Oesterberge. . In Oesterberge wird aus Rindermist und Gülle Strom gemacht. Seit 2010 betreiben Tobias Vornweg und Benedikt Schulte dort eine Biogasanlage.

Aus Rindermist und Gülle wird in Oesterberge Strom gemacht. Seit Ende des Jahres 2010 betreiben Tobias Vornweg und Benedikt Schulte dort eine Biogasanlage. Zartbesaitet dürfen die beiden dabei nicht sein: Für Menschen mit einem feinen Näschen ist das nämlich nichts. Meterhoch stapeln sich auf dem riesigen Gelände die Mistberge. „Aber das gehört einfach dazu“, sagt Tobias Vornweg.

Der Schwerpunkt des Betriebs liegt eigentlich auf der Milchviehhaltung. Da der Hof im Wasserschutzgebiet liegt, wurde eine Erweiterung erst über eine thermophile Behandlung der Gülle genehmigt, um die Keimbelastung im Trinkwasser auszuschließen. So entstand das zweite Standbein Biogas. Klar war von vornherein: Es soll keine Biogasanlage „von der Stange“ sein.

Gülle- und Mistanteil liegt bei 90 Prozent

„Eine Mais- oder Getreidevergärungsanlage kam für uns nie in Frage“, betont Vornweg. Weil man eben genau das habe verhindern wollen, wofür Betreiber von Biogasanlagen oftmals kritisiert werden - eine „Vermaisung“ der Landschaft. Die gibt es in Oesterberge nicht. „Die Idee war von Anfang an, keine zusätzlichen Flächen für den Input der Biogasanlage zu benötigen“, so der 37-Jährige. Nach und nach sei der Gülle- und Mistanteil der Anlage auf jetzt 90 Prozent gesteigert worden, erklärt der 46-jährige Benedikt Schulte. Ziel sei es nun, auf 100 Prozent zu kommen.

Beeindruckende Zahlen

© Privat

„Für den Betrieb unserer Anlage bauen wir keinen einzigen Hektar Mais an“, stellt Vornweg klar. Mit der Biogasanlage auf dem Hof sind beeindruckende Zahlen verbunden: 9000 Kubikmeter Rindergülle, 7000 Tonnen Rindermist und 500 Tonnen Grassilage finden jährlich ihren Weg in den so genannten Fermenter. Er ist quasi der Reaktor der Anlage. „Dort bauen Bakterien die Kohlenhydrate, Fette und Eiweiße aus dem Inputmaterial ab - so wie im Kuhmagen“, erklärt Vornweg. Bei diesem Gärprozess entsteht Methangas - auch wie im Kuhmagen. Allerdings wird es hier nicht in die Umwelt freigesetzt, sondern im Motor der Biogasanlage verbrannt. „Dieser Vorgang treibt dann den Generator zur Stromproduktion an“, erklärt Schulte. Mithilfe einer Biogasanlage lasse sich die im Mist enthaltene Energie nahezu CO2-neutral nutzen.

Anlage ersetzt 220 000 Liter Heizöl im Jahr

Und wieder folgen beeindruckende Zahlen: Die 250-Kilowatt-Anlage erzeugt jährlich rund zwei Millionen Kilowattstunden Strom und stellt 1,7 Millionen Kilowattstunden Wärme zur externen Nutzung zur Verfügung. Damit kann sie 600 Haushalte mit Elektrizität und 150 Haushalte mit Wärme versorgen.

Konkret ist es in Oesterberge so: Der Strom wird komplett ins Netz des Energieversorgers Innogy eingespeist. Dafür gibt es Geld. Mit der erzeugten Wärme werden die Gebäude auf dem Hof sowie 15 Wohnungen in der Nachbarschaft geheizt. Der Rest der Wärme geht in die Hackschnitzeltrocknung. „Unsere Anlage ersetzt 220 000 Liter Heizöl im Jahr und setzt bei der Produktion nur ein Drittel so viel Emissionen frei wie ein fossiles Kraftwerk“, betont Vornweg.

Fast täglich liefert einer der Landwirte aus der Nachbarschaft Mist aus seinem Stall in Oesterberge an. Mit 25 Betrieben aus einem Umkreis von rund 15 Kilometern arbeiten Vornweg und Schulte zusammen. „Sie bringen uns den Mist und nehmen sich die Gärreste wieder mit“, sagt der 37-Jährige.

