Meschede. Annegret Reimann-Maas ist froh, dass der Winziger Platz wieder belebt ist. Sie verbindet mit der Geschichte auch eigene, leidvolle Erfahrungen.

Alle Einzelhändler beobachten genau, was sich am Henne-Ruhr-Markt tut. Doch eine Meschederin ist besonders aufmerksam: Annegret Reimann-Maas hat eine besondere Beziehung zum Kaufhaus am Winziger Platz: Sie erlebte als Abteilungsleiterin bei Karstadt und Hertie alle Höhen und Tiefen seit der Eröffnung im Jahr 1983 und machte sich nach der Schließung des Kaufhauses mit Wolle und Kurzwaren am Von-Stephan-Platz selbstständig.

Was denken Sie, wenn Sie jetzt sehen, es gibt tatsächlich einen Neustart am Winziger Platz?

Annegret Reimann-Maas: Ich find’s toll. Wenn man jetzt mal ein paar Tage nicht in der Stadt war, sieht man ja auch gleich, wie es vorangeht. Das freut mich wirklich. Auch wenn ich mich die jüngsten Nachrichten zum Baustopp auch immer wieder traurig gemacht haben, habe ich nie daran gezweifelt, dass das was wird. Das war bei dem vorherigen Investor anders. Axel Funke hat sich schon früh auch für die Baupläne interessiert, die mein verstorbener Mann aufbewahrt hatte. Da hatte ich von Anfang an ein gutes Gefühl.

Als Einzelhändlerin merken Sie schon eine Veränderung?

Ich habe schon gestaunt, welche Anziehung Drogeriemarkt Müller und der Schuhpark haben.Vor allem nachmittags ist deutlich mehr Laufkundschaft in der Stadt. Und seit der Teil-Eröffnung am 15. November habe ich hier Menschen gesehen, die offenbar Jahre nicht in der Stadt waren. Das ist genau das, was zuletzt gefehlt hat.

Wie gefällt Ihnen das Gebäude?

Das ist schon sehr groß und wuchtig, eine echte Macht. Karstadt hatte ja schon 5000 Quadratmeter Verkaufsfläche jetzt sind es 9500. Aber ich finde es nicht störend, es passt sich gut ein. Und wenn erst mal die Bauelemente und die Container weg sind, sieht das gleich ganz anders aus. Ich bin wirklich froh, dass dort wieder etwas los ist. Der Anblick des leerstehenden Gebäudes hat mich immer nur frustriert.

Was erhoffen Sie sich?

Eine Erfrischung für den Einzelhandel. Wir Geschäfte in der Innenstadt können von Anbietern wie H&M, Müller oder Kult uns auch einiges abgucken, beispielsweise in der Präsentation von Waren oder der Schaufenster-Gestaltung. Das belebt und modernisiert auch unsere Geschäfte. Und ich hoffe natürlich, dass wir Kunden zurückgewinnen, die wir in den vergangenen Jahren an Lippstadt oder Neheim verloren haben. Ich persönlich bin auch gespannt darauf, Kunden zu bedienen, die für mich ganz neu sind. Und privat freue ich mich auch, dass ich für Konzerte und Theatervorstellungen - vor allem im Winter - wieder die Stadthalle nutzen kann.

Müller verkauft auch Kurzwaren. Machen Sie keine Sorgen, dass die Konkurrenz zu mächtig wird?

Ehrlich gesagt, nein. Meinen Kunden ist die Beratung wichtig. Die alte Dame, die bei mir einkauft, will wissen, ob das Gummiband die richtige Breite hat. Gerade erst stand ein Kunde bei mir im Laden und meinte, er habe sich jetzt mal bei der Konkurrenz umgesehen. „Und?“, fragte ich. „Und jetzt kaufe ich bei Ihnen“, sagt er. „Denn Sie packen es mir dann ja auch als Geschenk ein.“ Service und persönliche Beratung sind die Stärken des kleinen Einzelhandel. Ich sehe keine Konkurrenz, nur Belebung.

>>>HINTERGRUND

Annegret Reimann Maas machte nach ihrem Abitur in Gelsenkirchen ihre Ausbildung bei Karstadt. Sie wechselte von Gelsenkirchen-Buer über Marl, Darmstadt und Iserlohn 1983 in das damals neu eröffnete Karstadt­haus nach Meschede.

Hier war sie als Abteilungsleiterin für Schuhe, Lederwaren sowie Damen, Herren- und Kinderbekleidung zuständig und hatte damit auch Personalverantwortung.

Als der Karstadt-Nachfolger Hertie 2009 schloss, kam für sie ein Ortswechsel nicht mehr in Betracht. Die damals 55-Jährige hatte in der Zwischenzeit geheiratet und ein Haus gekauft. „Die Schließung von Hertie hat mich viel Kraft gekostet“, sagt sie im Rückblick.

Die holte sie sich zurück, als sie 2010 ihr eigenes Geschäft eröffnete mit Handtüchern, Bettwäsche und Kurzwaren, Waren, die durch die Hertie-Schließung in der Innenstadt fehlten. Mittlerweile hat die 64-Jährige ihre Arbeitszeiten stark reduziert, „aber ein paar Jahre möchte ich noch arbeiten.“

Das Karstadthaus zeichnete sich durch eine große Verbundenheit unter den Angestellten aus. Bis heute halten einige Karstadt/Hertie-Mitarbeiter Kontakt, weiß Annegret Reimann-Maas: „Die Lebensmittelabteilung beispielsweise wurde 1989 geschlossen, deren Mitarbeiter treffen sich bis heute alle sechs Wochen.“

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