Meschede. . „Wir beschäftigen uns mit politischen Dingen, aber wir betreiben keine Politik“: Seit zehn Jahren gibt es die Fatih-Moschee in Meschede.
Seit zehn Jahren besteht in Meschede die Fatih-Moschee der Türkisch-Islamischen Gemeinde. Dr. Ahmet Arslan ist der Dialogbeauftragte der Gemeinde. Er gibt Einblicke in den Alltag dort. Und er betont, in der Moschee gehe es keineswegs politisch zu. Und Unterstützung aus der Türkei gebe es nur in einem Detail.
Was bedeutet es für Ihre Gemeinde, eine eigene Moschee hier zu haben? Wie viele Menschen treffen sich hier?
Ahmet Arslan: Das bedeutet uns sehr viel. Die Moschee ist der Ort einer spirituellen Quelle, aber auch eine Bildungsstätte, ein Begegnungsraum - und bei Gelegenheit auch eine Sphäre, in der man Abschied nehmen kann, wenn jemand gestorben ist.
Wir zählen knapp 300 Mitglieder. Wir haben den Beinamen „Fatih“ im Sinne von „offener Moschee“. Wenn wir gemeinsam zum Beispiel das Freitagsgebet beten, dann kommen hier knapp 180 Muslime zusammen: Türkische Muslime, Jordanier, Bosnier, Albaner, Mazedonier, Pakistanis, Iraner und Iraker, viele Syrer inzwischen, auch Afrikaner. Wenn wir gemeinsam beten, ist es multikonfessionell mit Sunniten und Schiiten - und es ist multinational.
Fasten ist Privatsache
Der Ramadan endet jetzt. Wie viele Türken fasten tatsächlich? Nicht jeder Türke ist religiös, oder?
Auch nicht jeder Deutsche ist religiös. Wir haben auch nicht „Türke“ als gemeinsamen Nenner hier, sondern wir gehen von Muslimen aus. Keiner weiß, wer fastet. Es gibt da keine Gruppenkontrolle. Denn Fasten ist ein Gottesdienst: Das ist eine Privatsache nur zwischen Gott und seinem Diener. Die Frage, wer fastet, wird hier gar nicht gestellt.
Gibt das Probleme mit deutschen Arbeitgebern? Findet man Verständnis für das Fasten? Die Arbeitsleistung könnte ja schwächer sein.
Ich habe noch nie von Problemen gehört. Es gibt immer Lösungen. Arbeiter nehmen sich oft Urlaub im Ramadan, wenn sie fasten wollen. Oder es gibt Arbeiter, die sagen, ich kann bei der Hitze im Betrieb nicht fasten. Dann unterlassen sie das eben: Sie müssen schließlich Geld verdienen. Dann holen sie das Fasten nach, wenn sie frei haben oder im Urlaub. Das ist auch ein Urteil der Theologen: Man muss sein tägliches Brot verdienen – und nicht die Hand aufhalten.
„Predigten dürfen nicht politisch sein“
Wie politisch geht es in der Moschee zu? Wie politisch sind die Predigten?
Wir sind ein eingetragener Verein mit einer Satzung, in der steht, dass wir parteipolitisch neutral sind. Wir beschäftigen uns natürlich mit politischen Dingen, aber wir betreiben keine Politik. Wir akzeptieren und fördern die freiheitliche Demokratie. Die Predigten dürfen gar nicht politisch sein – auch nicht durch den, der auf der Predigtkanzel steht. Wir haben dann ja diese 180 Gläubigen, die politisch auch unterschiedliche Meinungen haben.
Welche Unterstützung bekommen Sie aus der Türkei?
Ja, man denkt das vielleicht. Die Sparkasse Meschede kann Ihnen aber bestätigen, wie viel Geld wir für die Moschee aufgenommen haben. Wir rackern uns ab, das abzubezahlen. Der Bau und die Nebenkosten wird alles von den Muslimen hier finanziert. Wir müssen uns selber tragen.
