Wehrstapel. . Ein Pkw prallt in Wehrstapel gegen einen Milchlaster. Die Fahrerin war bewusstlos geworden. Ein Jahr später trifft sie auf einen ihrer Retter.
Es ist der 23. April 2018, 17.30 Uhr. Ein sonniger Tag. Die Autos rollen über die B7 in den Feierabend. In einem sitzt Maximilian Rados (heute 25), er fährt nach Eversberg. Vor der Ortseinfahrt Wehrstapel, Höhe Wiemecker Feld, fällt ihm die unsichere Fahrweise eines blauen Peugeots auf. „Da passiert gleich was“, denkt er und wählt sofort die 110. „Vor mir fährt ein Auto Schlangenlinien“, berichtet er dem Beamten. Er hatte erst vor kurzem so eine gefährliche Situation im Ruhrgebiet erlebt. Damals saßen zwei völlig zugedröhnte Frauen im Auto...
Im Peugeot sitzt die vierfache Mutter Alke Heckmann-Ebbers (heute 42). Sie hatte gerade ihre Tochter beim Rhönrad-Training abgesetzt. „Den Lkw streifst du gleich“, ist ihr letzter Gedanke bevor sie das Bewusstsein verliert.
Muskeln versagen
Sie erleidet einen epileptischen Anfall, die Muskeln versagen, sie verreißt das Lenkrad. Der Fahrer des entgegenkommenden Milchlasters hat keine Chance...
„Jetzt hat’s geknallt. Schicken Sie bitte einen Rettungswagen“, sagt Maximilian Rados dem Polizisten am Telefon. „Zum Glück, das Auto hat den Kantenschutz erwischt“, denkt Rados. Er bremst vorsichtig. Ein Lkw hinter ihm fährt quer auf die Fahrbahn, sichert so die Unfallstelle. Kurz später ertönt das Martinshorn des Krankenwagens. Ein anderer Mann stoppt den beschädigten Peugeot und zieht die krampfende Frau aus dem Auto. Helfer tragen sie auf eine Wiese neben dem Bordstein. Im Krankenwagen ist Alke Heckmann-Ebbers wieder ansprechbar. Sie bleibt unverletzt.
Entwerteter Führerschein
„Sie hatten wirklich Glück“, sagt Maximilian Rados, als er ein Jahr später mit Alke Heckmann-Ebbers an ihrem Esstisch in Heinrichsthal sitzt. Vor ihr liegt ein Ordner mit Unterlagen zum Unfall. Auch der entwertete rosafarbene Führerschein liegt darin. Die Führerscheinstelle hatte eine Ecke abgeschnitten. Nach einem Jahr Pause und ärztlichem Gutachten dürfte die 42-Jährige nun die Fahrerlaubnis erneut beantragen.
Von den Ärzten gab es bereits grünes Licht. Die Medikamente seien gut eingestellt, sagt sie. „Ich traue mich allerdings noch nicht zu fahren“, gesteht die Mutter. Auch als Beifahrerin sei sie momentan eine Katastrophe. Das vergangene Jahr war eine Herausforderung für die Familie. „Die Kinder müssen jetzt viel mit dem Bus machen, weil mein Mann tagsüber arbeitet“, erklärt sie.
Sie hatte Glück
„Was wäre, wenn ich nicht das große Familienauto, sondern den kleinen Peugeot 107 genommen hätte? Was wäre, wenn ich den Anfall auf der Autobahn gehabt hätte? Was wäre, wenn die Kinder im Auto gewesen wären?“ Diese Gedanken stellt sich die Mutter immer wieder. Aber sie hatte Glück. „Auch, weil der Lastwagen einen Kantenschutz hatte“, sagt Rados. Heckmann-Ebbers nickt, auch ihr Mann hatte ihr das schon erklärt. Dieses Blech verhindert, dass Autos zwischen die Räder des Lkw geraten.
Alke Heckmann-Ebbers erzählt, dass sie an jenem Tag ihre Tochter zum Rhönradtraining nach Bestwig gebracht hatte. Dass sie schon vorher Anfälle gehabt habe, zuletzt einen am Einbergsee in Wenholthausen. Die Epilepsie, so hatten die Ärzte nun rausgefunden, sei angeboren. Ein Onkel leidet darunter und auch eine ihrer Töchter. Der Anfall am Steuer geschah trotz Medikamenten.
Zugedröhnte Frauen
Wenn Maximilian Rados hinterm Steuer sitzt fährt er aufmerksamer als andere. „Ich fahre seit zehn Jahren Rennrad. Da habe ich schon sehr viel auf der Straße erlebt. Dann bist du vorsichtig“, sagt der 25-Jährige. Erst kurz zuvor hatte er im Ruhrgebiet erlebt, wie sich zwei völlig zugedröhnte Frauen fast in den Tod gefahren hätten. Er sorgte dafür, dass die aus dem Verkehr gezogen wurden. „Zum Dank wurde ich bespuckt.“ Dennoch wirbt er weiter für Zivilcourage: „Einfach helfen. Nicht nachdenken.“
Rados gehörte zu denjenigen, die kürzlich von der Polizei des Hochsauerlandkreises für ihre Zivilcourage geehrt wurden. Er konnte den Preis damals nicht persönlich entgegen nehmen, weil er im Urlaub war. In der Laudatio der Polizei hieß es damals, dass Rados das weiterrollende Auto gestoppt und sich um die Verletzte gekümmert habe. Das hatten jedoch andere Helfer übernommen. Allen voran ein Mann, dessen Namen Rados leider nicht kennt. „Ich habe mit meinem Anruf nur dafür gesorgt, dass der Rettungswagen schnell vor Ort war“, stellt er klar. Er wolle keine falschen Lorbeeren einheimsen. Da habe es eine Verwechslung gegeben.
Danke sagen
Alke Heckmann-Ebbers hört aufmerksam zu. „Es haben sich so viele Menschen um mich gekümmert und ich konnte noch gar nicht richtig bei allen bedanken“, sagt sie. „Vielen, vielen Dank.“
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Landrat Dr. Karl Schneider und der Abteilungsleiter der Polizei Polizeidirektor Klaus Bunse haben Frauen und Männern gedankt, die sich im vorigen Jahr durch eine besondere Rettungstat oder Hilfeleistung ausgezeichnet haben.
Sie alle sind beherzt und engagiert eingeschritten und haben jemand anderem in einer Situation geholfen, in der diese Hilfe gerade besonders nötig war. Dafür wurden sie als couragierte Zeugen geehrt. Insgesamt waren 25 Personen zu diesem Termin eingeladen.
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