Nuttlar. Vor 35 Jahren hat der Nuttlarer Stephan Zöllner angefangen, Material zu sammeln. Jetzt hat er ein eigenes Eisenbahnarchiv. Und nicht nur das.

Alte Skizzen von Bahnbrücken und Schienenverläufen, Fahrplanbücher aus vergangenen Zeiten und unzählige Fotos von mittlerweile meist ausrangierten Lokomotiven. In den privaten Archiven der Brüder Martin und Stephan Zöllner befindet sich ein Stück heimische Bahngeschichte.

Vor 35 Jahren haben sie angefangen das Material zu sammeln. „Einfach, weil wir Spaß daran haben“, sagt der 54-jährige Nuttlarer Stephan Zöllner. Aus Spaß wurde dann im Jahr 2002 ein Buch und im Jahr 2009 eine Internetseite, die sich mit der Geschichte der Sauerländer Bahnen beschäftigt.

Beim Entladen geholfen

Die Faszination Eisenbahn begann für beide Brüder schon in frühester Kindheit, berichtet Stephan Zöllner. Aufgewachsen in einem Haus direkt am Bahnhof in Sundern, war die Bahn für beide Jungen damals wie ein Spielplatz. „Wir sind aus der Haustür raus und standen direkt an den Gleisen“, erinnert er sich.

Viele Stunden hätten die Brüder damals am Bahnhof verbracht. „Es gab keinen PC, keine Handys, keine Computerspiele - nach den Hausaufgaben sind wir immer direkt raus zum Bahnhof“, so der 54-Jährige. Am Bahnhof in Sundern - der heute längst nicht mehr in Betrieb ist - fuhr damals ausschließlich Güterverkehr. „Wir haben geholfen, Pakete zu entladen und durften auch mal auf einer Lok mitfahren“, schwelgt Zöllner in Erinnerung. Spätestens da war eigentlich beiden Brüdern klar: „Wir wollen zur Bahn.“

Lehrgang zum Lokführer

Am Ende schlägt dann allerdings nur einer diesen Weg ein. Stephan Zöllner startete im August 1980 eine Ausbildung zum Maschinenschlosser in der Fahrleitungs-Meisterei bei der Deutschen Bundesbahn, damals in Hage-Eckesey.

Im Jahr 1983 folgte dann die Abschlussprüfung. Die Bahn hatte zu diesem Zeitpunkt allerdings keinen Personalbedarf. Stephan Zöllner absolvierte seinen Grundwehrdienst, um Zeit zu überbrücken, dann arbeitete er noch eine Weile als Schlosser in Müschede. Als die Eisenbahn dann wieder Leute brauchte, sah Zöllner seine Chance: Im Jahr 1985 ging er zurück zur Bundesbahn.

Der heute 54-Jährige startete einen Job als Rangierarbeiter. „Ich wollte Lokführer werden, das war damals aber nur Leuten möglich, die bereits bei der Bahn arbeiteten“, erklärt der Nuttlarer.

Stephan Zöllner
Stephan Zöllner © Mareike Maack

Am 1. Juli 1985 konnte er dann mit einem Lehrgang zum Lokführer endlich in seinen Traumberuf starten. 18 Monate dauerte die Ausbildungszeit. Noch heute erinnert sich Stephan Zöllner ganz genau, wann seine Abschlussprüfung war: „Am 23. Dezember 1986 machte ich die Prüfung, an Weihnachten war ich dann Lokführer.“

Anfangs fuhr der Nuttlarer noch mit Begleitung, ab dem 1. März 1987 dann alleine. Wohin seine erste Fahrt alleine ging? „Das kann ich Ihnen ganz genau verraten“, sagt Zöllner und holt eine alte Kiste mit fein säuberlich aufgereihten Lokführerkalendern hervor. „Bei der Bahn wurde damals alles dokumentiert“, so der 54-Jährige. Er blättert in einem der alten Bücher, sein Finger wandert über die alten Zeilen, dann hat er es: „Meine erste Strecke, die ich alleine gefahren bin, führte mich von Hagen nach Oberhausen, mit dem Schnellzug 2328.“

Jede Fahrt säuberlich dokumentiert

Zöllner kann für jeden Tag seiner Karriere bei der Deutschen Bahn nachschauen, wann er wohin mit welcher Lok gefahren ist. „Wir Lokführer hatten immer einen Kalender dabei, wo alles genau eingetragen wurde.“ Stephan Zöllner besitzt noch jeden einzelnen.

12 Jahre war der 54-Jährige bei der Deutschen Bahn in Hagen tätig, ist durch den Ruhrpott gefahren und bis Rheine, Gießen und Köln. 1997 mit Aufteilung in die Deutsche Bahn AG, wechselte Stephan Zöllner nach Bestwig. Seine Strecken führten ihn ab dann quer durch das Sauerland. Von Bestwig aus ging es nach Winterberg, Dortmund, Kassel und Hagen. Bis zum letzen Jahr.

