Meschede/Neheim. Egal wie alt, egal wie gesund, egal wie fit - ein Schlaganfall kann jeden treffen, sagt Dr. Christoph Spitzer vom Klinikum Hochsauerland.

Zwei bis drei neue Schlaganfälle pro Tag behandelt allein die Stroke Unit im Klinikum Hochsauerland. Rund rund 200.000 Erstschlaganfälle und wahrscheinlich 60.000 bis 70.000 Wiederholungsschlaganfälle sind es pro Jahr in ganz Deutschland, rechnet Dr. med. Christoph Spitzer vor. Der Facharzt für Neurologie und Leitende Oberarzt der Klinik für Neurologie am Klinikum Hochsauerland, ordnet die Krankheit ein, die jeden treffen kann mit ihren oft schwerwiegenden Folgen.

Dr. med. Christoph Spitzer (Facharzt für Neurologie und Leitender Oberarzt der Klinik für Neurologie am Klinikum Hochsauerland)  
Dr. med. Christoph Spitzer (Facharzt für Neurologie und Leitender Oberarzt der Klinik für Neurologie am Klinikum Hochsauerland)   © studiorama photography | fotostudio arnsberg

Wie viele Schlaganfälle behandelt die Stroke Unit des Klinikums und wie alt sind Ihre Patienten?

Dr. Christoph Spitzer: Bereits im ersten Quartal 2019 haben wir mehr als 250 Schlaganfälle und flüchtige Durchblutungsstörungen behandelt. Im letzten Jahr haben wir im Schnitt täglich zwei bis drei neue Schlaganfälle pro Tag aufgenommen. Dabei muss man wissen, dass Schlaganfallpatienten keinesfalls alt sein müssen - es trifft Jugendliche genauso wie Menschen in hohem Alter. Die größte Gruppe ist jedoch laut einer Studie zwischen 75 und 84 Jahre alt.

Was passiert bei einem Schlaganfall - möglichst kurz und einfach erklärt?

Es gibt zwei Varianten. Bei über 80 Prozent der Patienten verstopft eine Arterie im Gehirn, was zu einer Unterbrechung der Durchblutung im abhängigen Gewebe führt, das dann in der Folge abstirbt. Akute Schlaganfälle aufgrund von primären Gehirnblutungen gibt es nur bei gut 10 bis 15 Prozent der Patienten.

Welche Folgeerkrankungen können bleiben? Und wie hoch ist die Todesrate?

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In erster Linie bleiben Defizite in Form von körperlichen Lähmungen und Spastiken, zum Beispiel eine Halbseitenlähmung. Die Patienten sind dauerhaft an den Rollstuhl gebunden oder haben bleibende Störungen der Sprachfunktion. Die Todesrate ist zwar deutlich gesunken. Schlaganfall ist dennoch leider die Krankheit Nr. 1 in Deutschland, die zu bleibender körperlicher Behinderung führt.

Wie lange können körperliche Funktionen nach dem Schlaganfall zurückkommen? Wie wichtig ist es daher, dass Patienten dranbleiben und den Glauben an sich nicht verlieren?

Noch nach einigen Monaten ist es möglich, Teil-Funktionen wiederzuerlangen. Das Wichtigste ist, dass Betroffene ihren Glauben nicht verlieren und die verbliebenen, körperlichen Einsatzmöglichkeiten bestmöglich dauerhaft trainieren. Genauso wichtig ist es aber, sich selbst einen neuen geregelten Alltag mit möglichen Arbeiten aufzubauen.

Ein englischer AEC Routemaster steht  in Bochum in der Innenstadt. Mit dem historischen Doppeldecker-Bus wird auf das Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden, hingewiesen.
Ein englischer AEC Routemaster steht in Bochum in der Innenstadt. Mit dem historischen Doppeldecker-Bus wird auf das Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden, hingewiesen. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Was ist die Aufgabe einer Stroke Unit?

Die Stroke Unit dient der Akutversorgung unmittelbar nach dem „frischen“ Schlaganfall. Monitoring von Herz und Kreislauf sowie die erste Therapieeinleitung sind besonders in den ersten 72 Stunden nach dem Ereignis extrem wichtig.

Zurzeit wird die Zusammenlegung von Krankenhäusern und die Spezialisierung diskutiert. Gerade beim Schlaganfall heißt es immer: Zeit zählt – wie wichtig ist die optimale Versorgung im Verhältnis?

Der oberste Grundsatz bei der Behandlung von Schlaganfall-Patienten lautet: Time is brain! Daher geht es bei der Akutversorgung massiv um Zeit. Denn unter bestimmten günstigen Bedingungen kann durch eine systemische Lysetherapie (medikamentöses Verfahren) oder eine Thrombectomie (neuroradiologisches Katheterverfahren) ein bleibender Schlaganfall vollständig vermieden werden. Idealerweise stehen diese Verfahren der Stroke Unit flächendeckend zur Verfügung, um keine Zeit durch einen Transport in ein Zentrum zu verlieren.

Welche Warnsignale des Körpers sollte man beachten?

Warnsignale im klassischen Sinn gibt es nicht. Dennoch gibt es Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Übergewicht, Diabetes, Nikotinkonsum oder familiäre Dispositionen, die zum Schlaganfall führen können.