Winkhausen. . 1992 suchten Gerhard und Dr. Brigitte Kuss einen Bauernhof. Sie fanden den abbruchreifen Schultenhof in Winkhausen - und machten das daraus:

Wenn man den schmucken Hof am Ortsausgang von Winkhausen sieht, kann man sich nicht vorstellen, wie er einmal aussah, wie viel Arbeit Gerhard und Dr. Brigitte Kuss in die Instandsetzung gesteckt haben. „Ich weiß auch nicht, ob ich es noch mal machen wollte“, sagt Gerhard Kuss. „Die Risiken wären mir einfach zu groß.“ Doch das Paar hat es gewagt und damit Schmallenberg um ein Schmuckstück reicher gemacht.

1984 aus der DDR ausgereist

1984 waren Gerhard und Brigitte Kuss, die aus der Gegend von Leipzig stammen, mit ihren zwei kleinen Töchtern aus der DDR ausgereist. Manches blieb zurück - doch nicht die Leidenschaft für Historisches. Und auch manches Sammlerstück fand später seinen Weg in die BRD.

Die alte Herdstelle hat Gerhard Kuss wieder freigelegt.
Die alte Herdstelle hat Gerhard Kuss wieder freigelegt. © Ute Tolksdorf

Auf der Suche nach einer Stelle für die Internistin landete die Familie in Schmallenberg. „Eigentlich wären wir lieber in den Süden gegangen, aber da sagte man uns beim Arbeitsamt, es gebe viel zu viele Ärzte“, erinnert sich Gerhard Kuss. „Da haben wir uns eben selbst gekümmert.“ Die psychosomatische Klinik, heute die Fachklinik Hochsauerland, machte der Oberärztin das beste Angebot und die Familie zog ins Sauerland.

1992 kaufte das Paar - auf der Suche nach einem Bauernhof mit Ausstellungsfläche für ein kleines Museum - den alten Schultenhof von der Stadt Schmallenberg. „Der war damals in einem ruinösen Zustand“, erinnert sich Gerhard Kuss. Der Dachstuhl von Scheune und Eiskeller war komplett eingebrochen, im alten Kuhstall watete der studierte Hochbauingenieur noch durch Mist. „Wir hatten eine Riesenrattenplage.“

Museum als Vorgabe

Aber ein anderer Hof war damals nicht zu bekommen. Und dieser hatte eine Besonderheit: Die Stadt hatte beim Kauf - sie war damals nur an dazugehörigen Grundstücken interessiert - das Versprechen abgeben müssen, dass der Hof für kulturelle, heimatgeschichtliche und touristische Zwecke genutzt wird. „Die waren froh, dass sie zwei Verrückte gefunden hatten.“

Gerhard Kuss in der alten Kutscherkneipe. Er hat sie originalgetreu nachgebildet. Die Wanduhr stammt vom Schmallenberger Uhrmacher. Der alte Ofen aus dem Jahr 1850 heizte früher die Stube  in Winkhausen. 
Gerhard Kuss in der alten Kutscherkneipe. Er hat sie originalgetreu nachgebildet. Die Wanduhr stammt vom Schmallenberger Uhrmacher. Der alte Ofen aus dem Jahr 1850 heizte früher die Stube in Winkhausen.  © Ute Tolksdorf

Als Erstes sanierte Kuss den Eiskeller auf der gegenüberliegenden Straßenseite: „Der war völlig durchnässt, ich hatte Angst, dass er einstürzt.“ Er erinnert sich lebhaft: „Ich stand mit einem Freund im November bei Regen und eisiger Kälte draußen und haben die Schalung angenagelt. Da gehörte uns der Hof noch gar nicht.“

Als nächstes nahm der Ingenieur den vermüllten Stall in Angriff - auch da drohte der Dachstuhl einzustürzen. Dann das Quergebäude, in dem heute eine schmucke Ferienwohnung untergebracht und das Obergeschoss vermietet ist. „Ursprünglich war unten der Schweine- und oben der Hühnerstall“, erzählt Kuss.

Auch ein umfangreiches Museum - hie die alte Tischlerwerkstatt - gehört zu dem Hof.
Auch ein umfangreiches Museum - hie die alte Tischlerwerkstatt - gehört zu dem Hof. © Ute Tolksdorf

Ein Freund vom Denkmalamt des Kreises habe damals gesagt: „Reiß die Bude ab, du wirst nicht froh.“ Doch Kuss blieb dran, baute Kuhstall und Wohnhaus um. „Ich bin einfach vernarrt in Originales.“ Von einem Zimmermann ließ er sich schon 1992 in einen Verbindungsbalken eingravieren „Ümmer Döergoahn“, was auf Platt soviel heiße wie „Augen zu - und durch“.