Weiterer Vorteil

Die Mistberge vor der Anlage.
Die Mistberge vor der Anlage. © Privat

Und damit sei er bei einem weiteren Vorteil einer Biogasanlage: „Der Dünger, der hinten wieder rauskommt, ist besser als der Mist, der vorne reingeht“, veranschaulicht er. Denn das, was wieder rauskomme werde noch einmal getrennt - nach fest und flüssig. „Stinken tut da gar nichts mehr - das Methangas ist ja raus“, sagt Vornweg. Das Feste kommt auf Äcker und in Weihnachtsbaumkulturen, mit dem Flüssigen wird Grünland gedüngt. „Mit großer Wirkung“, unterstreicht Schulte. Statt vier Grasschnitten pro Jahr seien so fünf möglich.

„Eine Gelddruckmaschine ist eine Biogasanlage nicht“

Trotz aller Vorteile und Synergien: „Eine Gelddruckmaschine ist eine Biogasanlage nicht“, stellt Vornweg klar. Die Zeiten seien schon mal besser gewesen. Auflagen, Vorschriften, immer wieder neue Regelungen. Vornweg ärgert sich vor allem über die Politik und findet deutliche Worte: „Nach der Photovoltaik wird jetzt auch das Biogas vor die Wand gefahren“, schimpft er.

Strom aus Biogas werde künftig nur noch gefördert, wenn der Betreiber an einer Ausschreibung teilnehme. Die meisten Chancen habe der, der am wenigsten verlange. Schon jetzt seien etwa ein Drittel aller Anlagenbetreiber insolvent gegangen. „Übrig bleiben wird höchstens die Hälfte der jetzigen Anlagen“, fürchtet Vornweg. Weil er und Schulte mit der Oesterberger Bio-Energie GmbH“ dazu gehören wollen, planen sie für die Zukunft.

Am Bedarf orientierte Einspeisung

Wie die meisten Betreiber von Biogasanlagen haben sie sich mit ihrer „Oesterberger Bio-Energie GmbH“ im Dauerbetrieb eingerichtet. Soll heißen: Die Anlage produziert ständig Wärme und Strom. Energiewirtschaftlich sinnvoller wäre es aber, mit dem Biogasstrom ganz flexibel und immer nur bei Bedarf die unstete Einspeisung aus Wind und Sonne zu ergänzen. „Eine am Bedarf orientierte Einspeisung zur Deckung der Residuallast“, nennt sich das im Fachjargon.

Begleitenergie für die Windkraft

Biogas werde die Begleitenergie für die Windkraft, blickt Vornweg in die Zukunft. Mit dem Einstieg in diese so genannte Flexibilisierung haben Biogasanlagenbetreiber die Chance, die Anlage fit für die Zeit nach Auslaufen der EEG-Vergütung zu machen und sich so für die Zukunft zu rüsten. Genau das haben Vornweg und Schulte vor.

Ob das klappt, ist fraglich. „Das EEG wird alle zwei Jahre fortgeschrieben, niemand weiß, was uns als nächstes blüht“, sagen die beiden Landwirte. Deswegen sei die Ungewissheit ziemlich groß. Jedenfalls ist eine erneute Erweiterung des Kuhstalls und der Zubau eines 550kW-Motors zur Flexibilisierung der Biogasanlage fest eingeplant. Es soll ja weitergehen in Oesterberge.

Vier Vollzeit- und zwei Teilzeitkräfte

Im Jahr 1995 gründen Anton Vornweg und Benedikt Schulte die Bergesmilch GbR und beschließen den Bau eines gemeinsamen Boxenlaufstalls mit 140 Plätzen in Oesterberge.

Nach seinem Agrarwirtschaftsstudium steigt 2007 Tobias Vornweg mit ein.

Mit dem Bau der Biogasanlage entsteht 2010 die Oesterberger Bio-Energie GmbH. Geschäftsführer sind - wie bei der Bergesmilch GbR - Tobias Vornweg und Benedikt Schulte.

300 Milchkühe und 250 Stück Jungvieh gehören zum Hof, auf dem neben Schulte und Vornweg als Betriebsleiter auch vier Vollzeit- und zwei Teilzeitkräfte arbeiten.

Weitere Informationen gibt es auch im Internet unter www.bergesmilch.de

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