Velmede. . Als Wirt steht Ingo Krey ständig unter Dampf. Nicht in diesem Interview. Wir sind mit dem Velmeder Highway Man in Klausur gegangen - im Kloster.
Seit 16 Jahren betreibt Ingo Krey den Highway Man in Velmede. Als leidenschaftlicher Gastronom steht er ständig unter Strom. Freie Zeit ist Mangelware. Wir haben uns mit ihm getroffen - nicht zwischen klirrenden Gläsern an der Theke, nicht zwischen brutzelnden Burgern in seiner Küche, sondern abseits allen weltlichen Kneipen-Trubels. Im Bergkloster Bestwig haben wir mit ihm über Gott und die Welt gesprochen.
Wirte reden mit ihren Gästen über Gott und die Welt, so sagt man. Worum geht es wirklich bei den meisten Thekengesprächen?
Ingo Krey: Es geht tatsächlich um Gott und die Welt. Auch Gespräche über Gott gibt es an der Theke hin und wieder - allerdings eher selten. Es geht oft um banale Dinge, wie das Wetter oder den Verlauf des Bundesliga-Spieltags. Der Gast kommt grundsätzlich schon in die Kneipe, um die Probleme und Sorgen ein bisschen zu vergessen - um sich ein leckeres Essen zu gönnen oder um beim Bierchen abzuschalten. Natürlich geht es bei den Themen manchmal auch über das Seichte hinaus. Für viele Gäste ist der Wirt eine Vertrauensperson.
Gibt es Gespräche, die Sie über den Feierabend hinaus beschäftigen und die Sie mit nach Hause nehmen?
Die Kneipe ist ja quasi mein Zuhause. Meine Frau und ich bewohnen das ganze Haus und die Kneipe ist so etwas wie unser Wohnzimmer. So richtig Feierabend hat man da nie. Aber Theken-Gespräche über Tod, über Verluste oder auch über heftige Eheprobleme beschäftigen einen schon auch mal länger. Sicher sein kann sich jeder Gast, dass das, was er mir anvertraut auch unter uns bleibt. Das Wirtegeheimnis ist zwar nicht im Gesetz verankert, aber ich nehme das sehr ernst.
Welcher Gast ist Ihnen lieber: Der, der schweigend seine zehn Bier trinkt, oder der, der Ihnen seine ganze Lebensgeschichte erzählt?
Grundsätzlich bemesse ich die Beliebtheit der Gäste nicht am Umsatz. Es gibt nette und pflegeleichte Gäste, die den ganzen Abend nur drei Bierchen trinken und es gibt solche, die haben abends den Deckel rund, sind dafür aber anstrengend. Wir haben das ganze Jahr über mit hunderten Charaktere zu tun, deswegen lässt sich die Frage pauschal nicht wirklich beantworten.
Hat sich das Kneipengeschäft in den letzten Jahren verändert?
Es hat sich sehr gedreht. Als ich damals angefangen habe und der Laden nicht um Punkt 16 Uhr offen war, klopfte um 16.02 Uhr schon der erste Krückmann ans Fenster und eine viertel Stunde später saßen acht bis zehn Rentner eines Jahrgangs am Tisch, die geknobelt und Karten gespielt haben. Abends um 19 Uhr hatte die Frau dann das Abendbrot fertig, dann ging es nach Hause. Das heißt, vor dem normalen Abendgeschäft war für uns schon mal das erste Geschäft durch. Das gibt es heute kaum noch. Auch die Zeiten, in denen Gäste nach der Arbeit im Blaumann oder im Werkstattkittel noch auf einen Abstecher in die Kneipe gegangen sind, sind vorbei. Sicherlich gibt es vereinzelt Leute, die nachmittags kommen. Aber es ist eben nicht mehr die Menge von damals.
Was ist aus dem Jahrgang geworden?
Von den Rentnern lebt heute nur noch einer - und der geht nicht mehr in die Kneipe, weil er keine Lust hat, allein hier zu sitzen. Erstaunlicherweise sind alle innerhalb von anderthalb Jahren nach und nach gestorben. Einer von ihnen ist sogar mit dem Rettungswagen raus aus meiner Kneipe, rein ins Krankenhaus und von dort nie wieder nach Hause. Das geht einem als Wirt schon nahe, wenn man sich zuvor Tag für Tag gesehen hat. Man baut ja über die Jahre ein Verhältnis zueinander auf. Ich möchte behaupten, dass einige mehr mit mir als mit ihrer Frau gesprochen haben.
Haben Sie es jemals bereut, den Highway Man zu eröffnen?
Nein! Klar gibt es - wie überall anders auch - bessere und schlechtere Tage. Aber ich kann wirklich sagen, dass ich es noch nie bereute habe, mich selbstständig gemacht zu haben. Ich wusste ja, worauf ich mich einlasse. Wer in die Gastronomie geht, muss wissen, dass er dann arbeitet, wenn andere feiern gehen. Ich denke, das kann man nicht lernen. Da muss man der Typ für sein. Ohne Leidenschaft und ohne Qualitätsansprüche bleiben irgendwann die Gäste aus. So etwas macht man ganz oder gar nicht. Wenn ich eine Einladung zum Geburtstag bekomme und es nicht gerade ein nahestehender Verwandter ist, dann bedanke ich mich brav für die Einladung, lasse eventuell noch ein Geschenk kommen und melde mich im Prinzip schon mit der Einladung ab. Ansonsten müsste ich jedesmal in den sauren Apfel beißen und den Laden für einen Abend zumachen, da ich wirklich noch jeden Tag die Tür aufschließe, jedes Essen selber koche und nach Küchenschluss den Thekendienst übernehme.
