Meschede. Die Handwerker lassen sich nicht abschütteln. Erneut konfrontieren sie die Politik mit ihren Forderungen zum Bürokratieabbau.

Vor einem Jahr gingen sie das erste Mal auf die Barrikaden. Bäcker, Fliesenleger, Dachdecker und Elektriker zeigten unter dem Motto „Handwerk macht mobil“, wie sehr sie unter der behördlichen Regelungswut ächzen. Ihr Tenor: Das kostet Zeit und Geld - das letztlich der Kunde zahlt. Die viele Arbeit verschreckt Nachfolger. Das alles ist bei zunehmendem Fachkräftemangel eine echte Belastung für unsere Wirtschaft. Im Juli 2018 luden die Handwerker daher heimische Politiker aufs Podium und konfrontierten sie mit ihren Forderungen. Jetzt - ein Jahr später - fragen sie nach, was aus den Versprechungen geworden ist.

Bei der Podiumsdiskussion  im Juli 2018: Politiker und Organisatoren von links: Jochem Hunecke (Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft), Dirk Wiese, Frank Lefarth, Dr. Patrick Sensburg, Holger Schwannecke Generalsekretär Zentralverband des Deutschen Handwerks, Dr. Peter Liese, Willi Hesse (Präsdident der Handwerkskammer Südwestfalen), Klaus Kaiser,  Dr. Karl Schneider, Hans-Josef Berkenkopf (Kreishandwerksmeister), Moderator Dieter Roxlau.
Bei der Podiumsdiskussion im Juli 2018: Politiker und Organisatoren von links: Jochem Hunecke (Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft), Dirk Wiese, Frank Lefarth, Dr. Patrick Sensburg, Holger Schwannecke Generalsekretär Zentralverband des Deutschen Handwerks, Dr. Peter Liese, Willi Hesse (Präsdident der Handwerkskammer Südwestfalen), Klaus Kaiser,  Dr. Karl Schneider, Hans-Josef Berkenkopf (Kreishandwerksmeister), Moderator Dieter Roxlau. © Ute Tolksdorf | Ute Tolksdorf

Die Erfolge

„Nicht viel“, weiß schon Frank Lefarth. Der selbstständige Elektrotechnikmeister aus Medebach war mit Bäckermeister Gerhard Frankenstein einer der Sprecher und ersten Initiatoren der Aktion. „Wir haben im Anschluss viel mit den Politikern diskutiert und geschrieben“, resümiert Lefarth. Es sei gut und wichtig, dass man jetzt miteinander in persönlichem Kontakt stehe und dass das Thema auf der Bundesebene, beim Zentralverband des Deutschen Handwerks, angekommen sei. „Doch wenn man alles auf einen Punkt bringt, muss man sagen: Bei all’ dem ist bisher nicht viel ’rumgekommen.“ Deshalb sei es wichtig jetzt noch einmal nachzufragen. „Die Politik kann sich nicht einfach umdrehen, Haken dran und gehen.“

Jochem Hunecke, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft in Enste, versteht den Frust. Ihm ist es trotzdem wichtig, zwei Teilerfolge aus dem damaligen Zehn-Punkte-Plan aufzuzeigen: „Wir haben das Azubi-Ticket durchgesetzt - wenn es die Betriebe auch 67 Euro kostet - und ein Datenschutz-Beauftragter ist erst ab 20 Mitarbeitern zwingend vorgeschrieben, nicht schon ab 10.“

Weitere Forderungen

Doch ihn ärgert es auch, wie sich die Politiker die Verantwortung zwischen den Parteien hin- und herschieben. „Dabei könnten sie zumindest eine Sache mit einem Federstrich erreichen: Sie könnten die Vorfälligkeit der Sozialbeiträge abschaffen.“ Die Betriebe müssen am Anfang des Monats die Sozialbeiträge berechnen und bezahlen. Am Ende des Monats erhalten sie dann zuviel gezahlte Beiträge zurück. Zweimal eine komplette Lohnabrechnung. Hunecke: „Das stammt noch aus der Zeit, als die Sozialkassen leer waren, aber das ist vorbei.“ Er versteht nicht, warum, „aber da will keiner dran.“

