Eversberg. . Als Hugo, Helga oder Blütenrausch - Michael Schütte hat seine regionale Marktnische mit dem Holunderanbau in Eversberg besetzt.

Klar, dass Michael Schütte seinen Sirup „Blütenrausch“ nennt. Denn man sieht es gerade wieder, wie die Holunderblüten im heimischen Garten oder am Wegrand förmlich in weiß oder leichtem gelb explodieren. Oder eben bei Michael Schütte. Der Eversberger ist der einzige im Sauerland, der den Holunder in großem Stil anbaut. 1300 Bäume an zwei Standorten in Eversberg hat er inzwischen groß gezogen. Gerade ist die hohe Zeit der Holunderblüte. In diesem Jahr ist sie besonders prächtig.

Die Ernte

Es ist ein ganz enges Zeitfenster, dass sich am Holunder öffnet. Gerade zehn Tage dauert es bis zur Vollblüte. Also muss jetzt pflücken, wer die Blüten für sich nutzen möchte. Der Holunder ist der einzige Obstbaum, von dem Blüten und Früchte gleichermaßen genutzt werden können.

Schütte nutzt sie für die Herstellung seines besagten „Rausches“, angekündigt in Eversberg hat sich eine Brennerei aus dem Münsterland, die in großem Stil pflücken wird, außerdem drei junge Leute aus Köln, die dort einen Szenelikör namens „hol&er“ auf den Markt gebracht haben und Nachschub brauchen.

Abnehmer sind auch zwei namhafte Feinkostgroßhändler. Es ist ein sehr arbeitsintensiver Anbau. Es kommt auf die Zeit an. „Die Blüten müssen sofort verarbeitet werden, das Aroma verfliegt rasch“, sagt Schütte. Im Gegensatz zu den Beeren haben die Blüten sogar Arzneimittel-Potenzial: Getrocknet als Aufguss helfen sie, Fieber zu senken und bei Grippe.

Die Abnehmer

In der gehobenen Gastronomie, weiß Schütte von seinen Abnehmern, läuft alkoholfreier „Hugo“, in dem Blüten verwendet werden, „immer noch wie geschmiert“. Der Hype habe etwas nachgelassen, nachdem auch Discounter das Getränk entdeckten und vermarkteten: „Aber das 1,49-Euro-Zeug schmeckt doch nicht“, meint er. Michael Schütte kredenzt Gästen inzwischen „Helga“ – einen Sekt, den er mit Holunderbeerensirup mischt: „Helga ist jetzt die Schwester von Hugo“, lacht er.

Der Feind

Nach der hohen Zeit der Blüte hofft Michael Schütte dann auf einen heißen Sommer. Damit seine Holunderbeeren ordentlich heranreifen. Denn er hat einen neuen Gegner. Und den hat er der Globalisierung zu verdanken. Seit 2008 hat sich, über Amerika, auch in Europa die asiatische Fruchtessigfliege breit gemacht – auch in Deutschland. Sie hat keinen natürlichen Feind, sie vermehrt sich enorm.

Michael Schütte aus Eversberg liefert Blüten für Szenelikör
Michael Schütte aus Eversberg liefert Blüten für Szenelikör "hol & er" aus Köln.   © Jürgen Kortmann

2016 entdeckte sie auch Michael Schütte erstmals bei sich in Eversberg. Die gesamte Beerenernte war dahin. Ein Totalverlust. Die drei Millimeter großen Fruchtfliegen haben sich auf dunkles Obst spezialisiert, das weiche Schalen hat: Dunkle Weintrauben, Kirschen, Brombeeren – eben auch die Holunderbeeren: „Diese Fliege stellt eine ganz große Gefahr für alle dar.“

Einen Befall riecht man: Ein Essiggeruch hängt dann an den Bäumen, daher der Name des Schädlings. Milde Winter, feuchte Sommer: „Diese Kombination lässt die Population explodieren.“ Deshalb seine Hoffnung auf heiße Tage – und dann bitteschön einen knackekalten Winter.

Der Kreislauf

Tun kann er nichts gegen seinen winzigen Feind. Aufgehängt werden könnten besonders feinmaschige Netze: Im eigenen Garten kann das funktionieren – aber an 1300 Bäumen auf drei Hektar Fläche? „Nein, dass ist nicht wirtschaftlich.“ Spritzen wird Schütte nicht: „Ich bin 100-prozentig öko.“ Zumal er ja selbst täglich seinen Saft oder Sirup trinkt: „Man will ja den eigenen Saft mit gutem Gewissen trinken.“

Inzwischen hat er sich auch eine eigene kleine Schafherde zugelegt. Die Dorperschafe halten das Gras zwischen seinen Holunderbäumen klein, außerdem düngen sie ordentlich. Schütte ist deshalb nicht mehr auf fremden Dünger angewiesen.

Sein Anbau ist also immer mehr ein Kreislauf. Hinzu kommt: Seine Schafe sind sehr fruchtbar – und Lammfleisch ist stark nachgefragt. Die Deutschen decken ihren Bedarf an Lammfleisch aber immer noch vor allem aus Importen. Eine weitere Nische für regionale Anbieter tut sich auf.

REZEPTE

Holunderblüten-Sekt

Zutaten: 12 Holunderblütendolden, voll aufgeblüht, an einem warmen Tag gepflückt. 1 Esslöffel Essig. 100 Gramm Zucker. Eine Flasche Mineralwasser. 1 Spritzer Zitronensaft. Eiswürfel.

Blüten nicht waschen, nur abschütteln und von Tieren befreien. Die Blüten in ein hohes Gefäß geben, zum Beispiel einen Rumtopf. Vier Liter Leitungswasser mit dem Essig mischen und den Zucker darin auflösen. Die Blüten mit dem Wassergemisch bedecken und einen kleinen Teller auflegen, damit alles mit Wasser bedeckt ist. Den Topf etwa zwölf Stunden bei Zimmertemperatur stehen lassen.

Dann durch ein Sieb abgießen, den Saft auffangen und kühl stellen. Der Sekt entsteht durch eine geringe Gärung durch die Wildhefe an den Holunderblüten. Zum Trinken mit Mineralwasser aufgießen oder – wer es nicht unverdünnt mag – nur mit Eiswürfeln und einem Spritzer Zitronensaft servieren.

Holunderblüten-Sirup

Zutaten: 12 bis 15 Holunderblütendolden. 50 Gramm Zitronensäure. Eineinhalb bis zwei Kilo Zucker. Saft von drei unbehandelten Zitronen.

Die Blüten mit der Zitronensäure in einem Liter Wasser 24 Stunden ziehen lassen. Dann den Zucker einrühren und den Zitronensaft hinzufügen. In Flaschen füllen

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