Vor sechs Jahren wird bei Leonie Kampmann Diabetes diagnostiziert. Die 15-Jährige regelt vieles selbst - auch dank Insulin-Pumpe und Hündin Candy
Trotz Spekulatius, Spritzgebäck und Anisplätzchen ist der Advent für mich eine ganz normale Zeit. Ich esse, was ich mag. Die meisten Leute wundern sich, wenn sie das hören und gleichzeitig wissen, dass ich an Diabetes erkrankt bin.
Das war vor sechs Jahren, im September 2012 – ich war in der vierten Klasse, als die Krankheit diagnostiziert wurde. Seit einem halben Jahr hatte ich ständig Durst, zum Schluss habe ich vier Liter am Tag getrunken und nur noch 31 Kilogramm gewogen.
Diagnose durch einen Zufall
Herausgekommen ist es aber letztlich durch einen Zufall. Ich hatte einen Ausschlag, und wir wollten uns eigentlich eine Creme verschreiben lassen. Da der ärztliche Kindernotdienst geschlossen hatte, sind wir in der Notaufnahme der Hüstener Kinderklinik gelandet. Die wollten mich erst gar nicht behandeln, weil ich ja kein Notfall sei. Erst als wir erklärten, dass ich so viel trinke, wurden sie aufmerksam. Der Test ergab dann einen Blutzuckerwert von 708 Milligramm/Deziliter - normal wäre 80-120 mg/dl. Eigentlich hätte ich da schon bewusstlos sein müssen. Dann war ich plötzlich doch ein Notfall, erhielt Kochsalzlösung und blieb zwei Wochen im Krankenhaus. Dort wurden meine Blutzuckerwerte unter Belastung und im Ruhezustand ermittelt und ich wurde „eingestellt“. Dazu kam zum ersten Mal eine Ernährungsberaterin. Die rufen wir bis heute an, wenn wir Fragen haben.
Ich habe damals gar nicht richtig verstanden, was Diabetes bedeutet. Eigentlich fand ich die Zeit im Krankenhaus voll cool und irgendwie auch interessant. Mein Opa hatte Zucker und ich wusste, dass er sich regelmäßig in den Finger stechen muss.
Lego-Advents-Kalender
Gleich die erste Insulin-Spritze habe ich mir selbst gegeben, weil ich nicht wollte, dass das jemand anders macht. Der Advent 2012 lief dann relativ normal. Ich hatte einen Lego-Advents-Kalender ohne Süßigkeiten und habe viel Sport gemacht. 13 Mal am Tag musste mein Blutzucker gemessen werden. Das war vor allem für meine Eltern anstrengend, denn das lief alle zwei Stunden bis nachts um drei Uhr. Ich merkte nur, dass meine Fingerkuppen immer unempfindlicher wurden.
Border Collie als Diabetiker-Warnhund
2014 kam dann Candy zu uns. Sie ist ein Border Collie und als Diabetiker-Warnhund ausgebildet. Sinkt mein Blutzuckerspiegel in gefährliche Tiefen oder falls ich bereits bewusstlos bin, holt sie Hilfe oder tritt auf eine Warnglocke in meinem Zimmer. Schon als Welpe fand sie als einziges Tier im Wurf die Zuckerproben spannend.
Seit 2015 habe ich eine Insulin-Pumpe und den dazugehörigen Sensor im Oberarm. Jetzt muss ich mich nur noch zweimal pro Tag pieksen. Aber selbst jetzt hat Candy noch meinen Vater aus dem Wohnzimmer geholt, als der Zuckerwert unter eine kritische Marke gerutscht war. Da hatte die Pumpe aber die Weitergabe des Insulins schon eingestellt.
Diabetes kann man durch die Insulingabe gut kontrollieren. Aber mittlerweile ist mir auch klar, dass ich für meine Gesundheit selbst mitverantwortlich bin. Denn wenn ich auf Dauer zu viel Insulin brauche, leidet der Körper. Durch Sport, gesunde Ernährung, vor allem wenig Kohlenhydrate, wenig Weißmehl und viel Gemüse, kann ich das selbst steuern. Blöd sind Bemerkungen, wie dass ich Diabetes hätte, weil ich vor der Diagnose zu viel Süßes gegessen hätte. Das ist nämlich völliger Quatsch.
Die Gefahren der Krankheit
Wenn ich unterzuckert bin, zum Beispiel zu wenig esse, bekomme ich weiche Knie und kann mich nicht mehr konzentrieren. Mit Traubenzucker kann man da gegensteuern, aber ich bin auch trotz Traubenzucker bereits bewusstlos gewesen. Unterzucker ist akut deutlich gefährlicher als überzuckert zu sein. Dauerhaft schädigt man aber auch durch hohe Zuckerwerte die Gefäße und kann erblinden.
Aber jetzt ist Advent - natürlich esse ich auch Plätzchen und Schokolade. In meinem Adventskalender ist welche. Aber die gibt es nur bis zum Nachmittag, sonst schießt mir der Blutzuckerwert am Abend zu sehr nach oben. Jeder reagiert da anders. Das Einzige, was gar nicht geht, sind spezielle Diabetiker-Sachen. Die schmecken nur furchtbar.
Verantwortung selbst übernehmen
Ich denke, mit 15 kann ich einen Großteil der Verantwortung selbst übernehmen. Meine Eltern haben es natürlich gern, wenn ich mich regelmäßig melde und per WhatsApp schreibe, dass es mir gut geht. Ein bisschen Kontroll-Wahn steckt da schon hinter. Vertrauen müssen meine Eltern genauso haben wie andere. Vielleicht ein bisschen mehr.
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