Meschede. . Vikar Jakob Jan Küchler erzählt über die Auswirkungen der Negativschlagzeilen der katholischen Kirche und seine Arbeit als Priester in Meschede.
Was treibt einen jungen Menschen in Zeiten, in denen die Kirche als angestaubte und unbewegliche Institution angesehen wird, ins katholische Priesteramt? Vikar Jakob Jan Küchler ist seit 2017 – zu diesem Zeitpunkt war er 27 Jahre alt – Priester in Meschede.
Im Interview spricht er über seinen Weg in die Kirche, seinen Umgang mit den Negativschlagzeilen und darüber, ob er jemals an seiner Entscheidung gezweifelt hat.
Wie sind Sie zur Kirche gekommen?
Jakob Jan Küchler: Ich komme aus einer katholischen Durchschnittsfamilie, ich war Messdiener. Zwischenzeitlich wollte ich als Jugendlicher damit aufhören und rief deshalb meinen Heimatpfarrer – er war ein echter Westfale – an.
Ich hatte gehofft, dass der Anrufbeantworter dran geht, aber nach langem Klingeln ging er dann doch selbst dran. Auf mein Geständnis, dass ich als Messdiener aufhören will, antwortete er nur mit den Worten: „Lass den Quatsch“ und legte auf. Damit war mein Widerstand gebrochen und ich blieb (lacht).
Aber nicht jeder Messdiener wird automatisch Priester. Was hat Sie dazu bewogen, Ihr Leben der Kirche zu widmen?
Mit der Berufung in der Kirche ist das ein bisschen wie verliebt sein. Andere merken es vor einem selbst. Ich bin in der Zeit, in der ich mich entscheiden musste, was ich beruflich machen will, mit einer Jugendgruppe nach Taizé in Frankreich gefahren – dort hat mich das Gebet gepackt.
Ich bin auch weiterhin regelmäßig zur Kirche gegangen und ich fragte mich, wie ich meinen Glauben leben will – ob als Familienvater oder ob ich mich Gott ganz schenken will. Mein bester Freund sagte dann in einem Gespräch ganz überzeugt zu mir: „Du wirst ganz klar Priester“.
Wie ist diese Entscheidung in Ihnen gereift?
Das ist ein bisschen wie eine Freundschaft. Erst ist man sich sympathisch, man trifft sich und lernt sich näher kennen. Das wuchs in mir wie ein Baum aus einem Keim. Nach meinem Abitur begann ich dann das Studium der Theologie in Paderborn und Paris.
Wie hat Ihr Umfeld, also Familie, Freunde und Altersgenossen, darauf reagiert?
Meine Mutter hat erstmal geheult. Nicht vor Freude, sie war völlig durch den Wind. Aber mittlerweile hat sie sich mit der Entscheidung versöhnt. Ich komme aus dem Ruhrgebiet, das ist vergleichsweise postmodern.
Ich erinnere mich an eine Mitschülerin, die mit einer anderen Mitschülerin zusammen war. Und die sagte zu mir: „Ich find das toll, du machst dein Ding.“ Eigentlich fanden es alle ganz gut – sie standen der Tatsache entweder positiv oder indifferent gegenüber.
Sie sind ein junger Mensch im Kirchenamt, gleichzeitig steht die katholische Kirche gerade in keinem guten Licht da – Missbrauchsskandal, immer weniger Priester, schrumpfende Gemeinden. Wie gehen Sie damit um?
Ich versuche, Priester zu sein und meinen Teil dazu zu leisten, dass das Reich Gottes weiter wächst. Ich glaube, die Kirche hat Zukunft.
Haben Sie ein verändertes Verhalten Ihrer Gemeinde im Zuge des Missbrauchsskandals bemerkt?
Nein. Ich denke, es wäre anders gewesen, wenn es hier einen solchen Fall gegeben hätte, denn man erbt ja das Misstrauen, das dem Vorgänger entgegen gebracht wird.
Aber es käme Selbstmitleid gleich, wenn die Kirche darüber reden würde, was der Skandal für sie selbst ausgelöst hat. Das Gebot der Stunde ist, sich um die Opfer zu kümmern und dafür zu sorgen, dass so etwas nicht mehr passieren kann.
Sie sind ein sehr junger Priester. Wie hat die Gemeinde reagiert, als Sie hier 2017 Ihre Arbeit aufnahmen?
Aufgrund meines Alters war ich in der Wahrnehmung Einiger zunächst eher Praktikant als Vikar. Insgesamt erlebe ich die Menschen hier aber als aufgeschlossen. Jeder Priester arbeitet anders, daran muss sich eine Gemeinde erst einmal gewöhnen. Ich singe etwas mehr als andere, ich predige frei – das ist einfach eine Gewohnheitssache.
Haben Sie jemals an Ihrer Entscheidung, Priester zu werden, gezweifelt oder sich gefragt, ob Sie etwas anders hätten machen können?
Ich habe mich immer sehr frei gefühlt, es gab keinen Moment, in dem ich gedacht habe, dass ich das tun muss. Ich habe nie eine große Krise gehabt.
Was bedeutet Ihnen bei Ihrer Arbeit am meisten?
Die Feier der heiligen Messe ist natürlich der Dreh- und Angelpunkt. Aber es ist auch der Kontakt, den man zu den Menschen hat und das Vertrauen, das man spürt.
Sie sind auch in der Jugendarbeit aktiv. Wie erleben Sie den Umgang der Jugendlichen mit der Kirche?
Manchmal gehe ich mit einigen von ihnen spazieren, oder wir treffen uns auf einen Döner. Ich finde das mutig, wenn ein junger Mensch mit einem Priester durch die Stadt spaziert. Da sind ja auch Klassenkameraden, die das sehen könnten (lacht). Wir haben auch einen Jugendtreff eingerichtet, bei dem wir uns zweimal im Monat treffen.
Dann kochen wir zusammen, unterhalten uns und ich halte eine kurze Predigt zu einem aktuellen Thema. Es waren schon einmal 20 Jugendliche dabei. Bisher waren sie ganz zufrieden mit diesem Angebot. Wichtig ist mir, dass es unverbindlich ist, damit sie keinen Zwang oder Druck verspüren, sich zu beteiligen.