Meschede. . 380 abgelehnte Asylbewerber müssten eigentlich den Hochsauerlandkreis verlassen. Die Ausländerbehörde in Meschede hat aber Probleme dabei.

380 abgelehnte Asylbewerber müssten eigentlich aktuell von der Ausländerbehörde des Hochsauerlandkreises in ihre Heimatländer abgeschoben werden – wenn sie nicht noch freiwillig ausreisen. Nach Abschluss des Asylverfahrens müssten sie Deutschland definitiv verlassen. Tatsächlich aber scheitern Abschiebungen in den meisten Fällen. Kopfzerbrechen bereiten im Mescheder Kreishaus inzwischen vor allem Staaten in Zentralafrika. Und es gibt viele Tricks, die Abschiebung auch noch zu umgehen.

Neue Probleme durch Zentralafrika

2018 konnte die Ausländerbehörde im Mescheder Kreishaus 115 Abschiebungen durchführen (aus allen Kommunen, außer Arnsberg mit eigener Ausländerbehörde), nach 139 im Jahr 2017.

Abgelehnte Asylbewerber steigen hier bei einer landesweiten Sammelabschiebung in ein Flugzeug.
Abgelehnte Asylbewerber steigen hier bei einer landesweiten Sammelabschiebung in ein Flugzeug. © Daniel Maurer

Die Zahl ist rückläufig, weil die Arbeit zu jedem einzelnen Fall komplizierter geworden ist. „Es mangelt vor allem an Passersatzpapieren“, sagt Kreissprecher Martin Reuther auf Anfrage: „Es ist leichter, illegal nach Deutschland einzureisen, als legal wieder auszureisen.“

Zuletzt machten landesweit Probleme mit Nordafrikanern Schlagzeilen, die wegen fehlender Papiere nicht abgeschoben werden konnten. Inzwischen wirken sich Rückführungsabkommen des Bundes mit Staaten wie Marokko und Tunesien aus: „Ein kleiner Teil der Betroffenen konnte zurückgeführt werden“, so Reuther. Und der andere Teil? Untergetaucht, so die Erfahrung der Ausländerbehörde: „Da hört man jahrelang nichts von.“ Vermutet werden sie in der Anonymität der Ballungsgebiete.

Zur Mitwirkung eigentlich verpflichtet

Nordafrika ist dadurch in der Rangfolge der Problemregionen bei Abschiebungen von Zentralafrika abgelöst worden – beispielsweise durch Staaten wie Ghana, Nigeria oder Guinea. Krieg herrscht dort nicht, die Anerkennungsquote als Asylbewerber aus dieser Region ist gering. Es sind Wirtschaftsflüchtlinge, zumeist junge Männer, die in ihrer Heimat keine Arbeit finden, so die Erfahrung im Kreishaus.

Schwierig ist es, überhaupt ihre Nationalität zu ermitteln und zu überprüfen: Dafür dienen auch Sprachgutachten, die die Ausländerbehörde anfertigen lassen muss, und intensive Befragungen. „Es ist ein massiver Aufwand“, so Martin Reuther. Jeder Asylbewerber ist dazu verpflichtet, dabei zu helfen. Er müsste sich sogar aktiv darum bemühen, Urkunden, Zeugnisse oder Zertifikate aus seinem Heimatland zu besorgen, die seine Angaben bestätigen können – „das sind aber Ringeltauben, wenn wir solche Unterlagen tatsächlich erhalten“.

Große Hürde: Fehlende Papiere

Selbst wenn eine Nationalität ermittelt ist, gilt aber: Ohne Papiere keine Abschiebung. Um diese Papiere zu erlangen, müssen die abgelehnten Asylbewerber bei ihren Botschaften vorgeführt werden. Die dafür anberaumten Termine dort sind jedoch selten, häufig verschieben sie sich. Im Fall der Elfenbeinküste finden die Vorführungstermine nur alle neun Monate statt. So kann es zu Verzögerungen von mehreren Jahren kommen. Bei einem Ghanaer bestand der Botschafter aktuell sogar auf ein Vier-Augen-Gespräch mit seinem Landsmann.