Unterstützer gefunden

Kuss fand auch Unterstützer, die Denkmalpfleger von Stadt, Kreis und Land waren begeistert von seinem Einsatz. Auch einen Zuschuss der Stiftung Denkmalpflege konnte er gewinnen. Denn schon direkt mit dem Kauf hatte das Paar die gesamte Hofanlage unter Denkmalschutz stellen lassen. Für Gerhard Kuss keine Last, sondern eine Selbstverständlichkeit - „dahinter wäre ich sowieso nicht zurückgegangen.“

Als die Vorbesitzerin, die noch Wohnrecht hatte, 1995 ausgezogen war, nahm er sich das Wohnhaus vor, dass er erst fast komplett entkernte, um den alten Zustand wieder herzustellen.

Die Deele hier hingen die Schweine im Rauch. Für den Boden aus Grauwacke wurde jeder Stein einzeln behauen - der hält aber auch über Jahrhunderte, sagt Brigitte Kuss. 
Die Deele hier hingen die Schweine im Rauch. Für den Boden aus Grauwacke wurde jeder Stein einzeln behauen - der hält aber auch über Jahrhunderte, sagt Brigitte Kuss.  © Ute Tolksdorf

Mittlerweile wohnt das Paar dort „rund um die Deele“, wie Brigitte Kuss erklärt. Unten ist die alte Fuhrmanns-Wirtschaft nach alten Fotos originalgetreu nachgebildet. Von der Bank, auf der früher die Kutscher schliefen, fand sich noch ein Stück Lehne. Das diente als Vorlage für den Neubau.

Im Nebenraum - früher der Pferdestall - ist die alte Feuerstelle wieder offengelegt und eine mittelalterlichen Brunnenanlage. „Wasser im Haus, das zeigt die Bedeutung der Besitzer“, erklärt Brigitte Kuss, immerhin habe es sich um einen reichen Schultenhof gehandelt, der neben viel Land auch Gerichtsbarkeit hatte und direkt an der wichtigen Verbindungsstraße zwischen Köln und Leipzig sowie am Jakobspilgerweg lag.

1996 endlich zog die Familie nach Winkhausen. „Aber restauriert haben wir noch bis vor wenigen Jahren“, erzählt Gerhard Kuss.

Heute führt er für fünf Euro pro Person Besuchergruppen durch sein Museum, das viel verrät über das Leben und Wirken der Menschen in früherer Zeit und über die, die sich mit Leidenschaft der Geschichte widmen.

HINTERGRUND

Ab sofort steht der Denkmalkalender der Regionalgruppe Südwestfalen für das Jahr 2019 wieder als Jahresbegleiter zur Verfügung. Aus Schmallenberg wird im Monat Juli der Schultenhof in Winkhausen präsentiert - eine der ältesten und wertvollsten Hofanlagen im Hochsauerlandkreis. Die erste Urkunde, die die Familie Kuss besitzt, trägt das Datum 1590 und bezieht sich auf die Kapelle. Gerhard Kuss ist aber sicher: Der Hof ist deutlich älter. Er vermutet aus dem 12./13. Jahrhundert. Er freut sich über die Wertschätzung, die der Hof durch die Darstellung im Kalender erhält.

Ein Blick in die mittelalterlche Brunnenanlage. Sie liegt  komfortabel neben der Feuerstelle.
Ein Blick in die mittelalterlche Brunnenanlage. Sie liegt komfortabel neben der Feuerstelle. © Ute Tolksdorf

Darin präsentieren die Mitgliedsstädte der Regionalgruppe Südwestfalen ihre ausgewählten „Denkmäler des Monats“. Zahlreiche Fotos unterstreichen die historisch gewachsene Schönheit jedes der zwölf Denkmäler. Die Bilder werden durch Hintergrundinformationen zum Denkmal und zur Stadt ergänzt. Außerdem sind auf zwei Seiten Veranstaltungstermine in den beteiligten Städten aufgeführt.

Für 10 Euro je Exemplar kann der Kalender ab sofort im Rathaus der Stadt, im Informationszentrum für Holz und Touristik sowie der örtlichen Buchhandlung „Wortreich- lesen und mehr“ erworben werden.

Fragen beantwortet Holger Deutschbein im Bauamt unter 02972/980308 oder holger.deutschbein(at)schmallenberg.de.

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