Grevenstein/Weimar. . Wer sich im Bademantel in der Öffentlichkeit zeigt, ist oft unten angekommen. Bei Thomas Kramer aus Grevenstein war’s der Beginn einer Karriere.
Wer sich im Bademantel in der Öffentlichkeit zeigt, ist meistens ganz unten angekommen. Das Ende des Erfolges. Außer man heißt Udo Jürgens – oder eben Thomas Kramer. Mit einem ausschweifenden Monolog über Hühnerbrühe und Schweinegrippe trat der Grevensteiner vor acht Jahren als Dittsche-Kopie beim Kulturellen Abend des Gymnasiums der Benediktiner auf und entdeckte seine Liebe für die Bühne.
Heute arbeitet er als festangestellter Schauspieler am Weimarer Nationaltheater. Mit einem selbst geschriebenen Stück wird er am Samstag, 10. November, in seinem Heimatort zu sehen sein.
McBeth und Rechtextreme
Für das Telefoninterview hat sich Kramer in der Nachmittagssonne beim Italiener ums Eck niedergelassen. Probenpause. Mit dem Ensemble übt er derzeit das Stück für die kommende Spielzeit, eine Roman-Adaption von Alfred Döblins „November 1918“. Im Mittelpunkt stehen die Soldaten Becher und Maus, die nach ihrer Heimkehr aus dem Krieg in einer neuen Gesellschaft Fuß fassen müssen. In wenigen Worten erzählt Kramer die Handlung des knapp 2000-seitigen Romans. „Für mich ist es ein großes Privileg, dass ich immer wieder mit neuen Themen beschäftigen darf.“ Chinesischen Wanderarbeiter, Klassiker wie Macbeth und nun eben die Oktoberrevolution.
Auch das unterschiedliche Publikum reizt Kramer an seinem Job. Die Spannbreite reicht von gähnenden Schülern, die eher unfreiwillig zu „Nathan, der Weise“ chauffiert wurden, bis hin zu empörten Zuschauern, die im Nachgang diskutieren möchten. Zuletzt geschah dies bei „Michael Kohlhaas“, eine Kleist Novelle, die auf der Bühne von vier Rechtsextremen missbraucht wird. „Theater zeigt, dass die Menschen mehr sind als schwarz und weiß“, sagt Kramer. „Die Kunst des Schauspielers ist es, dass die eigene Haltung, die Distanz, trotzdem erkennbar bleibt. Anders als im Film muss es auf der Bühne nicht möglichst realistisch sein.“
Mentor und Salzburg
Nach dem Abitur lebte Thomas Kramer ein Jahr in Frankreich, ließ sich zum Sprachassistenten ausbilden. Dort belegte er auch die ersten Schauspielkurse und bereitete sich für Vorsprechen an Schauspielschulen vor. An der renommierten Ernst-Busch-Schule in Berlin gelangte er auch gleich in die Endrunde. In der Jury saß ein Professor aus Salzburg, der ihn später kontaktierte und sagte: „Sie passen gut zu uns, kommen Sie nach Salzburg.“ Er bereitete Kramer auf die Prüfung am Mozarteum vor und es klappte. „Ich hätte mir keine bessere Ausbildung vorstellen können.“ Noch vor seinem Abschluss engagierte ihn das Nationaltheater Weimar. Eine große Ehre, die nur wenigen Schauspielern zuteil wird.
Grundschule und Taktgefühl
Im Elternhaus in Grevenstein gab es anfangs den vorsichtigen Hinweis, ob Sohn Thomas nicht zunächst etwas anderes lernen möchte. Mittlerweile sind die Eltern ebenso überzeugt vom Weg des Schauspielers. Dennoch kam es zu dieser denkwürdigen Begegnung mit Kramers ehemaligem Grundschullehrer (Kramer: „Ihm verdanke ich übrigens eine Menge. In der Schule haben wir so viel gesungen, davon profitiere ich heute.“). „Mensch, es ist super, was dein Sohn macht“, sagte Friedhelm Baumhöfer als er Kramers Vater traf. „Das würd’ ich auch sagen, wenn es dein Sohn wäre“, lautete die prompte Antwort.
Humor und Heimatliebe
Dieser Sauerländer Humor prägte auch Thomas Kramer. In seinem Stück „Glaube, Sitte, Heimat“ wird er deutlich zu hören und zu sehen sein. Nicht boshaft, aber charmant. „Ich fand es immer amüsant, dass dieser Spruch in unserer Schützenhalle auf dem Gang zu den Toiletten stand“, erzählt der 28-Jährige. In seinem Stück setzt er sich besonders mit dem Begriff Heimat auseinander. „Ein spannendes Thema in Zeiten, wo es einen Heimatminister gibt, und mit dem Begriff Schindluder von Rechts betrieben wird.“ Für Kramer sind Kultur und Tradition lebendige Begriffe, die sich immer verändern. Verändern müssen. „In Zeiten aussterbender Dörfer, geht es darum, andere einzubinden und nicht Mauer hochzuziehen, um das Bewährte zu verteidigen. Stellen Sie sich eine Welt ohne Veränderung vor! Dann hätte Armin Laschet heute noch das Recht der ersten Nacht.“ Mehr davon gibt es am Samstag in der Grevenstein.
Das Stück: Glaube, Sitte, Heimat ist am Samstag in der Schützenhalle zu sehen
Zu sehen ist Thomas Kramer mit seinem Stück: „Glaube
Sitte Heimat – eine musikalische Kneipenkonferenz“ am Samstag,
10. November, 20 Uhr in der Schützenhalle Grevenstein. (Einlass: 19 Uhr). Begleitet wird er von einer
befreundeten Schauspielerin und Jazzmusikerin Cindy Weinhold.
Karten: 10 Euro; bei der Volksbank Grevenstein, unter info@mein-grevenstein.de oder an der Abendkasse.
Zur Person
- Zur Person:1990 geboren, in Grevenstein aufgewachsen. Abitur 2010, Gymnasium der Benediktiner.
- von 2012 bis 2015 Schauspiel-Studium am Thomas-Bernhard-Institut für Schauspiel und Regie am Mozarteum Salzburg.
- Zur Spielzeit 2015/16 ins feste Ensemble am Weimarer Nationaltheater übernommen.