Schreckliche Bilder im Kopf

Heute kann der 54-Jährige seinen einstigen Traumberuf nicht mehr ausüben. Eine Posttraumatische Belastungsstörung, ausgelöst durch vier Suizide und einige Beinahe-Unfälle, zwangen den Nuttlarer seinen Beruf an den Nagel zu hängen. „Ich habe die schrecklichen Bilder einfach nicht mehr aus dem Kopf bekommen, es ging nicht mehr“, sagt er.

Immer wieder beobachtet der ehemalige Lokführer, wie Leute einfach über die Gleise laufen oder im Bahnverkehr unachtsam sind. „Erst vor kurzem wurde hier in der Nähe ein Radfahrer von einem Zug erfasst, weil er Kopfhörer auf den Ohren hatte und so nicht mitbekam, dass sich der Zug näherte“, so der 54-Jährige. Der Radfahrer hatte Glück im Unglück. „Für Lokomotivführer sind solche Situationen aber extrem belastend“, mahnt Stephan Zöllner.

Die Kamera immer dabei

Auch wenn der Nuttlarer seinen Beruf als Lokführer nicht mehr ausüben kann, die Faszination für die Eisenbahn hat er nicht verloren. Fast jeden Tag bastelt er gemeinsam mit seinem Bruder an der eigenen Homepage, zu finden unter www.sauerlandbahnen.de. Dort bekommen Nutzer Informationen zu den verschiedenen Strecken - in Südwestfalen aus den letzten 35 Jahren und auch davor, alle numerisch aufgelistet, Wissenswertes zu heimischen Bahnhöfen, versehen mit historischen Fotos, Karten und viele Fotografien von teils alten Lokomotiven.

Auch dieses Foto stammt aus Zöllners Archiv.
Auch dieses Foto stammt aus Zöllners Archiv. © Privat

„Mein Bruder Martin und ich haben ab dem Jahr 1983 angefangen, Lokomotiven zu fotografieren und sind dafür sogar bis in die Eifel gefahren“, berichtet Stephan Zöllner. Auch heute habe er die Fotokamera noch immer dabei, auch wenn er längst nicht mehr so viel fotografiere wie früher. „Heute sehen die Triebwagen fast alle gleich aus, aber wenn mal Sonderzüge kommen, zücke ich immer noch die Kamera“, so der Nuttlarer.

Gemeinsam mit Bruder Martin ist er gerade dabei, die alten Lok-Fotos, die zum Teil noch mit Mittelformat fotografiert wurden, zu digitalisieren, um sie auf der Homepage stellen können. „Das ist mit großem Aufwand und zum Teil auch mit hohen Kosten verbunden“, sagt Zöllner. Aber den Brüdern macht diese Arbeit Spaß.

Aktualisierung einmal in der Woche

Im Schnitt aktualisieren sie die Homepage einmal in der Woche. „25 Jahre brauchen wir sicher noch, bis alle Fotos und Dokumente, die wir besitzen, aufgearbeitet und online gestellt sind“, sagt Stephan Zöllner und lacht. Vorsichtig faltet der Nuttlarer einen fein säuberlich gezeichneten Plan der alten Eisenbahnbrücke am Hengsteysee in Hagen aus dem Jahr 1927 aus.

Ein Stück Bahngeschichte, das Stephan und Martin Zöllner gemeinsam mit anderen Dokumenten aus dem Archiv der Eisenbahnfreunde Obere Ruhrtalbahn entnommen haben.

Viele dieser Akten, die zum Teil noch in Altdeutscher Schrift verfasst sind, müssen von den Brüdern noch gesichtet werden. Dann wird alles in Text formatiert und für die Homepage vorbereitet. „Dabei müssen wir natürlich aber auch immer den Datenschutz beachten“, betont Stephan Zöllner. Für ihn ist das alles nicht wirklich Arbeit: „Es ist ein Hobby, ich finde das alles sehr interessant“.

Fotos aus der Dampflokzeit vor 1970 gesucht

Stephan und Martin Zöllner suchen noch Fotos aus der Dampflokzeit vor 1970.

Wer Fotos aus dieser Zeit hat und sie den beiden Brüdern für die Homepage zur Verfügung stellen möchte, kann sich unter v164@sauerlandbahnen.de melden.

Im Jahr 2002 haben Martin und Stephan Zöllner gemeinsam mit Heinz Rüschenbaum das Buch „Die Obere Ruhrtalbahn und die Nebenstrecken 1990 bis 2000“ verfasst. Die Brüder lieferten die Geschichte und Heinz Rüschmann, der lange Jahre Dienstleiter bei der Deutschen Bahn in Hohenlimburg war, die geschichtlichen Hintergründe.

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