Kückelheim. . Seit zwölf Jahren ist Julia Wulf Geschäftsführerin bei Ketten-Wulf in Kückelheim. Schon früh hat Vater Günter sie für das Unternehmen begeistert.

Julia Wulf ist in die familiär geprägte Firmenwelt hineingewachsen. Jetzt steht die 41-Jährige gemeinsam mit ihrem Vater und ihren Brüdern Tobias und Ansgar an der Spitze des Unternehmens - einem der größten Arbeitgeber der Region. Seit dem vergangenen Jahr ist sie auch geschäftsführende Gesellschafterin. Wir haben sie zum Interview gebeten.

Haben Sie als Mädchen schon mit Fischertechnik gespielt?

Julia Wulf: Mehr als für Fischertechnik war ich ein „Kind der Natur“ und habe mich immer gerne draußen aufgehalten. Im Sauerland ist das ja auch perfekt möglich. Außerdem habe ich mich schon immer für die Arbeit meines Vaters interessiert und war schon früh stetiger Gast in unserer Verwaltung. Hier durfte ich dann auch den Mitarbeitern „über die Schulter schauen” - so habe ich noch Lochstreifen und die Errungenschaft Telex hautnah miterlebt, ebenso die Einführung der ersten Computer. Braune Ungetüme mit schwarzem Bildschirm und grüner Schrift. Heute unvorstellbar.

Wie entwickelt man als junges Mädchen eine Leidenschaft für Gliederketten?

Unser Produkt ist sicherlich nicht so „sexy“ wie so manche Konsumgütermarke, aber es ist doch immer wieder erstaunlich, wie vielseitig es einsetzbar ist. Vom Transport in Automobilwerken bis hin zu Kläranlagen oder Sägewerken ist alles dabei. Somit war es für mich nie ein Problem, mich mit unserem Produkt zu identifizieren.

Welche Rolle spielt für Sie die heimische Region - sowohl privat als auch beruflich?

Das Sauerland ist meine Heimat, in die ich nach Studium und Auslandsaufenthalt gern zurückgekehrt bin. Hier bin ich geerdet, habe ein stabiles Umfeld und kann mich auf lange bestehende Freundschaften verlassen. Beruflich ist und bleibt es der Mittelpunkt, auch wenn ich natürlich viel zu unseren weltweiten Standorten reise. Aber die Abwechslung macht ja auch Spaß.

Warum ausgerechnet Kückelheim? Gibt es aus unternehmerischer Sicht nicht attraktivere Standorte?

In dem Dorf Kückelheim wurde der Grundstein für unsere Unternehmensgruppe gelegt, hier errichtete mein Urgroßvater Johannes Wulf gemeinsam mit seinem Bruder die Firma Ketten-Wulf. Wir sind in den vergangenen 90 Jahren gesund gewachsen und hatten die Möglichkeit, uns vernünftig am Hauptsitz zu erweitern. Auch wenn wir nun so langsam an das Ende der baulichen Erweiterung stoßen, so können wir durch entsprechende Fertigungsoptimierung sicherlich weiterhin am Standort Kückelheim festhalten. Bewusst haben wir uns in unserer Unternehmensgruppe für die Zentralisierung entschieden. Das heißt, alle Fäden laufen in unserem Hauptsitz in Kückelheim zusammen. Wir sind überzeugt, dass unsere Mitarbeiter in Kückelheim bedingt zu der Nähe zur Produktion und zur Forschung und Entwicklung die besten Möglichkeiten haben, unsere Tochterunternehmen und Vertriebsniederlassungen optimal zu unterstützen. Unsere Mitarbeiter leben dieses Prinzip auch. Somit zieht uns nichts weg aus dem schönen Sauerland, auch wenn es sicherlich attraktivere Standorte im Sinne der Autobahnanbindung gibt.

Können Sie noch Rolltreppe fahren, ohne darüber nachzudenken, ob ein Wulf-Produkt verbaut ist?

