Vera Tolksdorf hat das Sauerland für ein Jahr gegen Marokko eingetauscht. Wie es ihr in dem muslimischen Land geht, berichtet sie für Druckreif.

S ich sozial engagieren, eine neue Kultur kennenlernen und sich persönlich weiterentwickeln, dies motivierte Vera Tolksdorf nach dem Abitur für 13 Monate nach Marokko zu gehen. Die 19-jährige Meschederin berichtet für Druckreif von ihren Erfahrungen und gibt Tipps für alle, die sich auch für ein soziales Projekt im Ausland interessieren.

Was machst du in deinem Jahr nach dem Abi?

Ich arbeite in Rabat, der Hauptstadt Marokkos, in der „Fondation Orient Occident“. Die Stiftung setzt sich für Flüchtlinge aus allen möglichen Ländern, aber hauptsächlich aus Regionen südlich der Sahara ein, die auf ihrem Weg nach Europa in Marokko ankommen.

 Vera Tolksdorf lebt für ein Jahr in Rabat.
Vera Tolksdorf lebt für ein Jahr in Rabat. © Privat

Speziell arbeite ich dort für das Projekt „Migrants du Monde“. Das ist ein Modeatelier dessen Team aus Marokkanerinnen und geflüchteten Frauen zusammengesetzt ist. Gemeinsam nähen und besticken die neun Frauen Kleidungsstücke von Hand in einem Stil irgendwo zwischen afrikanischer Tradition und aktueller Mode. Ich bin die Assistentin der Chefin und sowohl für die Buchhaltung, als auch für unseren Auftritt in den sozialen Medien zuständig. Im Moment arbeite ich an unserem Onlineshop.

Wieso hast du dich für Marokko und die „Fondation Orient Occident“ entschieden?

Mir war schon recht lange klar, dass ich nach dem Abi ein Jahr für einen Freiwilligendienst ins Ausland gehen möchte. Da bei den meisten Einsatzstellen bereits ein gewisses Niveau in der Arbeitssprache vorausgesetzt wird und ich gerne außerhalb von Europa arbeiten wollte, bin ich durch meine guten Sprachkenntnisse in Französisch nach Marokko gekommen. Ich hatte das Fach in der Schule als Leistungskurs.

Dass ich so ein Jahr in einem muslimischen Land lebe und außerdem die Gelegenheit habe, marokkanisches Arabisch zu lernen, hat mich noch zusätzlich gereizt.

Zudem finde ich meine Einsatzstelle sehr spannend. Das erste Mal habe ich im Herbst 2015 von ihr gelesen, als in Deutschland die Debatte über die Flüchtlingspolitik gerade sehr präsent war. Ich beobachte ein interessantes Spannungsfeld hier in Marokko, einem Land das ja sowohl das Herkunftsland flüchtender Menschen ist, als auch ein Land, in dem Flüchtlinge ankommen.

Wie hast du dich auf deinen Aufenthalt vorbereitet?

Ich habe mich ein bisschen in die Geschichte des Landes eingelesen und auch in dem von der Entsendeorganisation veranstalteten zweiwöchigen Ausreisekurs haben wir Marokkofreiwillige viel über kulturelle Unterschiede und mögliche Schwierigkeiten gesprochen.

Am meisten geholfen hat mir aber der Arabisch-Sprachkurs am Anfang des Dienstes. Vier Wochen haben wir dafür in Gastfamilien in Essaouira, einer kleinen Küstenstadt im Süden Marokkos gelebt und konnten so sowohl die Sprache, als auch den marokkanischen Alltag langsam kennenlernen.

Auch interessant

Hast du schlechte Erfahrungen gemacht?

Eigentlich keine, ich bin immer wieder überrascht, wie glatt alles läuft. In den ersten Monaten habe ich häufig vermisst, einen festen Freundeskreis zu haben, aber da ich mit einem anderen deutschen Freiwilligen zusammenwohne und wir schnell andere Leute getroffen haben, habe ich mich nie wirklich einsam gefühlt.

Würdest du es wieder machen und warum?

Ich fühle mich sehr wohl hier und würde mich immer wieder entscheiden herzukommen. Marokko hat mir eine Menge Flexibilität und Spontanität beigebracht, und ich merke, dass ich dadurch selbstbewusster an ungewohnte Situationen herangehe, wie zum Beispiel in einer fremden Sprache unbekannte Leute nach dem Weg zu fragen oder bei wildfremden Menschen auf dem Sofa zu sitzen und mit ihnen Couscous essen.

Was hast du in der Zeit über dich gelernt?

Hauptsächlich, dass Gelassenheit in allen möglichen Lebenssituationen und das Abwarten die meisten Probleme regelt. Ob ich das so auf meinen Alltag in Deutschland übertragen kann, werde ich prüfen müssen, wenn ich wiederkomme.

Ich habe aber auch gelernt, was es heißt, eine Fremde in einem Land zu sein und wie anstrengend es ist, immer als solche wahrgenommen zu werden. Ich hoffe gerade dieses Gefühl in Erinnerung zu behalten, um es nicht in Deutschland selbst anderen Menschen zu vermitteln.

Hast du Tipps für alle, die Ähnliches vorhaben?

Wenn ihr einen Freiwilligendienst machen wollt, bewerbt euch frühzeitig. Häufig werden die ersten Stellen schon ein Jahr vor der Ausreise besetzt.

Und wenn jemand überlegt nach Marokko zu reisen, traut euch! Das Land ist wunderschön und sehr vielseitig und die Marokkaner unglaublich herzlich.

Folgen Sie der WP Meschede auf Facebook.