Meschede. . Mit einer Verwarnung kommt in Meschede ein Angeklagter davon, der sein Opfer geschlagen hatte - und es im Prozess weiter bedrohte.
- Angeblicher Kontakt zur Tochter: Kurde schlägt Syrer ins Gesicht
- Angeklagter gibt seinem Kind die Anweisung, für ihn zu lügen
- Vater bedroht Opfer sogar im Prozess weiter
Von Respekt dem Gericht gegenüber: keine Spur. Reue für die Tat: Fehlanzeige. Im Gegenteil. Noch im Gerichtssaal droht der Angeklagte und Vater von acht Kindern in einem turbulenten Prozess dem Opfer vor allen Leuten noch einmal, er solle sich von seiner Tochter fernhalten, sonst werde er „ihn beschneiden“. Am Ende erhält er wegen vorsätzlicher Körperverletzung nur eine Verwarnung.
„Eine sehr bedrohliche Situation“
Auf jedem Basar geht es gesitteter zu als bei diesem Verfahren im Mescheder Amtsgericht. Angeklagt ist ein 39 Jahre alter, in Meschede lebender Kurde. Zwischendurch verlässt er mal den Gerichtssaal, wenn es ihm nicht passt. Dann kommt er zurück, und droht. Der Richterin und dem Staatsanwalt fällt er immer wieder ins Wort. Der Kurde soll im letzten Oktober am Winziger Platz einem 17-jährigen Asylbewerber aus Syrien ins Gesicht geschlagen haben – weil dieser angeblich ständig Kontakt zu seiner 13 Jahre alten Tochter halte.
Der Vater hatte seine Tochter am Tattag abends vermisst. Er ist deshalb in die Einrichtung des 17-Jährigen gegangen, einer Unterkunft für minderjährige Asylbewerber. Seine Tochter kannte dort Bewohner. Eine Erzieherin als Zeugin erinnert sich: „Er sagte, die Jungs haben seine Tochter geklaut.“ Nasenspitze an Nasenspitze stellte sich der zornige Vater der Erzieherin gegenüber: „Es war eine sehr bedrohliche Situation.“ Trotz mehrfacher Aufforderung sei er nicht gegangen, sie ruft die Polizei, die erteilt einen Platzverweis.
Ohne Vorwarnung Schlag ins Gesicht
Die Betreuerin bittet den 17-Jährigen, doch in der Stadt bei der Suche nach der Tochter zu helfen. Das macht er, gemeinsam mit einem 17-Jährigen aus Palästina. Der Angeklagte folgte beiden mit seiner Frau. Am Winziger Platz treffen die 17-Jährigen die 13-Jährige an, sie sagt ihnen, sie wolle nicht zu den Eltern nach Hause. Dann treffen schon die Eltern ein. Die beiden 17-Jährigen sagen aus, der Vater habe den jungen Syrer sofort ohne Vorwarnung geschlagen. Vater und Mutter bestreiten das. Der Palästinenser wird gefragt, warum der Kurde nicht wolle, dass der Syrer Kontakt zu seiner Tochter habe: „Weil er kein Deutscher ist. Er will das einfach nicht.“
Anweisung: 13-Jährige soll lügen
Vor Gericht darf die 13-Jährige nicht aussagen: Die Eltern verbieten das – das dürfen sie auch angesichts des Alters ihres Kindes. Sie hätte sowieso nicht die Wahrheit sagen sollen. Denn der 17-jährige Syrer zeigt Richterin Christina Spenner überraschend einen WhatsApp-Chat mit dem Mädchen, geführt unmittelbar vor der Verhandlung. Darin schreibt die 13-Jährige ganz offen: „Mein Vater hat gesagt, ich soll heute lügen.“
Nur Ermahnung für Drohung
Der Vater fährt aus der Haut, lässt übersetzen: „Ich habe ihm 1000-mal gesagt, er soll meine Tochter in Ruhe lassen.“ Der 17-Jährige sagt, er habe mit dem Mädchen höchstens mal auf dem Schulweg gesprochen. „Ich habe keinen Bock auf das Früchtchen“, brüllt der Angeklagte – und geht. Oberstaatsanwalt Thomas Poggel überredet ihn, wiederzukommen. Jetzt folgt die Szene, in der er dem 17-Jährigen droht, ihn zu „beschneiden“. Außer einer Ermahnung hat das keine Folgen.
„Verwarnung mit Strafvorbehalt“
Das Gericht glaubt dem 17-Jährigen. Der Oberstaatsanwalt sucht nach einem Weg, den „Rechtsfrieden“ zu wahren – sprich, ein Kompromiss, damit sich zwischen Angeklagtem und Opfer nichts weiter zuspitzt. Der 39-Jährige erhält deshalb, weil es „nur“ ein leichter Schlag ins Gesicht war, eine so genannte „Verwarnung mit Strafvorbehalt“: Er muss, so das Urteil, insgesamt 1200 Euro bezahlen – aber nur, wenn er innerhalb der nächsten zwei Jahre rückfällig wird.
Bis dahin lässt sich der Kurde, vorbestraft wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt, alles übersetzen. Als die Sprache darauf kommt, dass er auch Sozialstunden ableisten könnte, spricht er Deutsch: „Ich darf nicht arbeiten.“ Er sei arbeitsunfähig, zückt einen Schwerbehindertenausweis. Er bekommt keine Sozialstunden.
Falschaussage der Ehefrau
Dafür kündigt Oberstaatsanwalt Poggel im Prozess an, jetzt ein neues Verfahren gegen die 40 Jahre alte Ehefrau des Angeklagten zu eröffnen – wegen Falschaussage: „Einer muss gelogen haben.“ Denn weil das Gericht den beiden 17-Jährigen geglaubt hat, dann muss folgerichtig die Ehefrau für ihren Mann gelogen haben. Sie hatte ja bestritten, dass der zugeschlagen habe.
Wie viel Geld seine Familie verdiene, kann der 39-Jährige nicht sagen. Seine Frau führt die Finanzen. Er hat keine Ausbildung, nur mal im Döner-Laden gearbeitet. Die zehnköpfige Familie lebt von Grundsicherung und Kindergeld, erhält Unterkunftskosten. Ob die ältesten Kinder denn arbeiten, wird die Mutter gefragt: Nein, würden sie nicht, „jedenfalls nicht auf Lohnsteuerkarte“. Der Oberstaatsanwalt horcht auf dabei. Poggel sagt über den Fall: „Man hat nicht das Gefühl, hier werden Regeln akzeptiert.“ Der Angeklagte sagt am Ende, er akzeptiere das Urteil nicht. Die beiden 17-Jährigen leben nicht mehr in Meschede: Sie sind in andere Städte verlegt worden.
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