Meschede. . Die Polizeibehörde in Meschede geht gegen „Reichsbürger“ vor: Wer die Existenz der Bundesrepublik ablehnt, soll die Waffenerlaubnis verlieren.
- Die Kreispolizeibehörde in Meschede stuft „Reichsbürger“ als „unzuverlässig“ ein
- Vier Verfahren eingeleitet, um Waffenbesitzkarten zu widerrufen
- Innenministerium sieht Hochsauerland als einen der Schwerpunkte von „Reichsbürgern“
Zuletzt ist es ruhig geworden um die so genannten „Reichsbürger“. Aber nicht hinter den Kulissen: Die Polizei geht in die Offensive. Weil für „Reichsbürger“ das Deutsche Reich fortbesteht und sie die Existenz der Bundesrepublik ablehnen, stuft die Polizei sie nun im Gegenzug als „unzuverlässig“ ein. Die Kreispolizeibehörde ist deshalb dabei, Waffenbesitzkarten von „Reichsbürgern“ einzuziehen. Vier entsprechende Verfahren, bestätigt Polizei-Pressesprecher Holger Glaremin, sind im Kreis eingeleitet worden.
Jeder Einzelfall wird geprüft
Waffenbesitzkarten berechtigen zum Besitz einer „scharfen“ Waffe, in der Öffentlichkeit führen darf diese ohnehin nur, wer einen Waffenschein besitzt – daran sind noch strengere Auflagen geknüpft. Weil „Reichsbürger“ das bestehende deutsche Recht ablehnen, könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass sie die Regeln des Waffenrechtes als bindend ansehen, erläutert Holger Glaremin: „Personen, die waffenrechtlich als ungeeignet gelten, dürfen keine Waffen besitzen.“
Wenn Hinweise bestehen, dass ein Waffeninhaber in Verbindung zu „Reichsbürgern“ stehe, „wird dies eingehend geprüft“. Bei entsprechenden Anhaltspunkten leite die Kreispolizeibehörde ein Widerrufsverfahren für die Waffenbesitzkarte ein – so wie in den vier Fällen jetzt. Die Polizei im HSK folgt damit einem Erlass des Landes-Innenministeriums.
„Reichsbürger“ beschäftigen Behörden
Es ist ein übliches Verwaltungsverfahren: Zunächst wird der Waffenbesitzer angehört, dann entscheidet die Behörde, ob die Erlaubnis widerrufen wird. Fällt die Entscheidung gegen den Besitzer der Waffenbesitzkarte aus, kann er dagegen vor dem Verwaltungsgericht in Arnsberg klagen.
Ein Indiz zur möglichen Zugehörigkeit zu der Szene sei unter anderem das Auftreten gegenüber den Behörden, sagt Holger Glaremin: Wie berichtet, beschäftigen sie die unterschiedlichsten Ämter intensiv mit teils absurden Anträgen, entwerfen eigene Pässe und Autokennzeichen. Ein anderes Indiz ist das mögliche Ausrufen eines eigenen Staates. Zuletzt hatte ein Mescheder Geschäftsmann gegenüber der Bezirksregierung Meschede zum Teil des Königreiches Preußen erklärt – und sich selbst zum „Vorsitzenden des Magistrats und Gebietsverwesers“: „Die Polizei geht allen Hinweisen auf eine mögliche Reichsbürgerschaft nach und prüft jeden Einzelfall.“
Gerichtliche Niederlagen
Zuletzt soll es nach unseren Informationen in einem Mescheder Ortsteil einen Polizeieinsatz gegen einen der Szene zugehörigen Mann gegeben haben, der einen Schornsteinfeger nicht ins Haus lassen wollte. Wegen des Datenschutzes gibt die Polizei dazu keine Auskünfte. Holger Glaremin bestätigt nur allgemein, „es kommt vor“, dass Schornsteinfeger bei ihrer Arbeit durch die Polizei begleitet werden müssten – aus unterschiedlichsten Gründen, etwa wenn Hauseigentümer die vorgegebenen Reinigungsintervalle verweigerten.
Überzogen mit Anfragen aus der „Reichsbürger“-Szene wurde in der Vergangenheit vor allem die Kreisverwaltung: „Es ist aber ruhig geworden, es gibt keine aktuellen Fälle“, sagt Kreissprecher Martin Reuther. Seine Erklärung: Vor dem Verwaltungsgericht sind vier Klagen aus der Szene gegen den HSK abgewiesen worden – „das spricht sich herum“.
Stärker in ländlichen Regionen
Die vier Kläger hatten (vergebens) von der Kreisverwaltung die Ausstellung eines so genannten, in der Szene begehrten „Staatsangehörigkeitsausweises“ gefordert. Tatsächlich können damit zum Beispiel Migranten aus Polen eine deutsche Staatsangehörigkeit ihrer Vorfahren ableiten und ihre deutsche Nationalität belegen. Bei den „Reichsbürgern“ sah der Kreis kein „sachliches Interesse“ für die Ausstellung dieses Dokumentes: Sie seien ja schließlich Deutsche. Unter „Reichsbürgern“ ist dieser Ausweis als „Gelber Schein“ bekannt und gilt für sie als einzig gültiges Ausweisdokument: „Reichsbürger“ beantragen ihn, weil dieser sich auf das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz von 1913 beruft.
Die NRW-Landesregierung sieht die „Reichsbürger“ als „ein flächendeckendes Phänomen“, so zuletzt die Antwort auf eine Anfrage der Grünen im Landtag – strukturell allerdings stärker in den ländlichen Regionen: „Schwerpunkte bilden der Raum Ostwestfalen, Lippe, Soest, der Hochsauerlandkreis sowie der Großraum Köln.“
>>>HINTERGRUND<<<
Das Spektrum der Szene ist breit – es reicht von „Reichsbürgern“ über „Selbstverwalter“ und Anhängern eines „Freistaates Preußen“ bis hin zu so genannten „Germaniten“.
Wie vielfältig und bizarr die Szene ist, zeigt dieses Beispiel: Im Internet findet sich ein heimlich gedrehter Video-Mitschnitt einer Zwangsversteigerung aus dem Jahr 2014 im Mescheder Amtsgericht. Urheber ist eine so genannte „Justiz-Opfer-Hilfe“, eine bundesweit bekannte Organisation der „Reichsbürger“. Sie schreiben: „Bei dem Amtsgericht Meschede handelt es sich um kein staatliches Amtsgericht, sondern um eine auch in internationalen Auskunfteien eingetragene Firma“, ihre Richter und Rechtspfleger seien „bezahlte Straftäter“.
In NRW sind 2000 „Reichsbürger“ laut Innenministerium „identifiziert“, bundesweit 12 600. 143 Personen mit waffenrechtlichen Erlaubnissen und Hinweisen auf Nähe zu „Reichsbürgern“ kennt das Ministerium.
Seit Beginn des Jahres ordnet die Polizei 20 Straftaten „Reichsbürgern“ zu (Stand: Ende Juli). Wie viele kommunale Ordnungswidrigkeiten hinzukommen, ist unbekannt.
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