Ostwig. . Der Gemischte Chor Concordia Ostwig bangt um seine Existenz. Dem Verein droht nach 140 Jahre das Aus. Doch aufgeben will der Vorstand nicht.

Die Zeiten werden nicht leichter für die Concordia Ostwig: Die Mitgliederzahlen sinken, der Altersdurchschnitt steigt. Inzwischen bangt der Gemischte Chor sogar um seine Existenz. Doch aufgeben wollen die Sängerinnen und Sänger so schnell nicht.

Dramatische Situation

„Vor fünf Jahren war die Welt noch halbwegs in Ordnung“, sagt der Vorsitzende Gottfried Heikenfeld. Damals bestand der Chor noch aus 40 aktiven Mitgliedern. Seitdem seien viele Todes- oder Krankheitsfälle zu beklagen gewesen. Inzwischen singen nur noch 25 Mitglieder im Chor. Vor allem an Männern fehlt es.

Wie dramatisch die Situation ist, veranschaulicht Geschäftsführerin Kathrin Scherf: „Wir haben nur noch zwei Tenöre und drei Bässe - wenn einer davon ausfällt, müssen wir den Auftritt absagen“. So wie den beim Chorfest in Gevelinghausen. „Das war zwar nicht weiter tragisch, weil die Veranstaltung am Ende ohnehin ausgefallen ist“, sagt Scherf. Aber gern erteile man eine solche Absage natürlich nicht.

Situation schlägt auf die Stimmung

Die Situation schlage ohnehin schon auf die Stimmung der Mitglieder, ergänzt Heikenfeld. Denn motivierend sei es natürlich nicht, wenn man im Chor singe, regelmäßig zur Probe komme und am Ende keine Auftritte habe. In diesem Jahr etwa haben die Sängerinnen und Sänger noch auf keiner einzigen Bühne gestanden. Das hat es in den vergangenen 140 Jahren noch nie gegeben.

Es fehlt eine komplette Generation

Mit 60 Jahren ist Heikenfeld inzwischen der jüngste Mann im Chor. „Alle anderen sind zwischen 70 und 80“, sagt er. Immerhin seien die Frauen altersmäßig recht bunt gemischt - hier reicht die Spanne von 40 bis 80 Jahren. „Aber im Prinzip fehlt uns eine komplette Generation“, sagt Heikenfeld.

Dabei sei es keineswegs so, dass man nicht alles versucht habe: Die Concordia hat Projektchöre ins Leben gerufen, Flyer verteilt und das Repertoire angepasst - zum Programm gehören längst auch Stücke von Nena, Andreas Bourani, Westernhagen und den Sportfreunden Stiller. „Moderne englische Titel sind schwierig, weil die älteren Generationen die Sprache ja nie gelernt hat“, erklärt Kathrin Scherf. Da hapere es dann an der Aussprache.

Mit dem Latein am Ende

Inzwischen ist der Vorstand mit seinem Latein am Ende. „Wir wissen einfach nicht, was wir noch machen sollen, um neue Mitglieder zu werben“, sagt Scherf. „Vielleicht muss ein Chor ja erst ganz am Ende sein, damit ihm wieder neues Leben eingehaucht wird“, ergänzt Heikenfeld und berichtet von einem Chor in der Region, der ähnliche Probleme hatte wie die Ostwiger. Dort habe der Verein - ohne sich aufzulösen - ein Jahr pausiert. „Dann ging ein Ruck durchs Dorfs und plötzlich erwachte der Chor wieder. Ein solches Szenario wäre auch in Ostwig denkbar.

Im Moment setzt die Concordia aber erst einmal alles daran, wenigstens die Christmette am Heiligen Abend wieder gesanglich begleiten zu können. Dazu will sie einen Projektchor ins Leben rufen. Soll heißen: Der Verein sucht Sangesfreudige, die Lust haben, ihn am Heiligen Abend zu unterstützen - ganz ohne Verpflichtungen und ohne Mitgliedschaft. So soll das Risiko minimiert werden, diesen wichtigen Auftritt kurz vor knapp absagen zu müssen, weil krankheitsbedingt wieder wichtige Stimmen fehlen.

Gestaltung der Christmette in Gefahr

Das Problem: Einen ersten Aufruf hat die Concordia bereits gestartet. Gemeldet hat sich niemand. Diese ernüchternde Resonanz hat den Frust und die Sorge einmal mehr gesteigert. „Bei uns muss keiner vorsingen“, ermuntert Heikenfeld und erneuert den Aufruf noch einmal. Die Teilnahme am Projektchor sei ganz ungezwungen. Und auch Noten müsse man nicht lesen können.

„Viele haben ein falsches Bild“

Das bestätigt Petra Hillebrand mit einem Lächeln. Sie singt seit 2016 bei der Concordia - nach ihrer Teilnahme an einem Projektchor war sie so begeistert, dass sie damals den Mitgliedsantrag unterschrieben hat. „Ich habe mich sofort aufgehoben gefühlt“, schwärmt sie. Inzwischen ist sie engagierte Schriftführerin. Auch sie blickt sorgenvoll in die Zukunft des Vereins.

„Es ist einfach schade, dass keine jungen Menschen nachrücken“, sagt sie und betont: „Leute, die Chören ein angestaubtes Image nachsagen, haben oftmals ein ganz falsches Bild.“ Außerdem halte das Singen fit im Kopf, weil man schließlich immer wieder neue Texte lernen müsse. Und nicht zuletzt sei kaum ein anderes Hobby generationsübergreifender und auch schöner wie der gemeinsame Gesang.

Gefahr größer als je zuvor

Ebenso wie Heikenfeld und Scherf, hofft auch Hillebrand, dass der verzweifelte Hilferuf der Concordia Früchte trägt. Denn im Moment ist die Gefahr größer als je zuvor, dass der Chor nach 140 Jahren für immer verstummt.

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