Das Einzige, was aus der Türkei kommt, sind die Imame. Der Imam ist der Einzige, der hauptberuflich tätig ist, alle anderen sind ehrenamtlich. Der Imam wird von der Türkei bezahlt: Die Religionsbehörde zahlt schon seit Atatürks Zeiten dafür. Die DITIB als Dachorganisation organisiert Imame aus der Türkei, die hier eingesetzt werden. DITIB liefert auch Korane oder Kalender, wenn wir die brauchen. DITIB ist nur die Brücke zwischen der Religionsbehörde in der Türkei und der Gemeinde vor Ort.
„Noch nie ein Schreiben von Erdogan“
Liege ich falsch, wenn ich sage, dass die Gemeinde dem Präsidenten Erdogan nahe steht?
Ja, da liegen Sie völlig falsch! Wir sind tatsächlich politisch neutral! In DITIB-Gemeinden gibt es eine Bandbreite von Meinungen. Wenn ein Imam politisch würde, was noch nicht vorgekommen ist, dann würden sich die Leute wehren. Die Religionsbehörde will nicht, dass Imame politisch sind. Ich habe hier noch nie ein Schreiben, eine Empfehlung für oder ein Dekret von Erdogan gesehen. Wenn aus der Türkei etwas käme, was mir nicht passt, dann würde ich auch aussteigen.
„Mit Kurden haben wir kein Problem“
Wie ist das Verhältnis zwischen Mescheder Türken und Mescheder Kurden?
Ein Viertel unserer Gemeinde besteht aus Kurden. Mit Kurden haben wir kein Problem. Unser Vorsitzender Mehmet Kuzkun ist selbst kurdischer Abstammung. Das Problem ist die PKK. Wer eine Nähe zur PKK hat, der hat bei uns nichts verloren. Das ist eine Terrororganisation. Damit wollen wir nichts zu tun haben.
Neulich gab es den Brandanschlag auf ein Lokal am Lanfertsweg, bei dem sich herausstellte, dass es den „Grauen Wölfen“ gehört. Wussten Sie über die Existenz der Gruppe?
Ja, klar. Ich wusste, dass die aktiv sind. Nach dem Anschlag hat man auch zuerst uns danach gefragt: Es wird einfach nicht differenziert. Aber wir haben nichts mit den „Grauen Wölfen“ zu tun. Unsere Satzung lässt das gar nicht zu: Das ist das Heiligtum eines Vereins. Ich bin stolz darauf. Es wurden auch Moscheen angegriffen, dazu hatte die PKK aufgerufen. Da ist man natürlich wach. Es gibt leider auch Briefe und E-Mails, die uns erreichen, in denen aufgerufen wird, die Moschee solle lichterloh brennen.
Darüber hört man gar nichts...
Wir stellen das auch nicht in die Öffentlichkeit. Sonst gibt es Riesen-Irritationen. Dann erreichen doch die, die uns das schicken, ihr Ziel. Wir leiten das lieber direkt an Polizei und Staatsanwaltschaft weiter.
Keine neuen Mauern aufbauen
Es ist vehement über das Foto der deutschen Nationalspieler Özil und Gündogan mit Präsident Erdogan diskutiert worden. Wie denken Sie darüber?
Da beißt sich doch etwas. Einerseits gibt es offenbar ein Problem mit einem türkischen Politiker. Andererseits aber nimmt Deutschland ohne Probleme an der Weltmeisterschaft in Russland teil – obwohl es dort auch einen nicht unproblematischen Politiker an der Spitze gibt. Die Diskussion ist paradox. Wir dürfen keine neuen Mauern in den Köpfen aufbauen. Das ist gefährlich.
>>>HINTERGRUND<<<
Der Geburtstag der Mescheder Fatih-Moschee wird am Sonntag, 17. Juni, zusammen mit dem Ende des Fastenmonats Ramadan gefeiert.
Ab 15 Uhr gibt es im Begegnungsraum der Moschee einen Festempfang und die Jubiläumsfeier.
Ausdrücklich sind dazu auch alle Deutschen eingeladen.
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