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Dazu nennt er weitere ärgerliche bürokratische Zeitfresser: - die Dokumentationspflicht zur Einhaltung des Mindestlohns. „Im Handwerk haben wir tarifgebundene Betriebe. Da liegen die Löhne alle deutlich über dem Mindestlohn.“ Doch dafür sieht er wenig Hoffnung. „Das scheint mit der SPD nicht machbar.“

Außerdem nennt Hunecke die Buchführungspflicht, die von Finanzamt zu Finanzamt unterschiedlich gehandhabt werde. „Einfach weil es keine allgemeinen Richtlinien des Bundesfinanzamtes gibt.“

Dann die Dokumentationspflicht im Lebensmittelbereich. Hunecke: „Da muss fünf Mal am Tag der Kühlschrank kontrolliert werden, ob die Temperatur - immer noch - stimmt.“

Fast 200 Handwerker haben sich am Dienstag, 17. Juli, im Kreishaus versammelt, um ihren Protest gegen die überbordende Bürokratie den zuständigen Politikern vorzutragen. Sie erlebten eine sachliche  Diskussion mit zum Teil pointiert vorgetragenen Beschwerden und auf Seiten der Politiker das offenbar ehrliche Bemühen an der Sachlage etwas zu verändern.
Fast 200 Handwerker haben sich am Dienstag, 17. Juli, im Kreishaus versammelt, um ihren Protest gegen die überbordende Bürokratie den zuständigen Politikern vorzutragen. Sie erlebten eine sachliche  Diskussion mit zum Teil pointiert vorgetragenen Beschwerden und auf Seiten der Politiker das offenbar ehrliche Bemühen an der Sachlage etwas zu verändern. © Ute Tolksdorf | Ute Tolksdorf

Die erneute Motivation

Hunecke weiß, dass die Veränderungen vielen Handwerkern zu lange dauern. „Doch wir bleiben dran“, verspricht er. Jetzt erneut nachzuhaken und erneut eine Podiumsveranstaltung auf die Beine zu stellen, sei wichtig, damit das alles kein Strohfeuer gewesen sei.

„Aber es ist auch gar nicht so einfach sich selbst und alle Kollegen erneut zu motivieren“, weiß Lefarth. Das ist gerade eine seiner Hauptaufgaben - neben seinem Vollzeitjob. „Auch wenn der eine oder andere sicherlich meint, unsere Initiative wäre eingeschlafen und am Ende. Ich kann euch beruhigen. Dem ist nicht so!“, schreibt er für den Newsletter auf der Homepage „Handwerk macht mobil.“ Im vergangenen Jahr seien viele Gespräche gelaufen. „Jetzt werden wir nochmals unsere Forderungen wiederholen und untermauern. Wir werden nachfragen, warum sich kaum etwas geändert hat.“ Dazu sei es wichtig, dass erneut viele Handwerker teilnehmen „und so den berechtigten Wunsch nach Bürokratieabbau und Vereinfachung gegenüber der Politik Nachdruck zu verleihen.“

>>>HINTERGRUND
Die nächste Informationsveranstaltung mit heimischen Politikern zur Situation im Handwerk findet statt am Montag, 2. September, um 18 Uhr im Kreishaus.

Ihr Kommen zugesagt haben bisher die Bundestagsabgeordneten Dirk Wiese (SPD), Patrick Sensburg (CDU) und Carlo Cronenberg (FDP) sowie der CDU-Europaabgeordnete Peter Liese. Zum zweiten Mal abgesagt hat Birgit Sippel, SPD-Europaabgeordnete.

Da die Plätze begrenzt sind, ist eine Anmeldung bis zum 18. August zwingend notwendig. Ein Anmeldeformular findet man auf der Website „Handwerk macht mobil“.

Organisiert wird die Veranstaltung von der Kreishandwerkerschaft Hochsauerland, der Handwerkskammer Südwestfalen und die Initiative: „Wirtschaftsmacht Handwerk“.