Meschede. . Neue Filialen und Boutiquen: Stephan Britten von der IHK Arnsberg erklärt, welche Effekte der Henne-Ruhr-Markt auf die Innenstadt haben wird.
3379 Tage, mehr als neun Jahre, vom 15. August 2009 bis zum 15. November 2018 stand das alte Kaufhaus leer. Über keine Immobilie in der Innenstadt wurde so oft gesprochen und geschrieben wie über den ehemaligen Karstadt am Winziger Platz. Nun herrscht dort wieder Leben.
Umfrage „Vitale Innenstädte“: Ergebnisse Anfang 2019
Meschede beteiligt sich an der Umfrage „Vitale Innenstädte“, die das Kölner Institut für Handelsforschung regelmäßig in deutschen Groß- und Kleinstädten durchführt.
Alle fünf Jahre werden Passanten zu Kaufverhalten und Wünschen befragt. Die erste Umfrage fand 2014 statt. Aus dieser Erhebung stammen auch die Zahlen in der Grafik (oben). Die Ergebnisse für die aktuelle Umfrage erwartet die IHK Anfang 2019.
Die Umfrage zeigte, dass Meschedes Einzugsbereich von Warstein bis nach Lennestadt und Winterberg reicht.
Auch in den umliegenden Kommunen gibt es leerstehende Einkaufskomplexe: Lippe-Center in Lippstadt, Klostergalerie in Soest und das Brücken-Center in Arnsberg. Letzteres wird gerade umgebaut.
Aufbruch nun?
Folgt nun der Aufbruch? Von Stephan Britten, Handelsreferent der IHK Arnsberg, gibt es ein klares Ja. „In Südwestfalen gibt es derzeit kein Projekt mit größerer Strahlkraft.“ Weder in Neheim, noch in Soest oder Lippstadt. Hinzukomme noch die Öffnung der Henne und der Umbau in der Ruhrstraße und am Kaiser-Otto-Platz. „Das steigert die Attraktivität und die Verweildauer“, sagt der Einzelhandelsexperte der IHK.
Auch in den verwaisten Ladenlokalen werde sich etwas tun, prognostiziert er. Ein Beispiel hierfür ist die Eröffnung vom Wäschehaus Hunkemöller in der Ruhrstraße. „Es war lange Zeit unklar, was in Meschede geschieht. So lässt sich eine gewisse Zurückhaltung erklären.“ Ähnlich sei es in Werl, wo die Frage rund um das Factory-Outlet-Center die Gerichte beschäftigt. Jüngst hatte das Oberverwaltungsgericht Münster Werl eine Absage erteilt.
Filialen ok?
Müller, H&M, Kult, Schuhpark – in den Henne-Ruhr-Markt ziehen große Handelsketten. Wird die Innenstadt dadurch nicht austauschbarer? Schließlich lag laut IHK die Filialisierungsquote 2016 bereits bei 68 Prozent. 2010 lag dieser Wert noch bei 38 Prozent. Das bedeutet, der Anteil der inhabergeführten Läden sinkt.
„Es ist immer ein schmaler Grat. Optimal ist ein Mix aus beidem: Ketten und kleine Boutiquen.“ Allerdings, so Britten, ziehe zum Beispiel auch H&M oder Kult viele junge Kunden in die Innenstadt. „Die Kunden wünschen sich meist individuelle Geschäfte, das tatsächliche Kaufverhalten sieht dann aber anders aus.“
Konkurrenz belebt
Das Angebot im Drogeriemarkt Müller und im DM an der Ruhrbrücke überschneidet sich. „Das muss ein Markt wie DM aushalten können“, findet Britten. Die beiden Geschäfte lägen auch in Neheim nah beieinander. Als erste Reaktion hat DM die Öffnungszeiten verlängert.
Wie Müller hat DM nun beispielsweise samstags bis 19 Uhr geöffnet. Vorher: 16 Uhr. Auch für die Einzelhändler sieht Stephan Britten einen Gewinn: „Jeder Kunde, den der Henne-Ruhr-Markt anlockt, ist schon einmal in der Stadt. Er muss dann nur noch den Weg in die umliegenden Geschäfte finden.“
Das wünschen sich die Mescheder. Foto: Manuela Nossutta / Grafik Chancen nutzen
Dortmund, Hagen, Siegen – die Oberzentren liegen weit weg. Deshalb sieht Britten gute Chancen für den Handel. „Gerade Müller wird interessant. Das Sortiment gleicht einem kleinen Warenhaus.“ Nachdem Spielwaren König und Schreibwaren Meyer geschlossen haben, gibt es – neben dem Copyshop Yazar – wieder Schreib- und Spielwaren. Auch für den Arbeitsmarkt sei das Center ein Gewinn. Kult, Müller und das Fitness-Studio haben Stellen ausgeschrieben.
Lethargie ade
Die lethargische Stimmung rund um den Karstadt-Komplex ist vorbei. Wie sehr die Mescheder an ihrem Kaufhaus hingen, beschrieb der Journalist Thomas Pletzinger 2016 für Die Zeit: „Der alte Hertie liegt am Ufer wie ein letzter Rest der alten Bundesrepublik, roh und selbstgewiss und von der Zeit verwaschen. Eine Kaufmaschine für die Region, gebaut 1980, als Karstadt damals noch (...) Wie gerne man in den ersten Jahren hierher gekommen sei, erzählen sie, eine Art Feiertag sei das gewesen.
„Wir sind morgens mit dem Bus hingefahren und immer ein paar Stunden geblieben. Das war unser Samstag.“ Ob der Henne-Ruhr-Markt ähnlich identitätsstiftend wird, wird sich zeigen.