Meschede. . Stefan Kerstholt von Reifen Göring „brennt fürs Handwerk“. Aber er kennt auch die Nachteile des Berufes, die die Fachkräftesuche erschweren.
- Auch viele kleine Handwerksbetriebe suchen Fachkräfte
- Ihr Problem: Niemand will sich mehr die Hände schmutzig machen
- Und in der Industrie wird mehr verdient - noch
Es sind nicht nur die großen Firmen, die den Facharbeitermangel spüren, gerade auch die kleinen leiden darunter. Sie können sich und ihre Arbeit nicht so präsentieren wie die großen. Stefan Kerstholt, einer der drei Geschäftsführer von Reifen Göring Autoservice, erläutert die Probleme.
Was für Mitarbeiter suchen Sie?
Stefan Kerstholt: Wir suchen Kfz-Mechaniker oder Mechatroniker. Auch Landmaschinenmechaniker können bei uns arbeiten. Die würden wir dann anlernen. Wichtig wäre jemand, der nicht nur technisch versiert ist, sondern auch Kundengespräche führen kann.
Wir stellen auch Azubis ein, allerdings nehmen wir nicht jeden, er oder sie sollte gute Chancen haben, die Ausbildung auch zu bestehen. Denn die wird immer anspruchsvoller.
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Womit wir wahrscheinlich schon bei den Problemen der Personalsuche wären?
Ja, die gestaltet sich zunehmend schwieriger. Schulabgänger wollen sich offenbar nicht mehr die Hände schmutzig machen und suchen stattdessen einen Beruf im kaufmännischen Bereich oder in der Industrie. Auch wir haben zuletzt mehrere Mitarbeiter an Industrieunternehmen verloren.
Wenn dort mehr verdient wird, scheint das logisch.
Einerseits ja, andererseits ist unsere Arbeit deutlich abwechslungsreicher und wir arbeiten selbstständiger. Hier wissen wir morgens noch nicht, was uns erwartet. Das ist spannend.
Und ich bin sicher: Auch im Handwerk werden in den nächsten Jahren die Löhne anziehen, weil die Arbeit immer anspruchsvoller wird und die Betriebe sonst nicht mehr genug Mitarbeiter finden.
Gibt es weitere Herausforderungen?
Unsere Arbeitszeiten müssen wir an die Bedürfnisse unserer Kunden anpassen. Da sind wir sehr flexibel. Das ist für mich kein Problem, mancher sieht das anders. Wenn viel zu tun ist, muss hier auch mal von 8 bis 18 Uhr gearbeitet werden, dafür gibt es aber Arbeitszeitkonten.
Früher musste mit 18 Jahren der Führerschein her und jeder Zweite schraubte selbst an seinem Auto herum. Heute hat das Auto an Stellenwert unter den Jugendlichen deutlich verloren. Und wer erstmal Abitur hat, macht keine Kfz-Lehre mehr?
Auch das merken wir. Die Zahl der Bewerbungen ist in den letzten Jahren um bis zu 50 Prozent zurückgegangen. Wir versuchen deshalb neue Azubis schon während der Schulzeit im Praktikum kennenzulernen.
Dabei brauchen wir junge Leute, die zumindest einen guten Hauptschulabschluss haben, denn die Anforderungen an den Beruf werden mit der zunehmenden Elektrifizierung noch wachsen. Man braucht bei uns ein gutes Verständnis für Informatik und Mathematik.
Machen Sie doch mal ein wenig Werbung für die Arbeit in einem eher kleinen Handwerksbetrieb.
Wir haben hier flache Hierarchien. Das ist ganz anders als in der Industrie. Ich weiß, wie es meinen Leuten geht, und wenn hier mal jemand kurzfristig weg muss, weil es zu Hause „brennt“, dann machen wir das auf dem kurzen Dienstweg immer möglich.
Daneben ist das Handwerk keine Sackgasse. Auch hier kann man sich als Meister oder Techniker weiterbilden, und es gibt für alle Mitarbeiter regelmäßige Schulungen. Ehrlich? Ich brenne fürs Handwerk, weil es mich mehr erfüllt als stupide ein Teil nach dem anderen wegzuarbeiten.
Berufswege sind heute deutlich weniger geradlinig als früher. Ein Tischler im Kfz-Betrieb? Andreas Ehrentraut arbeitet bei Reifen-Göring als Lkw-Monteur. Sein Job ist es vor allem die verschiedenen Lkw-Reifen aufzuziehen. „Eigentlich wollte ich schon nach der Schule Kfz-Mechaniker werden“, berichtet der 29-Jährige. Doch damals fand er keine Lehrstelle.
Nach der Ausbildung zum Tischler arbeitete er erst im Laden- und Fensterbau und begann dann bei einer Leihfirma. „Ständig wechselte ich die Betriebe. Das war nichts für mich.“ Über private Kontakte kam dann vor zwei Jahren zu Reifen-Göring.
„Wir haben Andreas intern fortgebildet“, berichtet sein Chef Stefan Kerstholt. Der ehemalige Tischler ist sehr zufrieden. „Mit Holz kann ich ja zu Hause noch arbeiten“, sagt er. Und noch mal die Schulbank drücken und doch eine Kfz-Lehre machen? Andreas Ehrentraut überlegt. Das Thema scheint noch nicht abgeschlossen. Im Handwerk ist vieles möglich.
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