Meschede. . Eine 88-Jährige sollte um ihr Erspartes gebracht werden. Am Ende legte sie die Betrüger rein: Ein Täter des Enkel-Tricks muss in Haft.
„Das kann man nicht wieder gut machten“, sagt die Seniorin zum Angeklagten. „Ich habe Angst abends ins Bett zu gehen. Ich habe Angst allein. Ich habe immer Angst, die kann mir keiner mehr nehmen. Das ist furchtbar.“ Die 88-jährige Meschederin wäre beinahe Opfer des Enkel-Tricks geworden. Sie sollte um mehrere tausend Euro betrogen werden. Jetzt ist sie Zeugin im Prozess gegen einen der Täter im Amtsgericht Meschede.
Vermeintliche Notlage
Es ist ein Tag im August, als mittags das Telefon bei der alten Dame klingelt. Eine Frau meldet sich, sie täuscht vor, die Enkelin zu sein. Wie immer bei dem Trick wird eine Notlage vorgespielt. Die vermeintliche Verwandte braucht dringend Geld - in diesem Fall 15 000 Euro.
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„So viel habe ich nicht, ich bekomme nur 10 000 Euro zusammen“, sagt die Seniorin. Dann erhält sie Anweisungen: Sie soll sofort mit dem Taxi zur Sparkasse fahren und das Geld abholen. „Und sag’ meinen Eltern nichts“, verlangt die Anruferin.
Schwiegertochter doch informiert
Der Plan scheitert schon an der Gehbehinderung der 88-Jährigen. Sie kann nicht allein zur Bank, deshalb informiert sie ihre Schwiegertochter. Beide tätigen zwei Anrufe: Die Oma spricht mit der echten Enkelin und erfährt, dass ihr nichts passiert ist. Dann wird die Polizei alarmiert. Die Täter ahnen nicht, dass ihnen nun die Ermittler auf der Spur sind. Sie ziehen ihre Masche weiter ab.
Falscher Polizist
„Ich habe mitgespielt, weil ich ärgerlich war, dass so etwas geschehen kann“, erklärt die Seniorin im Prozess dazu. Sie berichtet von einem „Anruf-Terror“, der nun folgt: „Hast Du das Geld bekommen?“, fragt die falsche Enkelin. Jetzt schaltet sich auch ein männlicher Täter ein. Er gibt sich als Polizist aus und will von der Sparkasse über die Abhebung informiert worden sein. In Wahrheit will er nur wissen, ob das Opfer wirklich Geld geholt hat.
Für die Übergabe der Summe kündigt die falsche Enkelin einen Vertrauten an. „Herr Kretzschmer“ werde vorbeikommen. Bald darauf taucht er auf. Zuvor scheitern Versuche, die Dame aus dem Haus zu locken. „Kretzschmer“, der in Wahrheit anders heißt, muss an die Tür.
Papierschnipsel im Umschlag
Er nimmt einen Umschlag entgegen - und ahnt nicht, dass sich darin nur Papierschnipsel befinden. Und dass der Bezirksbeamte Werner Hengesbach bereit steht. Er nimmt den Mann fest. Seitdem sitzt der 37-Jährige in Untersuchungshaft.
Es ist eines der seltenen Verfahren gegen Betrüger, die Senioren mit dem Enkel-Trick um ihr Erspartes bringen. Polizist Hengesbach lobt ausdrücklich die „schauspielerische Leistung“ der Seniorin: Sie hat am Ende die Betrüger hereingelegt.
Der Geldabholer stammt aus Frankfurt. Er hat fünf Kinder, ist nicht verheiratet, er hat nach eigenen Angaben keinen Schulabschluss, er hat keine Ausbildung und „noch nie gearbeitet“. Er bezieht Hartz IV.
Einblicke in die Szene
Die Tat gesteht er, jedoch bestreitet er, Mitglied einer Bande zu sein. Sein Wahlverteidiger, finanziert von seiner Familie, gibt Einblicke in die Szene. Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft bezweifelt, dass dem Angeklagten auf der Verlobungsfeier seiner 16-jährigen Tochter der Job als Geldabholer von einer Unbekannten angeboten worden sei und er ansonsten ahnungslos sei.
Der Rechtsanwalt betont ausdrücklich, dass es sich um Angehörige einer Roma-Familie handelt und dass Verlobungsfeiern mit bis zu 200 zum Teil fremden Gästen keine Seltenheit seien. Dort fänden regelmäßig derartige Anwerbungen statt, zumal unter Roma der Kodex gelte, niemanden an die Polizei zu verraten.
Die Hintermänner des Enkeltricks säßen im Ausland und würden meist nicht gefasst, weil sie Vorkehrungen wie in diesem Fall träfen. Er forderte eine Strafe von bis zu einem Jahr auf Bewährung.
Haft ohne Bewährung
Das Urteil: zwei Jahre und drei Monate Haft wegen gewerbsmäßigen versuchten Betrugs ohne Bewährung. Der Mann sei einschlägig vorbestraft, sagte Richterin Christina Sellmann. „Es bedarf einer erheblichen Freiheitsstrafe, um Ihnen das Unrecht vor Augen zu führen und es soll einen Warneffekt haben: Dass es nicht geduldet wird, wenn schutzwürdige Personen wie Senioren kriminellen Machenschaften unterworfen werden.“
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Die Staatsanwaltschaft hatte zunächst versucht, den Angeklagten als Teil einer Bande zu überführen. Dann hätte ihm möglicherweise eine noch höhere Strafe gedroht. Doch es fehlte der Beweis, weil nur er geschnappt worden war.
Auffällig: An dem Tattag verzeichnete die Polizei insgesamt vier Enkel-Trick-Fälle im Hochsauerlandkreis. Nach der Festnahme des Mannes, der eigens aus Frankfurt mit der Bahn angereist war, endete die kriminelle Welle vorerst.
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