Meschede. . Ehrenamtlich engagieren sich aktuell 53 Mescheder für ihre neuen Nachbarn. Dabei müssen sie sich immer wieder Kritik anhören.

Stellen Sie sich vor, Sie kommen in ein fremdes Land, dessen Sprache Sie nicht sprechen, selbst die Buchstaben sind fremd. Sie müssen zu Behörden, um Gelder zu beantragen, zum Arzt, zum Elternsprechtag. Sie können die Straßenschilder nicht lesen, wissen nicht, wo man einkauft und wie man – und dass man überhaupt - den Müll trennt.

53 Integrationslotsen helfen dabei, dass diese Menschen in Meschede heimisch werden. „Neue Nachbarn“ nennt sie Elke Milosevic. Das Wort „Flüchtlinge“ findet die Koordinatorin des Integrationsdienstes bei den Maltesern nicht mehr passend. Nachbarn drücke mehr aus, um was es gehe, betont sie. Die 55-jährige Sozialarbeiterin bildet die Schnittstelle zwischen Lotsen und „neuen Nachbarn“.

Idee entstammt der Notunterkunft

Schon in der ersten Notunterkunft der Malteser, im Haus Dortmund, hatten sich viele Menschen engagiert. „Dieses Engagement sollte erhalten bleiben“, berichtet Elke Milosevic, die auch da als Ehrenamts-Betreuerin aktiv war.

Als die Notunterkunft Ende 2016 geschlossen wurde, hatte sie schon Kontakt zu Kooperationspartnern, von der Stadt über das Job-Center und die Flüchtlingsberatung der Diakonie bis zur Frauenberatungsstelle, aufgenommen. „Zur ersten Info-Veranstaltung zum Integrationslotsen-Dienst kamen 40 Interessenten.“

Aufgaben sind vielfältig

Viele Aufgaben sind mit in den Integrationsdienst übernommen worden. „Ein Frauen-Café gab es schon im Haus Dortmund“, erzählt Elke Milosevic, „Sprachkurse und auch die Kinderbetreuung.“ Mitwirkungsmöglichkeiten gibt es weiter viele: Neben den schon genannten gehören auch Freizeitgestaltung, Hausaufgabenbetreuung, musisch kulturelle Angebote und auch Patenschaften für ganze Familien dazu. Die Projekte sind zeitlich befristet oder auf Dauer angelegt.

„Daneben gibt es auch Menschen, die sich als „ad-hoc-Helfer“ bereit erklärt haben, einzuspringen, wenn beispielsweise für eine Veranstaltung Leute gesucht werden, die Tische und Stühle stellen, backen oder dekorieren.“ Qualifikationen werden nicht vorausgesetzt. „Für alles, was man wissen muss, wird man hier geschult“, sagt die Ehrenamtskoordinatorin.

Unter den Paten sind auch Muttersprachler

53 geschulte Lotsen stehen in der Patenschafts-Kartei. „Darunter sind Rentner, Schüler, Lehrer, Hausfrauen, Menschen aus sozialen Berufen, aber auch Ingenieure“, erzählt Elke Milosevic. „Die meisten stehen im Beruf, sind ausgesprochen praktisch veranlagt, haben ein großes Herz.“

Elke Milosevic gerät ins Schwärmen. „Das sind ganz wunderbare Menschen.“ Die Männer sind – wie meist in den sozialen, ehrenamtlichen Aufgaben – deutlich in der Minderheit. Mittlerweile gibt es auch acht Muttersprachler, die als Flüchtlinge kamen und jetzt selbst als Lotsen, vor allem als Dolmetscher, aushelfen.

Die „neuen Nachbarn“

Auf der anderen Seite stehen zurzeit acht Grundschüler, die Hausaufgabenhilfe erhalten, ein junger Mann, der betreut wird, und drei Großfamilien. „Doch es gibt weitere Anfragen, vor allem für die Hausaufgabenbetreuung durch die Grundschulen“, berichtet Milosevic. Die Menschen, die Hilfe benötigen, kommen laut Elke Milosevic vor allem aus Syrien.

Schnittstelle zu den Lotsen

Sie hält regelmäßigen Kontakt zu den Lotsen. „Mir ist wichtig, dass sie sich nicht überfordern.“ In der Regel arbeiten sie daher als Tandem in den Familien. „Die Patenschaft für eine ganze Familie ist mit Ämter- und Arztbesuchen für einen Ehrenamtlichen schon eine echte Herausforderung. Da muss ich den einen oder anderen auch schon mal bremsen.“

Sie betont: „Ein- bis zweimal pro Woche eine Stunde in der Familie – das ist bereits sehr hilfreich.“ Und wenn es zu schwer wird, die psychischen Probleme, die Traumata von Krieg und Flucht zu groß werden, dann müsse man professionelle Hilfe holen.

Ehrenamtliche hören teils Kritik

Vor allem nach der Silvesternacht 2015 in Köln sei allen, die sich in der Flüchtlingsarbeit engagierten, viel Wut und sogar Hass entgegengeschlagen. „Das war vor allem die Angst vor Menschen, die man nicht kennt“, sagt Elke Milosevic.

Bis heute müssten sich auch die Integrationslotsen immer mal wieder rechtfertigen. Nach dem Motto: „Warum helft ihr gerade hier, es gibt auch genug Deutsche, die Hilfe brauchen.“ Elke Milosevic wird ernst: „Aber das kann man nicht vergleichen: Die Flüchtlinge haben so viel mehr Probleme. Sie sprechen die Sprache nicht oder nur schlecht, haben Eltern, Frauen und Kinder zurücklassen müssen oder auf der Flucht verloren, haben erlebt wie Freunde und Familienangehörige im Krieg gestorben sind.“

Elke Milosevic ist sicher: „Meine Integrationslotsen sind selbstbewusst genug, um mit solchen Vorwürfen umzugehen.“ Und sie weiß auch: „Die positiven Erfahrungen, die Dankbarkeit, Gastfreundschaft und die Herzlichkeit der Familien wiegen den Einsatz und alle Kritik auf.“

>> EINLADUNG ZU TEAMSITZUNG UND CAFÉ

  • Entstanden ist das Projekt, das vom Bundeskanzleramt noch bis Ende 2018 finanziert wird, im Juni 2016.
  • An 94 Standorten in Deutschland haben die Malteser dafür die Trägerschaft übernommen. Die Malteser haben zugesagt, es bis Ende 2020 weiter zu finanzieren.
  • In Meschede gab es Anfang Dezember 308 Asylbewerber, die Elke Milosevic zu den „neuen Nachbarn“ zählt. Sie wurden seit Januar 2015 zugewiesen, sind entweder anerkannte Asylbewerber oder haben sehr gute Bleibeperspektiven.
  • Am Donnerstag, 25. Januar, findet um 17 Uhr die nächste Teamsitzung statt, zu der Uli Schulte vom Jobcenter referiert. An jedem Montag findet von 14 Uhr bis 16 Uhr das Frauencafé statt. Wer dazu kommen oder sich engagieren will, kann sich an Elke Milosevic wenden, 0171/9106207, Mail: Elke.Milosevic@malteser.org

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