Meschede. . Eigentlich ist Imad Alaghawani Herrenfriseur. Trotzdem hat der Syrer eine feste Anstellung gefunden. „Sehen Sie es einfach als unseren Beitrag zu dieser ganzen verfahrenen Flüchtlingssituation“, sagen seine Chefs.

Imad hat es geschafft. Seit einem Jahr ist er in Deutschland, seit drei Wochen hat er eine feste Stelle als Friseur bei Volker und Thomas Sperner. Als der junge Syrer das seiner Mutter in Damaskus erzählt, weint sie am Telefon. Aus Freude für ihren Sohn und aus Verzweiflung über die ganze Situation. Imad hat sie zwei Jahre lang nicht gesehen. Das Haus der Familie ist zerbombt. Imads Eltern kamen mit seinen Brüdern, 13 und anderthalb Jahre alt, bei den Großeltern unter. Imads dritter Bruder hat einen Asylantrag in Griechenland gestellt.

Imad Alaghawani ist 20 – mit 13 verließ er die Schule und lernte Friseur. „Bei uns wird man entweder Herren- oder Damenfriseur“, erzählt der junge Mann mit leiser Stimme. Er entschied sich für den Herren-Friseur. Allerdings ist ihm wichtig, dass in Damaskus nicht etwa Frauen und Männer grundsätzlich getrennt frisiert würden. Es gebe viele Läden, in denen beide Geschlechter zusammenkommen.

Imad Alaghawani hat jedoch immer nur Herren frisiert, zuletzt sogar im eigenen Salon. Dabei seien die syrischen Männer recht eitel, sagt er und schmunzelt. Haarentfernungen und auch das Zupfen der Augenbrauen gehörten zum Standard beim wöchentlichen Friseurbesuch. „Das Friseurgeschäft ist in Syrien auch ein Kommunikationstreffpunkt.“

Barbierkunst wieder im Kommen

Der 20-Jährige hat Bärte getrimmt und geschnitten mit Messer, Schere, Rasierer – und Faden. „Für die Fadentechnik, eine Fertigkeit, die in Deutschland nur noch selten zu finden ist, zwirbelt er zwei Fäden und setzt sie an den Bartenden an, die entfernt werden sollen. Sie werden quasi ausgezupft“, erläutert Volker Sperner. „Die Barbierkunst wird in Deutschland gerade wieder mehr nachgefragt, weil wieder mehr Bart getragen wird“, erklärt der Friseurmeister. Er hat den jungen Mann nicht etwa als Praktikant und Lehrling angestellt, sondern zum normalen Tarif.

Der Syrer Imad Alaghawani ist  eigentlich gelernter Herrenfriseur.
Der Syrer Imad Alaghawani ist eigentlich gelernter Herrenfriseur. © WP

„Wir haben einen Friseur gesucht und Imad stand dann eines Tages mit seiner Bewerbung in der Tür“, berichtet Mitgeschäftsführer Thomas Sperner. „Uns war bald klar, dass er von seinem Können und seiner ganzen Art gut ins Team passt.“ Man einigte sich auf ein dreiwöchiges Praktikum, das dann auf Wunsch des jungen Mannes noch mal um zwei Wochen verlängert wurde. Seit dem 11. Juli ist der Friseur und Barbier offiziell im Salon „Volker Sperner“ eingestellt. „Vielleicht sehen Sie es einfach als unseren Beitrag zu dieser ganzen verfahrenen Flüchtlingssituation“, sagt Thomas Sperner.

Allerdings müsse Imad manches noch lernen. Die Farben in Deutschland setzen sich anders zusammen. „Und am Anfang hat er Frauenköpfe so gewaschen wie Männerköpfe“, sagt Thomas Sperner und schmunzelt bei der Erinnerung. Im Klartext: Für einen Männerkopf mit Bart ist es angenehm nach der Rasur in ein Handtuch eingewickelt zu werden. „Frauen schätzen es nicht, wenn dabei ihr Make-up verschmiert.“

Ehrgeiz hilft

Bei allem, was zurzeit im Salon passiere sei Sprache „das A und O“, sagt Volker Sperner. „Was nutzt es, wenn ich von Schnittlinien, Winkeln und Proportionen spreche und Imad mich nicht versteht.“ Aber er ist optimistisch, dass das schnell kommt. Der junge Mann sei ehrgeizig. Zurzeit lebt Imad Alaghawani noch in einer Asylunterkunft mit zwei weiteren Syrern in Olsberg. Sein Ziel ist es jetzt, eine eigene Wohnung in Meschede zu finden. In Damaskus hat der eher kleine, aber drahtige Typ Kung Fu betrieben. Die nächste Kung-Fu-Schule ist in Soest – eine weite Anreise mit Bus und Bahn. Deshalb möchte er auch seinen Führerschein machen.

„Aber das alles darf nicht zu schnell gehen“, sagen Volker und Thomas Sperner. Der junge Syrer hat erst eine Aufenthaltsgestattung. Manche Behördenhürde mussten die Friseure daher erst überwinden. „Allerdings hatten wir eine sehr nette Ansprechpartnerin bei der Arbeitsagentur“, lobt Thomas Sperner.

Warum ist Imad geflohen? Die Frage scheint banal, ein wenig unverschämt, angesichts des Krieges in Syrien. „Meine Freunde und ich hatten Ärger mit Assad“ sagt er. „Ich wollte nicht zum Militär, das Regime nicht unterstützen.“ Er zeigt auf zwei Schussverletzungen am Ellenbogen und am Bein. Imads Augen werden noch eine Facette dunkler. Sie blicken ins Leere.

41 Tage im Gefängnis

41 Tage habe er im Gefängnis gesessen. „Es war nicht genug Platz, dass wir alle sitzen konnten, wir mussten uns abwechseln.“ Die Jungs, mit denen er in Damaskus um die Häuser gezogen sei? Von denen sei keiner mehr am Leben. Er aber sei in Deutschland, sagt er und lächelt wieder: „Seit dem 8. August 2015 um 20.30 Uhr – das Datum werde ich nie vergessen.“