Werpe. . Karina Heßmann aus Schmallenberg hat kreisrunden Haarausfall - in nur drei Tagen fallen alle ihre Haare aus. Wie sie gelernt hat, damit umzugehen

Als Karina Heßmann morgens aufwacht, liegt ein großes Büschel Haare auf ihrem Kissen. Innerhalb von drei Tagen fallen ihr alle Haare aus, nach und nach auch die Augenbrauen und die Wimpern.

„Das war ganz schlimm“, erinnert sich die 31-Jährige zurück. Sie geht sofort zum Arzt. Dann die Schockdiagnose: kreisrunder Haarausfall. Seit rund vier Jahren hat Karina Heßmann jetzt eine Glatze.

„Ich schäme mich nicht mehr, ich will mich auch nicht mehr verstecken. Mein Motto ist: Mütze ab, Perücke ab - und Glatze zeigen“, sagt sie und lacht. Aber das war nicht immer so, die Werperin litt enorm unter dem Verlust ihrer Haare, fühlte sich unwohl, schämte sich.

Mut und Halt gaben ihr andere Betroffene, ihre Familie und ihre Freunde. „Ich hoffe, ich kann mit meiner Geschichte auch anderen helfen“, sagt sie jetzt. Denn hinter ihr liegt ein Auf und Ab an Gefühlen, Erfahrungen und gescheiterten Therapien.

Cortison-Spritzen und Lotionen für die Kopfhaut

Vor vier Jahren erkrankte Karina Heßmann an kreisrundem Haarausfall. Die Krankheit kann verschiedene Verläufe haben, „es können auch nur einige Stellen am Kopf betroffen sein“, erklärt Heßmann.

„Das nennt sich dann Alopecia Areata.“ Bei der 31-Jährigen ist es schlimmer. Ihr fallen alle Haare aus - „Alopecia Totalis“ genannt.

Der Arzt verschreibt ihr eine Lotion für die Kopfhaut. Es bringt nichts. „Daraufhin habe ich Cortison-Spritzen in den Kopf bekommen. Als auch die Behandlung nicht anschlug, gab es eigentlich keine Möglichkeit mehr“, erklärt sie.

Bei einigen kämen die Haare wieder - „eine Spontanheilung. Sowas gibt es“, sagt die Werperin. Sie weiß es von anderen Betroffenen, die sie kennengelernt hat. Bei Karina Heßmann ist diese Spontanheilung aber unwahrscheinlich.

Versteckspiel mit Perücke und Mützen

Sie versteckt ihre Glatze zuerst unter einer Perücke, die sie bei einem Mescheder Friseur gekauft hat - „aber weil meine Krankenkasse nicht so viel Geld dazugegeben hat, war nur eine Perücke mit Kunsthaar möglich. Die hat gekratzt und gejuckt wie verrückt“, sagt die Werperin. Also steigt sie um auf Hüte, Mützen oder Turbane.

„Meine beste Freundin hat mich extrem unterstützt und mir immer geholfen. Gemeinsam haben wir ausprobiert, wie man am besten einen Turban bindet, oder welche Mützen mir stehen“, sagt sie und lächelt.

Das größte Problem sind für sie die fehlenden Wimpern: „Ständig fliegt mir etwas ins Auge. Ich trage deswegen oft Sonnenbrillen“, erklärt sie. Sie meldet sich auch in einer Facebook-Gruppe an. Dort tauscht sie sich mit vielen anderen Erkrankten aus. „Eine Erleichterung“, sagt Karina Heßmann heute. Für sie war das der Wendepunkt.

Austausch mit Betroffenen ermutigt sie

„Die Reaktionen der Leute sind immer ganz unterschiedlich. Viele gucken mitleidig, es wird getuschelt und viele denken, dass man vielleicht eine Chemotherapie gemacht hat“, sagt sie.

Der Austausch mit anderen Betroffenen machte ihr Mut. „Ich habe in den sozialen Medien viele Tipps von anderen bekommen und wurde verstanden“, erklärt sie. Es ermutigt sie auch, sich nicht mehr zu verstecken.

„Ich habe mich danach ganz offen mit Glatze gezeigt“, so Heßmann. Sie macht ihre Geschichte öffentlich - mit anderen Betroffenen zeigt sie sich in einem öffentlichen Video, schreibt darüber auf ihrer Facebook-Seite. Auch, damit das Getuschel auf der Straße aufhört, wenn sie vorbeigeht. „Denn viele kennen diese Krankheit überhaupt nicht. Das Bewusstsein dafür fehlt noch“, sagt Karina Heßmann.

Mit der Krankheit nicht alleine

Mittlerweile hat sie eine eigene Gruppe gegründet - „in allen anderen war mir zu viel Werbung für angebliche Hilfsmittel“, erklärt sie. „In meiner Gruppe sind mittlerweile 1000 Mitglieder, sie ist privat. Und Leute, die Werbung machen wollen, kommen gar nicht rein.“

Sie will den Betroffenen in der Gruppe die Hilfe ermöglichen, die sie selbst über das Internet bekam: Austausch.

„Denn das Wichtigste ist eigentlich zu wissen, dass man mit der Krankheit nicht alleine ist und sich auch nicht dafür schämen muss. Am Anfang ist es ziemlich schlimm, aber mit der Zeit wird es besser“, betont Karina Heßmann.

Aber tief im Innern verliere man nie die Hoffnung, dass die Haare eines Tages doch wieder wachsen. „Aber bis dahin mache ich mir keinen Stress mehr. Ich kann nur abwarten - und glücklich sein.“

>>>> INFO: Bei Krankheit wachsen die Haare manchmal wieder

Neben Alopecia Totalis und Alopecia Areata gibt es auch noch diese Formen von kreisrundem Haarausfall: Alopecia Ophiasis - dort fehlen Haare kranzartig im Ohren- und Nacken­bereich. Augenbrauen und sonstige Körper­behaarung sind vorhanden. Und es gibt Alopecia Uni­ver­salis - dort fällt neben der Kopfbehaarun, mit Augen­brauen, Wim­pern und Nasenhaaren, auch die Körperbe­haarung aus.

Bei der Krankheit sieht der Körper die Haare als Fremdkörper an - und stößt sie ab. „Manchmal wachsen aber wieder Haare, wenn man krank ist“, so Karina Heßmann. „Als ich lange die Grippe hatte, kamen meine Haare zurück. Nach der Genesung fielen sie leider sofort wieder aus.“ Laut Heßmann sind nicht nur Frauen betroffen: „Es gibt auch viele erkrankte Kinder oder Männer.“

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