Schmallenberg. Kommt die Steuererklärung auf dem Bierdeckel zurück? Friedrich Merz referierte in der Stadthalle zur Finanz- und Wirtschaftspolitik.

Ganz am Ende kommt sie doch noch: Die Frage nach der Steuererklärung auf dem Bierdeckel, mit der Friedrich Merz bis heute auch verbunden wird. Allgemeines Schmunzeln im Saal der Stadthalle. Die rund 800 Zuhörer kennen den Arnsberger Juristen und CDU-Politiker seit Jahrzehnten, er war hier Europa- und Bundestagsabgeordneter und die Steuererklärung auf dem Bierdeckel - zumal im Video der Initiative Homebase-Sauerland - ein Sympathie-Werbeträger für die Region.

47.000 Volksbank-Mitglieder eingeladen

Deshalb: Friedrich Merz im Sauerland vorzustellen, sei so ähnlich wie einem Sauerländer das Schützenfest zu erklären, sagte Andreas Ermecke, Vorstand der Volksbank Bigge-Lenne, zur Begrüßung. Eingeladen hatte das Kreditinstitut zum Merz-Vortrag „Perspektiven der Wirtschafts- und Finanzpolitik“ erstmals bewusst nur seine 47.000 Mitglieder zwischen Lennestadt, Winterberg und Schmallenberg. Ein Dankeschön für ihre Treue, verbunden mit der Überzeugung, „dass alles, was draußen passiert auch Einfluss hat auf unsere Städte und Dörfer im Sauerland“, so Ermecke. Die bundespolitischen Ambitionen des ehemaligen CDU-Fraktionsführers waren dabei bewusst ausgenommen.

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Weltreise von China bis zum Brexit

Friedrich Merz, der - laut Ermecke - „am besten global, regional und lokal vernetzte Sauerländer“, nahm die Zuhörer mit auf eine Welt-Reise: von der „völkerrechtswidrigen“ Annektierung der Krim durch Russland über die Seidenstraßen-Ambitionen Chinas mit den damit verbundenen Gefahren für Freiheit und Demokratie, bis zu Donald Trump und den Brexit-Plänen eines Boris Johnson. Wobei Merz als ehemaliger Europa-Politiker immer wieder auf die zentrale Bedeutung Europas und eines starken Deutschlands in Europa zurückkam.

800 Zuhörer verfolgten den Vortrag von Friedrich Merz in der Stadthalle. Am Ende waren auch Fragen möglich.
800 Zuhörer verfolgten den Vortrag von Friedrich Merz in der Stadthalle. Am Ende waren auch Fragen möglich. © Ute Tolksdorf

Die Pflicht, Verantwortung zu tragen

Es dürfe keine weiteren deutschen Alleingänge wie in der Flüchtlingspolitik oder beim Atomausstieg geben, sagte er, aber Deutschland müsse bereit sein, sich innerhalb Europas und aus Europa heraus klar für Demokratie, offene Grenzen und freien Handel zu positionieren. „Wir werden mehr Verantwortung tragen müssen.“ Dazu nannte er Klimaschutz, Digitalisierung und Globalisierung als wichtigste Herausforderungen der Zukunft.

Engagement eingefordert

Und was für Europa gelte, gelte auch für jeden Einzelnen. „Dem deutschen Volk geht es so gut, wie nie zuvor. Wenn es so bleiben soll, müssen wir viel dafür tun.“ Und dabei gehe es nicht nur um Ökonomie. „Es geht darum, ob wir weiter so frei, so gut und so offen leben können.“ Da sei jeder Einzelne gefordert, sich zu engagieren, in den politischen Parteien, Gewerkschaften und Kirchen.

Applaus der Sauerländer

Besonderen Applaus seiner Zuhörer erhielt Merz zudem für die Kritik an möglichen Zinssenkungen durch die EZB, „das ist eine Kampfansage an Sparer, Banken und das ganze Wirtschaftssystem“ und an weiteren Steuerforderung: „Es ist absurd und verbietet sich, in einen beginnenden Abschwung hinein Diskussionen über weitere Steuern und Abgaben zu führen.“

Friedrich Merz spannte einen weiten Bogen in seiner Rede - von  der chinesischen Unterdrückungspolitik bis zu den Pflichten Europas.
Friedrich Merz spannte einen weiten Bogen in seiner Rede - von der chinesischen Unterdrückungspolitik bis zu den Pflichten Europas. © Ute Tolksdorf

Klimapolitik

Zur Klimapolitik forderte er, ebenfalls unter dem Beifall der Sauerländer, dass Deutschland alle Technologien im Dienst des Umweltschutzes ausbauen und auch weiter exportieren müsse, selbst wenn es sie selbst – wie die Atomkraft - nicht mehr nutze. Dazu brauche es eine offene Diskussion und: „Ich bin überhaupt nicht davon überzeugt, dass wir alle in die Elektromobilität gehen.“

Rede an einem denkwürdigen Tag

Zu Beginn hatte Merz erklärt, eine Rede am 11. September müsse auch 18 Jahre später noch an die Anschläge auf das World Trade Center erinnern. „Nach wie vor steht die Welt vor großen Herausforderungen, bei denen es um die Zukunft der offenen und freiheitlichen Gesellschaft geht.“ Ein roter Faden, der sich durch seine Rede zog.

Wiederauflage des „Bierdeckels“?

Und zur vereinfachten Steuererklärung auf dem Bierdeckel? Da erklärte Merz am Ende schmunzelnd: „Es gibt für einen Sauerländer Schlimmeres, als mit einem Bierdeckel in Zusammenhang gebracht zu werden.“ Er habe 2003 auf dem Leipziger Parteitag dazu seine erste Rede gehalten. „Jetzt findet im November wieder ein Leipziger Parteitag statt. Und ich denke ernsthaft darüber nach, zu dem Thema noch mal etwas zu sagen.“ Sprach’s, bevor er, viele Hände schüttelnd und alte Freunde begrüßend, den Saal pünktlich nach anderthalb Stunden verließ.

>>>HINTERGRUND

Friedrich Merz wuchs in Brilon auf und lebt heute mit seiner Frau Charlotte in Arnsberg. Er hat drei Kinder.

Politisch engagiert sich Friedrich Merz seit über 45 Jahren. Nach seinem Jura-Studium in Bonn und der anschließenden Arbeit für einen Verband vertrat er das Sauerland von 1989 bis 1994 im Europäischen Parlament und im Anschluss daran bis 2009 im Deutschen Bundestag. Dort war er unter anderem von 2000 bis 2002 Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. 2009 verließ er den Bundestag.

Im November 2018 unterlag er Annegret Kramp-Karrenbauer knapp bei der Bewerbung um den CDU-Parteivorsitz.

Bis Juni 2019 war er Vorsitzender der renommierten Atlantik-Brücke, eines Vereins zur Pflege der deutsch-amerikanischen Beziehungen, der sich für Multilateralismus, offene Gesellschaften und den freien Handel einsetzt.

Seit Juni 2019 ist Friedrich Merz Vizepräsident des Wirtschaftsrates der CDU e.V.