Meschede. . Finanzministerium zieht umstrittenen Vorschlag innerhalb von 24 Stunden zurück. Der Inhalt: Den Vereinen und Bruderschaften sollte die Gemeinnützigkeit entzogen werden, wenn sie keine Frauen aufnehmen.
Die Sitzung hätte turbulent verlaufen können, hitzig, erregt. Jetzt dürften die Beteiligten lediglich mit dem Kopf geschüttelt haben. Erleichtert. Der Bundesvorstand des Sauerländer Schützenbundes hat gestern Abend getagt. Eines seiner Themen: die zwischenzeitliche Drohung, den Vereinen und Bruderschaften die Gemeinnützigkeit zu entziehen, wenn sie keine Frauen aufnehmen. Diese Ankündigung ist nach 24 Stunden wieder vom Tisch.
Am Nachmittag hatte Finanzminister Norbert Walter-Borjans plötzlich mitgeteilt: „Traditionsvereine wirken im Regelfall weit über ihre Mitgliedschaft hinaus. Deshalb dienen sie der Allgemeinheit und erfüllen die Anforderungen an die Gemeinnützigkeit.“ Zuvor jedoch hatte ein gegensätzliches Schreiben, abgeschickt vom Finanzamt Meschede, für Wirbel gesorgt.
Schlag ins Gesicht
„Das hat uns völlig überrascht“, sagte Horst Mönig, Vorsitzender der Schützengesellschaft Schmallenberg. „Das Vorhaben wäre ein Schlag ins Gesicht für das Ehrenamt gewesen.“ Die neue Aussage des Ministers begrüßt er: „Die Satzungszwecke einer Schützengesellschaft betreffen sehr wohl die Allgemeinheit – das sollte man an den Aktivitäten des Vereins festmachen.“
Karsten Bürger, Präsident der Esloher Schützenbruderschaft St. Peter und Paul, ist froh über den Sinneswandel in Düsseldorf. „Es ist gut, dass Norbert Walter-Borjans so zeitig reagiert hat“, sagte er. Für Bürger ist es gleichzeitig der Beweis, dass „viele Räder gut ineinander gegriffen haben“. Er lobte den Einsatz der heimischen Abgeordneten, den des Sauerländer Schützenbundes und auch des Kreisschützenbundes.
Andreas Diemel-Kotthoff, Hauptmann der St.-Georgs-Schützen Meschede war gelassen geblieben: „Bei St. Georg bezieht sich die Gemeinnützigkeit nicht nur auf die Brauchtumspflege der Bruderschaft, sondern auch auf die Förderung des Schießsports. Und da gibt es natürlich weibliche Mitglieder, da ist die Vorsitzende sogar eine Frau.“ Er ist trotzdem froh, dass er das Thema nicht mehr auf die Tagesordnung der Generalversammlung im März setzen muss.
Gelassen war ebenso Rolf Nübold, Geschäftsführer der Schützenbruderschaft St. Andreas Velmede-Bestwig. „Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird“, hatte er gestern Morgen noch betont. Ihn hatte überrascht, dass ein solcher Brief ausgerechnet vom Mescheder Finanzamt verschickt worden war. Er habe die Behörde bislang als vereinsfreundlich kennengelernt.
Große Aufregung
Der Kreisoberst und stellvertretende Bundesoberst Addi Grooten zeigte sich erleichtert: „Ich hätte es mir eigentlich auch nicht vorstellen können, dass es dazu kommt“, sagte er. Zugleich berichtete er: „Die Aufregung war groß.“
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Dirk Wiese sagte auf Anfrage unserer Zeitung: „Allein der Besuch eines Schützenfestes ist ein Erlebnis für die ganze Familie, ausgegrenzt wird hier keiner.“ Er verwies allerdings auch auf ein Urteil des Finanzgerichts in Niedersachsen, wo 1999 ein Schützenverein gerügt worden war, weil er nur Männer aufnimmt.
Politisch bleibt das NRW-Finanzministerium bei seiner Linie: Nach Auffassung Vieler passe es nicht mehr in eine aufgeklärte Zeit, wenn Frauen in einem Verein zur Förderung und Pflege von Kultur und Tradition die Mitgliedschaft verwehrt werde. Die Behörde räumt aber ein: „Über einen wünschenswerten Sinneswandel sollte eine offene Debatte entscheiden und nicht die Finanzverwaltung.“