Meschede. . Nach 31 Jahren an der Spitze des Caritas-Verbandes Meschede geht Ferdi Lenze in Ruhestand. Im Interview nennt er Herausforderungen der Zukunft.

  • Scheidender Caritas-Vorstand sieht Altersarmut als eine der Herausforderungen der Zukunft
  • „Wer arbeitet, der muss von dem, was er bekommt, leben können“, fordert Ferdi Lenze
  • Er sagt auch: „Inklusion ist mehr, als Förderschulen zuzumachen und behinderte Kinder in Regelschulen zu stecken“

Zunächst war er Geschäftsführer, dann Vorstand: 31 Jahre lang stand Ferdi Lenze an der Spitze des Caritasverbandes Meschede, zu dem auch Eslohe, Bestwig und Schmallenberg gehören. Jetzt geht der 66-Jährige aus Wehrstapel in Ruhestand. Bei unserem See-Gespräch blickt er zurück und nennt Herausforderungen.

Der Ruhestand steht bevor: Sind Sie künftig häufiger hier am Hennesee zu sehen?

Ferdi Lenze: Ich denke schon! Dann wahrscheinlich häufiger mit dem Fahrrad als zu Fuß.

„Natürlich gibt es viele soziale Notlagen“

Welche Pläne haben Sie für den Ruhestand?

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Zunächst will ich ein bisschen Abstand gewinnen. Ich bin ja weiter in der Kommunalpolitik im Kreistag und als stellvertretender Landrat tätig. Weiter habe ich ja noch meine große Familie mit Enkelkindern. Ich hoffe, mir wird es schon nicht langweilig!

Die Caritas beobachtet aufmerksam die soziale Lage: Wie nehmen Sie das Klima in der Gesellschaft wahr?

Im Großen und Ganzen geht es den Menschen ja gut. Natürlich gibt es viele soziale Notlagen. Ich denke an die Sorgen von pflegenden Angehörigen und Alleinerziehenden oder von Menschen, die das Gefühl haben, trotz des allgemeinen Wohlstandes, ein Stück nicht mehr klar zu kommen. Für sie sind wir als Caritas da mit unseren Zielen: Pflegen, fördern, helfen und beraten.

Altersarmut als Herausforderung

Ist hier bei uns eine heile Welt?

Sieht man sich die geringe Arbeitslosigkeit hier an, dann bestehen tatsächlich manche Probleme nicht bei uns. Wenn ich aber manche junge Familie sehe, die unfähig ist, ihr Leben zu strukturieren, dann ist das sicher keine heile Welt mehr. Oder wenn ich bestimmte Pflegesituationen sehe, wo Angehörige überfordert sind, dann ist das auch nicht mehr heile Welt. Man muss hier sehen, wie wir durch Unterstützung dazu beitragen können, dass das Leben gelingt.

Wird Altersarmut eine der Herausforderungen der Zukunft?

Ja, in 10 oder 15 Jahren wird das mit einem anderen Schwerpunkt stärker ein Thema sein als heute. Ich glaube, die Altersarmut wird zunehmen: Es gibt so viele Menschen, die inzwischen geringfügig beschäftigt sind oder die Arbeitsverhältnisse haben, die gerade ausreichen, um das jetzige Leben bestreiten zu können. Hinterher, bei der Rente wird das nicht mehr reichen.

Welche Antworten würden Sie sich darauf erhoffen?

Wer arbeitet, der muss von dem, was er bekommt, leben können. Er muss in der Lage sein, etwas für seine private Altersvorsorge zurücklegen zu können. Das ist leider vielfach schon heute nicht mehr der Fall.

Einen Heimaufenthalt davon finanzieren zu müssen, geht kaum unter solchen Voraussetzungen...

Das wird ohne gesellschaftliche finanzielle Unterstützung über Sozialhilfe oder Pflegewohngeld nicht funktionieren. Früher konnte man sicher sein, dass ein kleines Eigenheim irgendwie vererbt werden konnte, ohne einen Heimaufenthalt damit zu bezahlen. Das funktioniert oft nicht mehr. Das ist ein echtes Problem. Ich höre von vielen, dass sie deshalb Angst haben, pflegebedürftig zu werden oder ins Heim zu gehen.