Stehen Wahlen in einem zentralafrikanischen Land an, dann wird es aus Erfahrung der Ausländerbehörde noch schwieriger, Papiere zu besorgen: Denn Asylbewerber sind Devisenbringer – diese Einnahmequelle aus dem Ausland soll erhalten bleiben. Aktuell ist es besonders schwierig, Papiere aus Guinea zu erhalten. Iran und Libanon beispielsweise nehmen nur Menschen wieder auf, die freiwillig zurückkehren wollen. Bei der Rückführung in die Türkei gibt es öfter Probleme bei straffällig gewordenen Staatsangehörigen.

Auffallend: Häufig die gleichen Gutachter

Liegen tatsächlich Papiere vor, ist es dennoch ein langer Weg bis zur Abschiebung. Üblich seien dann ärztliche Atteste, in denen eine Reisefähigkeit bestritten wird, so Martin Reuther. Auffallend sei dabei, dass häufig die gleichen Gutachter gewählt würden, nur die Namen der Patienten würden ausgetauscht: „Häufig sind das Textbausteine, die verwendet werden. Es wird bestritten, dass sie reisefähig sind – aber sie müssen vorher durchaus zur Begutachtung zum Beispiel von Bestwig nach Köln reisen. Für uns ist das seltsam.“

Die Ausländerbehörde muss dann wiederum Gegengutachten in Auftrag geben. Zumal: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, das über die Asylanträge entscheidet, macht seinerseits auch schon Gesundheitsprüfungen.

Flugsicherheit geht vor

Wurde im Vorfeld einer Abschiebung ein ärztliches Gutachten eingereicht, dann schickt der HSK nach vorheriger oder tagesaktueller Prüfung vorsorglich auch einen Arzt mit, der die Mitarbeiter der Ausländerbehörde zum Flughafen begleitet – dadurch allein entstehen Kosten von mindestens 600 Euro zusätzlich.

Am Flughafen geht die Zuständigkeit für die Abzuschiebenden an die Bundespolizei über: Die Flugtermine für Sammelcharter kursieren in der Szene, genauso wie Tipps, wie eine Abschiebung verhindert werden kann. Wird zum Beispiel am Flughafen randaliert, dann kann ein Rückflug immer noch vermieden werden – die Flugsicherheit geht vor. Dann wird der Abzuschiebende zurückgebracht. Und alles beginnt neu.

Viel weniger freiwillige Ausreisen

Deutlich zurückgegangen ist im HSK die Anzahl an freiwilligen Ausreisen. Dabei erhalten Menschen, die abgeschoben werden müssten, noch finanzielle Prämien, damit es eben nicht zu der aufwändigen Abschiebung kommt. Im HSK sank ihre Zahl 2018 auf 64. 2017 lag sie bei 174, 2016 sogar bei 403: Die hohen Zahlen in diesen beiden Jahren erklärt sich durch Menschen aus Balkan-Staaten, die diese Angebote für sich nutzten.

>>>HINTERGRUND<<<

Bei Abschiebungen schlägt den Mitarbeitern der Ausländerbehörde nach ihren Angaben mehr Aggressionspotenzial entgegen. „Die Leute rasten aus“, berichtet ein Mitarbeiter. Häufig würden Messer gefunden.

Respektlosigkeiten und Beleidigungen hätten zugenommen – auch unterschwellige wie, „wir wissen, wo deine Familie wohnt“.

Durch die Ausländerbehörde werden Strafanzeigen erstattet: 68 in 2018, 2017 69, 2016 46, 2015 58. Dies umfasst Beleidigungen, aber auch fehlende Mitwirkung im Asylverfahren.

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