Trinken Sie auch mal einen mit, wenn Sie schon so selten raus kommen?
Ich trinke gerne ein Bier mit - aber in der Adventszeit eigentlich gar nicht. Sie ist eine der Hauptzeiten im Jahr. Wir sind zwar das ganze Jahr über gut ausgelastet, aber vor Weihnachten brummt es so richtig und kommt geballt. Der Dezember ist komplett dicht mit Terminen. Wir hatten schon Mitte Oktober die erste Weihnachtsfeier - das zieht sich bis Mitte Januar. Die vergangenen Wochenenden hätten wir alle doppelt und dreifach belegen können. Diese Zeit ist für uns mit ganz viel Arbeit verbunden. Das ist mir aber um ein Vielfaches lieber, als hinter der Theke Däumchen zu drehen (lacht).
Und wie lange machen Sie nachts?
Übers Jahr gesehen pendelt sich das unter der Woche immer irgendwo gegen Mitternacht ein. Bei Weihnachtsfeiern und an Wochenenden bleiben die Gäste natürlich auch länger. Wenn der letzte Gast raus ist, kann man dann nochmal zwei Stunden obendrauf rechnen fürs Aufräumen, Saubermachen, die Abrechnung, Bestellungen und all den andere Papierkram, der zu erledigen ist. Den mache ich grundsätzlich nachts - da stört mich keiner. Es geht kein Telefon, es klingelt niemand, es kommt kein Lieferant und es ruft keiner von der Zeitung an, der sich mit mir treffen will (lacht). Da ist Totenstille im Haus und man kriegt richtig was getan. Bis ich dann im Bett bin, ist es gut und gerne auch mal 5 Uhr. Aber das ist in Ordnung. Ich bin ein Nachtmensch. Wer mit mir zusammen arbeitet, muss auch schon mal damit rechnen, dass um Mitternacht das Telefon geht oder morgens um 4 Uhr eine E-Mail kommt. Vor einigen Jahre habe ich nachts um 3 Uhr mal mein Auto gewaschen - wie man das eben so macht, nach Feierabend (lacht). Daraufhin sind zwei Streifenwagen angerückt, weil ein Nachbar verdächtige Geräusche gemeldet hat. Die Beamten haben zwar gestutzt, mussten aber bestätigen, dass sie ihr Auto ja auch nach Feierabend waschen. Geholfen haben sie mir zwar nicht - aber ich durfte weitermachen.
Haben Sie wenigstens am morgigen Heiligabend mal frei?
Tagsüber schon. Aber ab 22 Uhr haben wir geöffnet und dann ist der Laden brechend voll. Mein Personal hat aber frei. Heiligabend gibt es nur Thekenbetrieb. Die Gäste kommen zur Theke und kriegen ihr Bier nur gegen Leergut - nicht, dass auf einmal irgendwo 80 Gläser in der Ecke stehen - es ist ja keiner da, der sie einsammelt. Das hat sich in den Jahren eingespielt und läuft super. Da machen die Gäste mit. Die sind ja froh, dass irgendein Blödmann Heiligabend seine Kneipe offen macht (lacht). Viele wollen sich nach dem zuhause abgespulten Familienprogramm noch mit Freunden treffen oder sind Junggesellen, die keine Lust haben, allein auf dem Sofa zu sitzen. Wenn der Bedarf nicht da wäre, hätte ich ganz sicher auch geschlossen.
Wie sieht bei Ihnen persönlich Weihnachten und Silvester aus?
Heiligabend fahre ich traditionell zu meiner Mutter, dort sind auch meine anderen drei Geschwister. Gegen 21 Uhr muss ich mich dort aber auch schon wieder verabschieden, weil ich ja in den Laden muss. Und am Ersten und Zweiten Weihnachtstag haben wir auch offen. Am 31. Dezember gibt es eine große Silvesterparty. Dafür haben wir aber Neujahr frei. Das ist dann der Tag, an dem es einen Schnitt gibt. Ab dann wird es zumindest wieder ein kleines bisschen ruhiger. Und weil diesmal auf Neujahr ein Dienstag folgt, an dem wir ohnehin traditionell Ruhetag haben, kommen wir in den ungewöhnlichen Genuss, mal zwei Tage ausschlafen zu können. Dieser Start ins neue Jahr ist ein Luxus, den wir ganz besonders genießen werden.
Gelernter Koch und Konditor
Ingo Krey ist 38 Jahre alt und betreibt seit 16 Jahren den Highway Man an der Bundesstraße in Velmede.
Der gebürtige Mescheder, der in Olsberg aufgewachsen ist, ist gelernter Koch und Konditor.
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