die Imker in ihrer Monatsversammlung?
Alle zusammen?
Da sind es dann rund 30. Früher war das eine reine Männerdomäne, mittlerweile gibt es aber auch gemischte Gruppen wie die Jahrgangstreffen. Reine Frauengruppen treffen sich bei mir bisher nur an der Kegelbahn. Aber allen gemeinsam ist doch: Hier trifft man sich noch ganz real, ohne Handy, guckt sich beim Gespräch in die Augen. Und die Absprache funktioniert über Jahre, weil alle sich den Termin frei halten. Ich habe einen Stammtisch, der kommt seit 60 Jahren zusammen.
Welche Bedeutung haben die Stammtische für einen Wirt?
Natürlich sind sie auch ein wirtschaftlicher Faktor. Auf den Umsatz kann man sich als Unternehmer verlassen. Aber ihre Bedeutung ist deutlich höher. Für den Wirt ist es einfach. Man weiß um die Gewohnheiten. Die Gruppen füllen die Kneipe mit Leben. Da, wo schon ein Stammtisch sitzt, kommen andere Gäste dazu, auch Fremde trauen sich dann rein. Die meisten kennt man über Jahre, da entwickeln sich Freundschaften. Stammtische sind Selbstläufer: Aber vor allem: Für mich bilden sie die Seele einer Kneipe.