Heringhausen. . Boris und Nora Adler aus Heringhausen sind Tatortreiniger. Ihr Alltag ist nichts für Zartbesaitete. Einblicke in einen harten Job.

Zwei Jahre hatte Boris Adler aus Heringhausen bereits als selbstständiger Schädlingsbekämpfer gearbeitet, als im Jahr 2006 das Telefon klingelte und ein Anruf von einem Tag auf den anderen seine berufliche Laufbahn veränderte.

Am anderen Ende der Leitung war ein Polizist. Ob Adler sich zutraue, eine Wohnung zu reinigen, in der wochenlang eine Leiche gelegen habe, deren Verwesung bereits stark fortgeschritten sei, fragte der Beamte.

Eine komplett neue Aufgabe für den 36-Jährigen, der bis dato zwar Schädlinge beseitigt und auch mal Wohnungen entrümpelt hatte, aber noch nie mit einer Leiche in Berührung gekommen war. Trotzdem: Er sagte zu, wenn auch mit einem etwas mulmigen Gefühl und nur einer leichten Ahnung, was wirklich auf ihn zukommen sollte.

Aus Respekt vor Verstorbenen und Angehörigen

Boris Adler ist staatlich geprüfter Desinfektor, mittlerweile arbeitet er seit zwölf Jahren als Tatortreiniger und Schädlingsbekämpfer. „Es hat sich einfach so entwickelt“, sagt der 36-Jährige. „Die beiden Bereiche passen zusammen. Das eine geht oft mit dem anderen einher“, so Boris Adler. Näher ins Detail gehen möchte der Heringhauser nicht, zum einen, weil es unappetitlich ist, zum anderen aus Respekt vor Verstorbenen und Angehörigen. Nur so viel: „Der Geruch ist das Schlimmste.“ Und: „Das erste Mal hat Überwindung gekostet.“

Schwer einzuschätzen

„Es ist einfach schwer einzuschätzen, was auf einen zukommt. Man kann sich das gar nicht vorstellen“, sagt Ehefrau Nora Adler. Die 31-Jährige arbeitet seit ein paar Jahren gemeinsam mit ihrem Mann, geht mit in Wohnungen, in denen Leichen gelegen oder Messis gehaust haben – oder beides zusammen.

„Eines Abends kam ein Auftrag, es war schon recht spät, ich habe dann relativ spontan entschlossen zu helfen“, sagt Nora Adler. Damals habe sie erst im Auto darüber nachgedacht, was auf sie zukommt: „Ich hatte nur eine vage Vorstellung“. Heute sagt sie: „Den Geruch vergisst man nicht wieder, er ist sehr speziell.“ Nora Adler ist mittlerweile bei allen Aufträgen dabei.

Den Tränen nahe

Die Anrufe kommen meist nicht aus anonymen Großstädten, sondern aus der näheren Umgebung. Auch hier im Sauerland, in gut bürgerlichen Wohnvierteln, gibt es Menschen die alleine leben und deren Tod manchmal erst Wochen später bemerkt wird.

„Wir werden von Bestattern, Angehörigen und Behörden beauftragt oder auch von Vermietern“, erklärt Boris Adler. Letztere sind meistens verzweifelt und den Tränen nahe, wenn sie die Nummer der Adlers wählen. Ihre Wohnungen gleichen dann oft Müllhalden, die Wände sind mit Schimmel bedeckt, der Gestank unerträglich.

Langsam und vorsichtig

Wenn Boris Adler und sein Team zu einem Auftrag ausrücken, wissen sie nie zu 100 Prozent, was sie vor Ort erwartet. So wie vor ein paar Jahren, als ein Haus in Meschede entkernt werden sollte, das lange besetzt war. „Überall waren Müll, Dreck und Essensreste“, erinnert sich Adler.

Das Problem: Zwischen dem Müll lagen Spritzen. In dem Haus hatten sich Fixer aufgehalten. „Ich habe mein Team sofort zurückgerufen, alle instruiert sehr vorsichtig zu sein und alle, die zu viel Angst hatten, weggeschickt“, sagt der 36-Jährige. Die Situation war gefährlich, die Infektionsgefahr hoch.

„Wir legen immer großen Wert auf Sicherheit. In solchen Fällen arbeiten wir langsam und vorsichtig. Natürlich tragen wir auch immer Schutzkleidung“, so der 36-Jährige. Dazu gehören Gummistiefel, Atemschutz mit Aktivekohlefilter, Schutzanzüge und dicke Handschuhe.

Angespannte Situation

Letztere waren auch bei einem Auftrag, zu dem Adler und sein Team vor ein paar Jahren in Marsberg gerufen wurde, unerlässlich: Ein Mann hatte sich das Leben genommen, lag wochenlang in seiner Wohnung, er war ein so genannter „Tiersammler“. Im Wohnzimmer stapelte sich Meter hoch Stroh von mehreren Kaninchen, die ihr Geschäft überall verrichtet hatten und bereits diverse Kabel zerstört hatten.

Vogelspinne und Leguan

Offene Terrarien deuteten auf noch mehr Tiere hin. Was genau auf die

Wenn die Polizei ihre Arbeit erledigt hat, kommen die Adlers.
Wenn die Polizei ihre Arbeit erledigt hat, kommen die Adlers. © Paul Zinken

Tatortreiniger wartete, war absolut unklar. Bei jedem Handgriff musste das Team fürchten, in etwas Lebendiges zu greifen. „Die Situation war angespannt“, erinnert sich Adler. Am Ende rettete das Team neben den Kaninchen eine Vogelspinne, einen Leguan und eine Eidechse aus den Müllbergen. „Die haben wir dann Tierschützern übergeben. Eingefangen haben wir alle aber selbst“, berichtet Boris Adler.

Unauffällig weiß

Dann schaffte das Team containerweise Müll und alte Möbelstücke aus der Wohnung, darunter den teilweise verfärbten Fußboden. „Manchmal müssen wir sogar noch den Estrich entfernen“, sagt der Heringhauser. Ein unangenehmer und nervenaufreibender Fall für das Team, aber dennoch nicht der Schlimmste.

Adler erinnert sich an alle Aufträge, an einige davon aber eben etwas genauer, auch weil sich hinter jedem Fall menschliche Dramen verbergen. „Wir erleben bei unseren Einsätzen immer wieder menschliche Schicksale, die uns berühren, versuchen aber das nicht mit nach Hause zu nehmen, sonst wird es einfach zu schwer, den Job zu machen“, sagt Adler.

Nicht immer funktioniert das. „Fast immer treffen wir auf Angehörige. Wir hören dann zu, versuchen zu helfen“, sagt Adler. Kein Auftrag ist wie der andere, nie wissen der Tatorteiniger und sein Team, was hinter einer verschlossenen Tür wartet. Eins ist Boris Adler aber besonderes wichtig: Für den Ernstfall schnell einsatzbereit zu sein: Daher steht der Arbeitsvan immer fertig gepackt mit speziellen Industriereinigern, Arbeitsgeräten und Schutzkleidung vor dem Haus.

Kein Aufsehen erregen

„Wir versuchen immer so schnell wie möglich vor Ort zu sein - auch, weil es für Angehörige oft eine sehr belastende Situation ist“, erklärt Boris Adler. Das Arbeitsfahrzeug der Adlers ist genau wie die Schutzanzüge unauffällig weiß: „Wir wollen kein Aufsehen erregen. Nachbarn sollen nicht sehen, was wir machen, wir wollen einfach nur helfen und unsere Arbeit erledigen“, sagt Boris Adler.

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