Meschede / Bestwig. . Dem Versichertenältesten der Deutschen Rentenversicherung droht Haft oder ein Zwangsgeld: Er hat Ärger mit dem Finanzamt Meschede.

Eigentlich hilft Wolfgang Zeh ehrenamtlich anderen Menschen dabei, mit Behörden klarzukommen. Dafür wurde ihm schon das Bundesverdienstkreuz verliehen. Jetzt hat er selbst Ärger mit einer Behörde. Das Finanzamt Meschede verlangt von ihm, bis Ende Januar seine Steuererklärung online einzureichen. Ansonsten droht sie dem Versichertenältesten der Deutschen Rentenversicherung für den Hochsauerlandkreis 500 Euro Zwangsgeld oder ersatzweise Gefängnis an.

Der 68-jährige Bestwiger sagt von sich: „Seit ein paar Wochen bin ich ein richtiger Wutbürger“ – aus Wut darüber, wie das Ehrenamt unter Auflagen leide. Er überlegt deshalb, sein Amt aufzugeben.

9000 Beratungen im Laufe der Jahre

Seit 32 Jahren ist Zeh ehrenamtlicher Versichertenältester. Er hilft auf dem Weg, Rente zu erhalten: „Alleine kommt man mit einem Rentenantrag nicht klar.“ Pro Jahr sind das deshalb im Bereich Meschede und Bestwig, inzwischen auch Sundern, rund 300 Beratungen – insgesamt dürfte Wolfgang Zeh auf rund 9000 in seiner Zeit kommen.

Meschede und Sundern haben in dieser Zeit ihre Rentenämter komplett aufgegeben: Die Städte müssen heute nur noch Rentenanträge annehmen und weitergeben, Hilfe bei den komplizierten Anträgen geben sie nicht mehr. Die gibt der Versichertenälteste, auch zum Beispiel bei Erwerbsminderungs- oder Hinterbliebenenanträgen. „Das ist Arbeit, die man sich nicht vorstellen kann: Sie müssen Leid und Trauer aufarbeiten. Sie verarbeiten dabei das ganze Leben eines Menschen“, sagt Zeh.

Eben weil er so konkret helfen und Menschen zu ihrem Recht verhelfen konnte, hat er die Arbeit gerne gemacht – es war ihm das liebste seiner insgesamt sieben Ehrenämter, sagt er: „Es war eine gute Tat bei jedem Betroffenen“, sagt er stolz. Neulich zum Beispiel bei einem Fernfahrer. Den erreichte er telefonisch in seiner freien Minute beim Entladen im Hamburger Hafen. Einen gemeinsamen Termin machte man für einen Samstagnachmittag aus – Zeh ist da unkompliziert.

Einkommen aus dem Ehrenamt

Für die Arbeit als Versichertenältester gibt es eine Aufwandsentschädigung. Bei Wolfgang Zeh sind das rund 3000 Euro im Jahr. Zeh hatte deswegen schon zu DM-Zeiten Ärger. Er bekam einen Strafbefehl wegen Steuerhinterziehung, er musste rückwirkend 3000 Mark plus 300 Mark an Zinsen zahlen: Er hatte geglaubt, die Entschädigung unterliege der Ehrenamtspauschale und müsste nicht versteuert werden.

Das Finanzamt stufte die Entschädigung aber als Einkünfte aus selbstständiger Arbeit ein: „Das war die erste Lehre“, sagt Zeh. Die Deutsche Rentenversicherung akzeptierte diese Einschätzung der Finanzverwaltung: Es gab eine Dienstanweisung nach dem Fall Zeh, wonach die Versichertenältesten zwar ehrenamtlich tätig seien, aber dadurch eben Einkommen hätten. Seitdem gibt Zeh die Entschädigung immer in seiner Steuererklärung an.

„Ich bin doch kein Unternehmer“

Aber es wurde noch komplizierter. 2015 wurde Zeh in seiner Steuererklärung mitgeteilt, er habe – wie jeder andere selbstständige Unternehmer – diese künftig online einzureichen. Er räumt ein: „Ich habe das nicht ernst genommen. Ich habe doch keine unternehmerische Tätigkeit.“ Er lernte aber: „Ein Finanzamt verfolgt das bis zum bitteren Ende.“

Im Sommer 2017 reichte er seine Erklärung für 2016 ein – „trotz bestehender elektronischer Übermittlungsverpflichtung in Papierform“, wie ihm das Finanzamt anschließend mitteilte. Zeh bat, die Erklärung weiter als Papier einreichen zu dürfen, die Behörde lehnte ab. Er sei doch kein Unternehmer, es liege keine Selbstständigkeit vor, sagte Zeh. Das Finanzamt aber spricht in seiner Stellungnahme „unzweifelhaft“ von Einkünften aus selbstständiger Arbeit: „Dabei ist es unerheblich, ob es sich um eine ehrenamtliche Tätigkeit handelt.“

Verärgert über Sonntagsreden

Das Finanzamt verweist auf das „Elster“-Steuerprogramm oder andere kommerzielle Software, die Zeh nutzen könnte. Er könne das nicht, sagt Wolfgang Zeh. So weit nämlich gingen seine Computerkenntnisse nicht: „Ich kann mir kein Elster herunterladen.“ Er scheitere ja auch schon an der ersten Frage: „Bin ich Privatperson, Arbeitnehmer oder Selbstständiger?“ Er ist verzweifelt: „Ich laufe in ein Strafverfahren hinein.“

Und er ist sauer. Das Finanzamt verlange inzwischen von den Bürgern, elektronisch präsent zu sein. Im Gegenzug suchte er in seinen Schriftstücken nach einer Mail-Adresse, um seine Gegenüber im Finanzamt einfach per E-Mail zu erreichen – vergebens. Dort gibt es keine Mail-Adressen. Er ärgert sich heute über die Sonntagsreden, in denen Politiker die Stärkung des Ehrenamtes verlangen: „Die Wahrheit ist aber, was ich gerade erlebe: Durch Behörden und Verwaltungen bekommt das Ehrenamt nur Auflagen erteilt.“

>>>HINTERGRUND<<<

Wolfgang Zeh ist seit 1986 ehrenamtlich Versichertenältester. 2017 wurde ihm das Bundesverdienstkreuz verliehen.

32 Jahre war er ehrenamtlich Arbeitsrichter am Landesarbeitsgericht in Hamm, dafür wurde ihm die Goldene Ehrennadel des Landes verliehen.

Sechs Jahre lang engagierte er sich als Vorsitzender der Gewerkschaft Verdi im Hochsauerlandkreis, weitere sechs Jahre dann nach der Fusion mit der Region Hellweg.

Bei der Gewerkschaft prüft er als Revisor auf Landesebene den Verdi-Landeshaushalt. Sechs Jahre war er auch Kreisvorsitzender des DGB. 30 Jahre ist Zeh im Rentenausschuss der Berufsgenossenschaft Metall in Düsseldorf.

Und nicht zu vergessen: Er erledigt in Bestwig ehrenamtlich die Abrechnungen der Fischereigenossenschaft.

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