Meschede. . Vor dem Verwaltungsgericht häufen sich skurrile Prozesse: Reichsbürger zweifeln die Existenz der Bundesrepublik Deutschland an.
- Beim Verwaltungsgericht in Arnsberg häufen sich die Klagen von Reichsbürgern
- Zu der Gruppe gehören junge wie alte Menschen aus Meschede, Medebach und Brilon
- Sie wollen eine bestimmte Urkunde - oder gleich die Staatsangehörigkeit der Bundesrepublik aufgeben
Reichsbürger treten auch im heimischen Raum zunehmend öffentlich in Erscheinung: Jetzt verhandelte das Verwaltungsgericht in Arnsberg gleich mehrere Klagen von Einwohnern aus Meschede, Brilon und Medebach. Die Personen bestreiten die Existenz der Bundesrepublik Deutschland oder wollen ihre derzeitige deutsche Staatsangehörigkeit loswerden.
Es sind skurrile Prozesse, die am Verwaltungsgericht in Arnsberg geführt werden. Die Kläger fallen optisch nicht auf, sie tragen keine sichtbaren Abzeichen, sie wirken wie die Nachbarn von nebenan. Es sind junge und alte Menschen. Es sind Frauen wie Männer. Doch ihre Anliegen unterscheiden sich von denen anderer Kläger: Sie glauben an Verschwörungen, sie behaupten, dass die Bundesrepublik Deutschland nicht wirklich besteht.
Als renitente Klientel bekannt
Früher agierten Reichsbürger eher im Verborgenen, mittlerweile beschäftigen sie öffentliche Stellen. Beim Hochsauerlandkreis ist diese Gruppierung inzwischen als renitente Klientel bekannt. Viele der Reichsbürger verlangen von der Behörde neuerdings die Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises.
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Dieses Dokument gibt es tatsächlich. Doch es wird nur in sehr seltenen Fällen ausgestellt. Es wird benötigt, wenn die deutsche Staatsangehörigkeit ungewiss ist und nachgewiesen werden soll. Zuletzt war das bei einer polnischen Migrantenfamilie der Fall, die ihre deutsche Staatsangehörigkeit von ihren Vorfahren ableiten und mit dem Papier ihre deutsche Nationalität belegen konnte.
HSK vermisst „sachliches Interesse“
In 24 Fällen hat der Hochsauerlandkreis es im vergangenen Jahr abgelehnt, das Dokument auszustellen. Die Behörde bestreitet, dass die Reichsbürger ein so genanntes „sachliches Interesse“ an der Bescheinigung haben. „Daran fehlt es, wenn ein Bestehen der deutschen Staatsbürgerschaft nicht zweifelhaft ist und insbesondere von öffentlichen Stellen nicht bestritten wird“, teilte der Hochsauerlandkreis auf Nachfrage unserer Zeitung mit. In vier Fällen zogen die Reichsbürger jetzt vor das Verwaltungsgericht und klagten gegen die Behörde.
Gericht sieht keine Zweifel
Ihre Klagen wurden abgewiesen. Grundsätzlich könne jeder einen Antrag auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises stellen, das sei auch gesetzlich so vorgesehen, sagte Richterin Hellen Fischer. Es habe in den verhandelten Fällen aber keine Zweifel an der deutschen Staatsangehörigkeit bestanden. Mit anderen Worten: Der Hochsauerlandkreis hatte die Anträge der Reichsbürger zu Recht zurückgewiesen.
Das Arnsberger Verwaltungsgericht überzeugte auch nicht die Argumente der Kläger, etwa: dass die Bundesrepublik in Wahrheit eine Aktiengesellschaft sei. „Wenn diese Firma in Konkurs geht, haben wir keinen Nachweis, dass wir Deutsche sind“, ließen die Reichsbürger verlauten. Andere erklärten, sie benötigten einen Staatsangehörigkeitsausweis zum Erwerb von Grundstücken im Ausland, etwa auf Bali in Indonesien. Warum dafür Personalausweis oder Reisepass nicht ausreichten, erschloss sich dem Gericht nicht.
Bundesstaat Preußen
In einer weiteren Reihe von Prozessen wird gegen die Bezirksregierung Arnsberg geklagt: Sie hatte es abgelehnt, Deutsche aus der Staatsbürgerschaft der Bundesrepublik zu entlassen. Begründet hatten die Reichsbürger ihre Forderung damit, dass sie bereits eine andere Staatsbürgerschaft besitzen: Dabei nannten sie - wie oft in solchen Verfahren - die preußische Staatsangehörigkeit oder den Bundesstaat Preußen. Auch hier blitzten sie vor dem Verwaltungsgericht ab: Die Klage sei unzulässig, weil offensichtlich ausgeschlossen sei, dass eine weitere Staatsbürgerschaft vorliege. Preußen besteht seit 1945 nicht mehr.
Nächste Instanz möglich
Es war das erste Mal, dass das Verwaltungsgericht in Arnsberg geballt mit dieser Form von Prozessen beschäftigt war, weitere sind aber angekündigt. Und auch die nächste Instanz, das Oberverwaltungsgericht, könnte bald Bekanntschaft mit den Reichsbürgern machen: Eine Berufung ist zugelassen, das bedeutet, dass auf Antrag der Kläger vor der nächst höheren Instanz in Münster erneut verhandelt werden müsste.
Weitere Informationen
Reichsbürger glauben an unterschiedliche Verschwörungstheorien: Sie alle verbindet, dass sie die Bundesrepublik Deutschland nicht als souveränen, eigenständigen Staat anerkennen. Einige der Anhänger glauben, dass das Deutsche Reich rechtlich weiter fortbesteht, andere sehen sich weiterhin als Staatsangehörige des alten Preußen. Durch diese Argumentation sammeln sich auch Rechtsextreme in dieser Gruppierung.
In den 80er-Jahren ist die Reichsbürger-Bewegung erstmals beschrieben worden. Inzwischen treten die Anhänger verstärkt in Erscheinung, sie streiten dabei häufiger mit Behörden, die sie zum Teil nicht anerkennen, und prozessieren vor Gericht. Zuletzt sind Reichsbürger auch durch Gewaltattacken aufgefallen. Das Verwaltungsgericht in Arnsberg hatte daher erhöhte Sicherheitsvorkehrungen für die Prozesse angeordnet.
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