Es ist tatsächlich so, dass ich beim Betreten einer Fahrtreppe direkt auf das Typenschild schaue. Besonders interessant sind natürlich die Exemplare mit einer Glasbalustrade, die einen Blick auf das Innenleben - und somit die Kette freigeben. Da muss ich dann einfach stehen bleiben und genauer hinschauen. Außerdem benutze ich grundsätzlich Fahrtreppen und -steige, denn nur durch die Abnutzung dieser bleiben wir ja im Geschäft.

Wie lange dauert es, bis bei Familienfeiern der Wulfs irgendjemand über den Betrieb spricht?

Dadurch, dass meine Eltern, meine Brüder und ich alle in der Gemeinde verwurzelt sind, sehen wir uns nicht nur zu Familienfeiern, sondern regelmäßig. Klar ist das Unternehmen immer mal wieder Thema, aber das ist für uns ja auch Alltag.

Kann man in bestimmten Bereichen des Unternehmens Ihre weibliche Handschrift entdecken?

Ich halte nichts davon, etwas als typisch weiblich oder männlich zu deklarieren - die Leistung zählt. Somit wüsste ich auch nicht, was sich durch mich von meinen Brüdern unterscheidet.

Welche Wünsche haben Sie als Unternehmerin an die Politik?

Natürlich wird auch unser Unternehmen regelmäßig mit politischen Themen konfrontiert und muss sich diesen stellen. Generelle Wünsche habe ich jedoch nicht an die Politik, da es für uns als mittelständisches Unternehmen zum Selbstzweck geworden ist, die Herausforderungen, die sich aus politischen Themen ergeben, anzunehmen und Lösungsstrategien zu entwickeln und diese mit eigenen Mitteln umzusetzen.

Um welche Themen geht es dabei in erster Linie?

Das sind konkret Themen wie der demografische Wandel, infrastrukturelle Anbindungsthemen oder aber auch das Thema der Nachfolgeregelung unter dem Aspekt der Erbschaftssteuer. Da unsere Möglichkeiten der politischen Einflussnahme begrenzt sind bzw. wenig Aussicht auf Erfolg haben, sind wir gewissermaßen verpflichtet, selbstständig Lösungen zu suchen, um damit das Ergebnis dann auch selbst kalkulieren zu können. Eine Hilfe wäre gegebenenfalls ein Ansprechpartner aus der Politik, der sich um die individuellen Belange eines Unternehmens kümmert und diese an den richtigen Stellen vorträgt. Dies könnte eine gewisse Aussicht auf Erfolg haben, wenn es in der Form auch im politischen System anerkannt würde.

Spüren Sie auch den Fachkräftemangel?

Direkte Auswirkungen spüren wir derzeit noch nicht. Trotzdem spielt das Thema für uns und unsere Personalarbeit schon seit längerem eine wichtige Rolle und das ist vielleicht auch ein Grund, warum wir noch keine direkten Veränderungen merken. Seit Jahren hat die betriebliche Ausbildung bei uns einen hohen Stellenwert. Durch unser umfassendes Ausbildungsprogramm und die von uns angebotenen Entwicklungsmöglichkeiten, wie Werkstudentenprogramme, sind wir in der Lage, unseren Fachkräftebedarf vor allem intern zu decken. Gleichzeitig sind wir zum Beispiel auch auf Karrieremessen vertreten, um auch externe Fachkräfte auf uns aufmerksam zu machen.

Welche Rolle spielen Frauen bei der Suche nach Fachkräften. Tun Sie etwas, um Frauen den Weg zu ebnen?

Wir sind in der glücklichen Lage, dass wir in unserer Region über gute Möglichkeiten zur Kinderbetreuung verfügen, was uns als Unternehmen und den bei uns beschäftigten Frauen sicher zugutekommt. Ansonsten haben Frauen die gleichen Möglichkeiten, wie männliche Fachkräfte in unserem Unternehmen. Da unterscheiden wir auch in der Förderung nicht. Als familiengeführtes mittelständisches Unternehmen steht bei uns der Mitarbeiter als Person im Fokus und da versuchen wir jeweils auf die einzelnen Bedürfnisse einzugehen. Insbesondere in unserer sehr technischen Branche würden wir uns aber mehr interessierte Frauen wünschen, die eine Ausbildung als Fachkraft oder Ingenieurin anstreben. Die Möglichkeiten in unserem Unternehmen bestehen dazu.