Eversberg. Willi Raulf aus Eversberg saß als NRW-Vertreter in der Jury des Bundeswettbewerbs „Unser Dorf hat Zukunft“. Diese Ideen begeistern ihn besonders.

„Landei und stolz drauf“, steht auf der Postkarte, die vor Willi Raulf (72) auf der langen Tafel im Eversberger Rathaus liegt. Der Slogan gefällt Raulf, weil er selbst markige Sätze sagt wie: „Groß- und Altwerden geht nicht in der Stadt“. Erst vor wenigen Tagen hatte er sich noch fürchterlich über einen Artikel in einer überregionalen Zeitung geärgert, in dem der Niedergang der Dörfer heraufbeschworen wurde. Er liebt es, in einem Dorf zu leben, die Nachbarn zu kennen, bei Problemen, Hilfe zu bekommen. Oft ohne große Worte.

Willi Raulf (72) ist seit fast 25 Jahren Ortsvorsteher in Eversberg. In die Jury des Bundeswettbewerbs wurde er zum zweiten Mal berufen.
Willi Raulf (72) ist seit fast 25 Jahren Ortsvorsteher in Eversberg. In die Jury des Bundeswettbewerbs wurde er zum zweiten Mal berufen. © Ilka Trudewind

Raulf ist der Ortsvorsteher in Eversberg, in diesem Jahr werden es 25 Jahre. Der deutsche Städte- und Gemeindebund entsandte ihn in diesem Sommer auf große Deutschlandreise. Vier Wochen lang fuhr der Sauerländer mit der Bundesbewertungskommission des Wettbewerbs „Unser Dorf hat Zukunft“ durch die (Landes-)Siegerdörfer der Republik, um schließlich die Bundessieger zu ermitteln. Raulf war der einzige Vertreter aus NRW an Bord. „Eine große Ehre“, wie er sagt. Nach 2016 war er nun schon zum zweiten Mal dabei. 6500 Kilometer legte die Kommission zurück – im Omnibus.

Heimatliebe überall spürbar

Die Vielfalt an Ideen, die in den Dörfern stecken, haben den 72-Jährigen auch diesmal tief beeindruckt. „Über allem steht der Begriff Heimat“, erklärt Raulf. „Diese Liebe zur Heimat ist überall zu spüren. Ob an der Nordsee oder im tiefsten Bayern.“ Aber auch das Selbstbewusstsein, die Zukunftsaufgaben selbst lösen zu wollen und zu können. „Das sind Menschen, die nicht zuerst nach Stadt oder Staat rufen, sondern die Gestaltung des Dorfes selbst in die Hand nehmen.“ Ganz ähnlich wie das ja auch im Sauerland sei.

Unterstützung der Kommunen bei Förderanträgen

Ein Plus für die Mescheder Dörfer sei die Unterstützung der Kommune und des Kreises bei

30 Dörfer in vier Wochen: Die Reiseroute führte die Jury einmal durch Deutschland.
30 Dörfer in vier Wochen: Die Reiseroute führte die Jury einmal durch Deutschland. © WP | tdierkes, Stepmap

Fördermittelanträgen und bei planerischen Konzepten. „Das läuft nicht überall in Deutschland so gut. Auch das sieht man auf einer Deutschlandreise im Omnibus.“

Zum Teil aber auch nicht ganz freiwillig, wie Raulf zu bedenken gibt. „Die Verteilung der Gelder zwischen Land und Stadt ist in NRW weiterhin nicht gerecht“, so Raulf, der auch auf mehr als 20 Jahre in der Lokalpolitik zurückblickt. Südwestfalen habe sich zur Top-Industrieregion in Deutschland gemausert, das müsse auch unterstützt werden. „Wenn die Straßen und Brücken marode sind, überlegt es sich ein Unternehmen dreimal, ob es sich ansiedelt.“ Ein weiterer Punkt: In Zeiten, in denen die Lebenskosten in den Ballungsräumen explodieren, müsse ungenutzte Potenzial des ländlichem Raums in den Fokus rücken.

Auffallend sei auch die herausragende Rolle des Ehrenamts – bundesweit. „Ohne funktioniert nichts“, so Raulf, aber das dürfe eben auch nicht überstrapaziert werden. „Das Ehrenamt stößt an seine Grenzen.“

Drei Projekte, die Raulf besonders begeistert haben:

1. Zur ärztlichen Versorgung
Eine junge Ärztin zeigte der Kommission die Pläne für die Umnutzung eines denkmalgeschützten Dreiseitendorfs zu einem Ärztedorf mit Sozialstation. „Das Tolle daran: Die Ärzte müssen nicht den unsicheren Weg in die Selbstständigkeit antreten

2. Zum Umgang mit Leerstand
Wenn ein Gebäude nach drei Jahren Leerstand nicht veräußert wurde, verpflichtet sich die Kommune zum Kauf. Sie kümmert sich um die Sanierung der Immobilie und verkauft sie anschließend. „Mit Gewinn“, so Raulf. Aber auch die Umnutzung landwirtschaftlicher Gebäude in Immobilien mit vielen kleinen Einzelwohnungen für Singles und alte Menschen. „Das ist die Zukunft“, sagt Raulf.

3. Zum sozialen Gefüge
Zwei Dörfer schließen sich zusammen und errichten eine neue Dorfmitte - mit Kita, Kirche, Schule und Gemeinschaftshaus. Gleichzeitig wird auf einem brachliegenden Molkereigelände ein neues Gewerbegebiet erschlossen. Neue Firmen siedeln sich an, Hunderte Arbeitsplätze entstehen. Raulf: „Es war deutlich zu sehen, wie die beiden Dörfer zusammenwachsen.“

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Konkurrenz zwischen Bödefeld und Eversberg

  • 1981 war Willi Raulf dabei, als die Bundesjury Eversberg besuchte und später zum Golddorf kürte. Er habe acht Jahre „mitmalocht“, aber nicht in vorderster Reihe gestanden, wie Raulf betont. Gut erinnert er sich an den damaligen Konkurrenzkampf zwischen Bödefeld und Eversberg. Der Wettbewerb hieß damals „Unser Dorf soll schöner werden“. Die Gold-Urkunde hängt im Rathaus-Saal.
  • Raulf nennt den „Unser Dorf hat Zukunft“-Wettbewerb die „größte Bürgerinitiative Deutschlands“. Für jedes Dorf sollte es Ansporn sein, dazuzugehören. Denn der Wettbewerb, so Raulf, beflügele die Ideen und das Wir-Gefühl im Ort. Das könne jeder Teilnehmer bestätigen – ob Sieger oder nicht.
  • Die Bewertungskommission besucht pro Tag zwei Dörfer und ist drei Stunden vor Ort. Es werden vier Kriterien bewertet: Wirtschaft, Soziales/Kultur, Bauen/Infrastruktur, Ökologie/Nachhaltigkeit. Raulf beurteilte den Punkt drei mit.
  • Knapp 1900 Dörfer aus ganz Deutschland haben sich am 26. Bundeswettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ beteiligt, um eine der begehrten Auszeichnungen zu erhalten. Insgesamt hatten es 30 Dörfer in die Finalrunde geschafft. Darunter auch Schmallenberg-Sögtrop. Das kleine Dorf holte Bundessilber und bekam dafür 10.000 Euro. Die Golddörfer erhalten 15.000 Euro.