Das kommt auf den Nachfolger zu

Welche Herausforderungen kommen auf Ihren Nachfolger Peter Fuhrmanns zu?

Eine ist die wirtschaftliche und finanzielle Sicherstellung der Angebote des Verbandes. Eine andere ist die weitere Einbindung von Ehrenamtlichen in die Arbeit. Wir sehen uns auch mehr als Akteur, der aktiv mithilft, Gemeinden und Ortsteile zu gestalten. Wir wollen stärker sinnstiftend für Orte da sein. Nehmen wir das Beispiel unseres neuen Wohnprojektes in Ramsbeck, über das Sie berichtet haben. Wenn wir früher den Bau einer neuen Einrichtung geplant haben, dann haben wir das eben umgesetzt. Dieses Projekt ist jetzt anders: Wir wollen, dass die Bürger von Ramsbeck das als ihre Einrichtung begreifen und sich aktiv daran beteiligen. Eine weitere Herausforderung wird der Fachkräftemangel in den sozialen Berufen sein, besonders im Pflegeberuf.

Sie konkurrieren mit privaten Pflegediensten. Wie kann die Caritas ihre Arbeit sicherstellen?

Bei der Caritas verdienen die Mitarbeiter nach einem Tarif. Gerade im Bereich der ambulanten Pflege liegt es nicht mehr am Geld, wenn Menschen nicht mehr gepflegt werden, sondern zunehmend an mangelndem Personal. Durch die Gesetze ist in den letzten Jahren sehr viel Geld ins System gekommen. Inzwischen besteht eher das Problem, geeignetes Fachpersonal zu bekommen. Wir bilden verstärkt intern aus, um aus den eigenen Ressourcen heraus Personal für die Zukunft zu finden.

„Inklusion steht erst am Anfang“

Die Caritas fördert Menschen mit Behinderungen. Ist die Inklusion gelungen?

Inklusion steht erst am Anfang. Sie wird auch mehr Geld kosten, als man vielleicht gedacht hat. Inklusion hat sicher viel mit baulichen Maßnahmen zu tun. Sie beginnt aber in den Köpfen. Man muss eine gewisse Wegstrecke gehen, um zum Erfolg zu kommen. Inklusion ist mehr, als Förderschulen zuzumachen und behinderte Kinder in Regelschulen zu stecke. Wenn ich die Kardinal-von-Galen-Schule in Eslohe sehe, dann werden die Kinder dort besser gefördert. Wenn ich das Marcel-Callo-Haus in Meschede sehe, wo die Bewohner mittwochs bei „Meschede live“ wie selbstverständlich mitfeiern, dann sage ich, auch das ist Inklusion!

>>>HINTERGRUND<<<

Ferdi Lenze hat eine Verwaltungslehre bei der damaligen Amtsverwaltung in Bestwig gemacht, danach in Paderborn Sozialwesen studiert. 1974 bis 1977 leitete er das Jugendbegegnungszentrum Arnsberg, 1978 bis 1981 war er Mitarbeiter des CDU-Bundestagsabgeordneten Ferdi Tillmann, 1981 bis 1986 war er Bezirkssekretär der KAB Hochsauerland. Seit 1986 arbeitet er für die Caritas.

Seit 1975 gehört Lenze der CDU und der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft an. Er war Kreisvorsitzender und stellv. Bezirksvorsitzender der Jungen Union. 24 Jahre war er im Mescheder Stadtrat. Seit 1994 gehört er dem Kreistag an. Er ist erster stellvertretender Landrat und Vorsitzender des Gesundheits- und Sozialausschusses im Kreistag.

Die Caritas ist der Wohlfahrtsverband der katholischen Kirche. In der Region beschäftigt er rund 450 hauptamtliche Mitarbeiter.

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